Was in der STANDARD-Redaktion geregelt ist – und warum man nicht alles regeln kann und muss.

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Je mehr Haltung, desto weniger starre Regeln sind nötig.

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Im Transparenzblog "So sind wir" berichtet die STANDARD-Redaktion über die eigene Arbeitsweise. Nach welchen medienethischen Grundregeln handeln wir? Aus welchen Fehlern lernen wir? Wir machen unsere Selbstreflexion öffentlich.

Wer Einblick in die Arbeit der Redaktion des STANDARD haben möchte, sollte wissen, dass es grundsätzlich eine lange Liste an Regeln gibt, an die sich Journalistinnen und Journalisten halten müssen, wenn sie sich als Teil dieses Mediums betrachten. Neben (medien)rechtlichen Vorgaben werden die wichtigsten journalistischen Regeln im Ehrenkodex des Presserats definiert. Hier sind die Grundsätze für die publizistische Arbeit in zwölf Punkten festgeschrieben.

Dabei wird etwa vorgegeben, wie Recherche sorgfältig, korrekt und gewissenhaft zu erfolgen hat, was wie berichtet werden soll, weil es von öffentlichem Interesse ist, was nicht berichtet werden darf, weil es den Persönlichkeitsschutz oder die Intimsphäre von Menschen verletzt. Diese Bestimmungen sind Grundlage für interne praxisnahe Richtlinien des STANDARD, die wir in unserem Transparenzblog laufend erklären und öffentlich machen wollen.

Fixe Regeln

Einige Beispiele in Kurzform: Nebentätigkeiten müssen mit der STANDARD-Chefredaktion abgeklärt werden – wobei wir den Redakteurinnen und Redakteuren bei Anfragen von Parteien, parteinahen Institutionen oder Firmen immer wieder eine Absage erteilen, damit sie nicht einmal in die Nähe der Befangenheit geraten, sollten sie über diese Institutionen berichten. Compliance-Regeln sorgen dafür, dass die journalistische Unabhängigkeit gewahrt bleibt. Diese Richtlinien beinhalten auch den Umgang mit Einladungen oder Geschenken und Aktienregeln, vor allem für die Wirtschaftsredaktion. Die Verwendung von Testprodukten oder Unterstützungsleistungen etwa bei Reisen weisen wir transparent aus.

Transparent gehen wir auch mit Entscheidungen des Presserats um, sollte eine Beschwerde einer Leserin oder eines Lesers zu einer Verurteilung führen. Zuletzt haben wir 2021 mit Details aus einem Prozess über sexuellen Missbrauch den Opferschutz verletzt. Das schmerzt nachhaltig.

Blattlinie als "Mindset"

Wir wollen es freilich nicht zu solchen Verurteilungen kommen lassen. Weil Regeln, wenn sie auch noch so präzise formuliert sind, nicht vor Verstößen schützen, braucht es ein "Mindset" – eine überzeugte Haltung innerhalb der Redaktion. Auch wenn sie im kommenden Jahr schon ihren 35. Geburtstag feiert, hat die Blattlinie von Gründer und Herausgeber Oscar Bronner noch immer Bestand und schweißt das Team dieses unabhängigen, kritischen, liberalen Qualitätsmediums zusammen.

In der Redaktion wird diese Haltung täglich gepflegt, indem wir uns gegenseitig kritisieren, auf Fehler aufmerksam machen, Feedback geben, Argumente austauschen. In unseren Kommentaren bilden wir diese Meinungsvielfalt auch immer wieder ab, indem wir über das Format Pro und Kontra unterschiedliche Sichtweisen bringen.

Leitlinien mit Anpassungen

Es gibt auch Regeln, die einer ständigen Anpassung bedürfen. Etwa jene, wie wir schreiben. Im Vorjahr haben wir uns in einer Arbeitsgruppe über Monate hinweg damit beschäftigt, wie wir geschlechtergerecht formulieren möchten. Wir haben uns neben den neuen Leitlinien auch darauf geeinigt, dass wir ständig evaluieren, wie uns die Umsetzung gelingt oder misslingt, um auch Anpassungen vornehmen zu können, sollten wir sie für sinnvoll erachten. Aktuell beschäftigen wir uns wieder einmal mit der Herkunftsnennung von mutmaßlichen Tätern oder Täterinnen – ein Thema, über das die Redaktion immer wieder sehr intensiv diskutiert.

In manchen Bereichen verzichten wir bewusst auf strikte Vorgaben. Ein Beispiel: der Umgang der Redaktion mit sozialen Medien. Wir gehen hier nach der Devise "Tue nichts Dummes!" vor. Dabei vertrauen wir darauf, dass STANDARD-Redakteurinnen und -Redakteure richtig einschätzen können, was sie posten. Es gibt auch keine Leitlinien dafür, wer mit wem außer Haus das Du-Wort pflegen darf oder wer mit wem auf Urlaub fahren kann. Diesbezüglich setzen wir auf Professionalität und Hausverstand. (Rainer Schüller, 11.11.2022)