Im Naturhistorischen Museum Wien klebten sich Aktivistinnen an den Sockel eines Dinosaurierskeletts.

Foto: APA /_Letzte Generation

Nachdem Mäntel und Jacken bei der Garderobe abgegeben, Rucksäcke in Schließfächern verstaut, Besucher durch einen Metalldetektor geschleust und Handtaschen von Securitypersonal durchsucht wurden, darf man Eintrittstickets kaufen. Werden Museumsbesuche künftig wirklich so ablaufen?

Die Serie von Klimaprotestaktionen in Ausstellungen weltweit reißt nicht ab. Lebensmittel werden auf Gemälde geworfen, Hände mit Superkleber an Rahmen und Glasscheiben festgeklebt. Gruppen wie Last Generation oder Just Stop Oil wollen maximale Aufmerksamkeit generieren, um auf Klimakatastrophe, Umweltprobleme sowie soziale Ungerechtigkeiten hinzuweisen.

Wöchentlich Vorfälle

Wöchentlich melden Einrichtungen neue Vorfälle, alleine seit Mitte Oktober waren es knapp zehn prominente Beispiele. Nachdem es zuletzt Werke von Francisco Goya im Madrider Prado und Drucke von Andy Warhol in der National Gallery of Australia getroffen hatte, wurde nun ein Saurierskelett im Naturhistorischen Museum (NHM) in Wien zum Ziel. Dort klebten sich am Donnerstag zwei Aktivistinnen der Gruppe Letzte Generation an einen Sockel im Dinosauriersaal, um gegen den "fossilen Kurs der Bundesregierung" zu demonstrieren. Ähnliches wurde bereits im September versucht, konnte jedoch von der Polizei verhindert werden.

In Rom klebten sich Protestierende zuletzt vor einem Gemälde Vincent van Goghs fest.
Foto: APA/AFP/ANSA/STRINGER

Nach internationalen Angriffen auf Meisterwerke war es wohl nur eine Frage der Zeit, bis auch österreichische Museen ins Visier geraten würden. Obwohl bisher alle Ausstellungsobjekte unversehrt blieben, befürchten viele radikalere Aktionen sowie amateurhafte Nachahmungen.

Schäden auf Kosten der Museen

Auch wenn Werke verglast sind, besteht erstens die Gefahr, dass Flüssigkeit eindringt, und zweitens, dass historische Rahmen restauriert werden müssen. Das Museum Barberini in Potsdam schätzt den durch den Monet-Angriff verursachten Schaden am Goldrahmen auf eine fünfstellige Summe.

Wie sieht die Situation in Österreich aus? Erkundigt man sich bei heimischen Museen, geben sich alle wortkarg. Um sich selbst zu schützen, geben die Einrichtungen aktuell kaum öffentliche Statements über ihre Vorkehrungen und Sicherheitsmaßnahmen. Der Tenor: Sorry, no comment. Ein alarmierendes Zeichen, scheint die Angst doch groß, selbst zum Schauplatz einer Protestaktion zu werden.

Verständnis – und Verurteilung

Jene Direktorinnen, die sich äußern, bekräftigen die Verbundenheit mit den Klimaanliegen der Aktivisten – ihre Methoden verurteilen sie aber aufs Schärfste. Sie selbst seien die falschen Gegner. Sabine Haag, Generaldirektorin des Kunsthistorischen Museums, schreibt in einem Statement: "Wir dürfen Kunst und Klimaschutz nicht gegeneinander ausspielen." Auch das NHM bekräftigt, sich aktiv mit Klimaschutz auseinanderzusetzen. Nachsatz: Mit derartigen Aktionen würden keine Mehrheiten für Klimaschutz gewonnen, sondern es werde vom eigentlichen Thema abgelenkt.

In Potsdam landete Kartoffelpüree auf einem Monet.
Foto: APA/AFP/LAST GENERATION/HANDOUT

Als erste Konsequenz haben die Einrichtungen allesamt ihr Sicherheits- und Aufsichtspersonal geschult und sensibilisiert. Um aber extra Mitarbeiter einzustellen und bestimmte Werke zu bewachen, fehlen oft die finanziellen Ressourcen, wie auch das NHM angibt. Große Taschen und Rucksäcke sowie schwere Mäntel mussten dort wie in den meisten großen Häusern auch vor den Protestaktionen abgegeben werden. Taschenkontrollen gibt es dem Vernehmen nach noch nicht in österreichischen Bundesmuseen.

Notfallkoffer in Museen

Klaus Albrecht Schröder, Direktor der Albertina, weist in einem Videostatement darauf hin, dass es sich stark besuchte Museen kaum leisten könnten, Besuchern die Garderobe abzunehmen. Ohnedies können am Körper getragene Dosen oder Fläschchen leicht versteckt werden. Für alle Fälle steht beispielsweise in der Albertina ein Notfallkoffer mit Werkzeug und Klebstoffentferner bereit, um betroffene Werke abzumontieren und schnell in die Restaurierung zu bringen.

Teilweise werden düstere Prognosen gezeichnet und bisherige Aktionen als Vorboten einer Radikalisierung gesehen. Mit schärferen Sicherheitsmaßnahmen muss also gerechnet werden. Wie weit diese gehen und wie die dadurch entstehenden Langzeitfolgen auf den Museumsbetrieb ausfallen werden, bleibt Spekulation.

VIDEO: Aktivistinnen beschmieren Gemälde, um auf den Klimanotstand aufmerksam zu machen. Was kann Kunst als Protestmittel leisten und wie weit soll Aktivismus gehen? Wir haben mit den Aktivistinnen, Künstlerinnen und Albertina-Chef Klaus Albrecht Schröder gesprochen.
DER STANDARD

Offener und sicherer

Gemälde zum Schutz verstärkt zu verglasen scheint aus restauratorischen und finanziellen Gründen jedenfalls keine Option zu sein – und wäre wohl auch nicht im Sinne der Klimaaktivisten. Unter diesen Bedingungen könnten künftig Leihgaben schwieriger und nur zu höheren Versicherungssummen zu bekommen sein.

Erhöhte Sicherheit führt zu noch einem Dilemma: Seit geraumer Zeit wollen Kunsteinrichtungen niederschwelliger und offener werden. Beides wird schwer miteinander vereinbar sein. (Katharina Rustler, 11.11.2022)

Just Stop Oil im Interview: "Sagt uns, wie wir sonst protestieren sollen"
DER STANDARD