"Fotografin, Kosmetikerin oder Buchhändlerin. Diese drei beruflichen Möglichkeiten kamen für mich nach dem Abschluss der Schule infrage. Ich setzte mich seinerzeit mit meinen Eltern zusammen, um darüber zu beraten, wie ich wohl auf einen guten Weg kommen könnte. In der Folge wurden verschiedene Betriebe angeschrieben, darunter auch Buchhandlungen. Ich habe schon als Kind unglaublich viel und gerne gelesen, war das, was man bis heute unter einem Bücherwurm versteht. Ich wuchs in der Steiermark auf dem Land auf, meine Eltern führten einen Gastronomiebetrieb und eine Landwirtschaft, wobei ich viel mitarbeiten musste.

Das Lesen bot mir die Möglichkeit, in andere, ferne Welten auszubrechen. Einmal, als ich in die Schulbibliothek ging, um mir einen ganzen Stapel Bücher auszuleihen, meinte die Bibliothekarin, ich solle doch nicht derart viele auf einmal mitnehmen. Doch wie gesagt, ich habe Bücher verschlungen, darunter waren unter anderem 'Die drei Fragezeichen', 'Fünf Freunde'. Krimis habe ich immer schon geliebt. Schriftstellerin zu werden hat mich ganz und gar nicht interessiert, ich empfinde mich definitiv nicht als kreativen Menschen. Es gibt Leute, die sprudeln nur so vor Ideen, und dann gibt es solche, die diese Kreativität konsumieren. Und zu denen gehöre ich.

Roswitha Stubenschrott ist seit drei Jahrzehnten im Buchhandel tätig.
Foto: Michael Hausenblas

Wie auch immer, ich bin dann als Lehrling in einer großen, dreistöckigen Buchhandlung in Graz gelandet. In diesem Geschäft bin ich geblieben, bis es seine Pforten geschlossen hat. Das waren in Summe 14 Jahre. Von Graz wechselte ich direkt hierher ins Wiener Leporello. Es war natürlich spannend, nach Wien zu übersiedeln. Ursprünglich war ich nicht so der große Fan dieser Stadt.

Auf einen Plausch vorbeikommen

Was mir an meinem Beruf gefällt, ist, nicht das Gefühl zu haben, zur Arbeit gehen zu müssen. Es verhält sich vielmehr so, als würde ich einfach nur die Räume austauschen. Ich liebe es einfach, hier zu sein. Zum Teil ist das Verhältnis zur Kundschaft richtiggehend amikal. Man kommt vorbei, plauscht ein bisschen und studiert die Neuerscheinungen. Es ist einfach wunderbar, Menschen Dinge anbieten und vermitteln zu können. Mir macht es Spaß, gemeinsam mit der Kundschaft herauszufinden, was dieser gefallen könnte. Das kann man durchaus als Kulturvermittlung verstehen. Klar muss am Ende des Tages der Umsatz stimmen, aber mir geht es um mehr. Mein Lohn besteht auch darin, dass jemand wiederkommt.

Ich finde nicht, dass sich unsere Klientel verändert hat. Die Menschen, die hierherkommen, waren und sind interessiert und freundlich. Viele sind sehr klug, kehren diesen Umstand aber nicht heraus. Ungute Situationen kann ich über all die Jahre an meinen beiden Händen abzählen. Da gab es nicht viele.

Die Branche hat sich natürlich sehr gewandelt, man denke an das Internet, Amazon, Thalia, E-Books und einiges mehr. Die Leute sind heute informierter als früher, schauen sich zum Beispiel Rezensionen und Bewertungen im Internet an. Dennoch finden noch immer viele Beratungsgespräche statt. Die Tendenz ist allerdings eher sinkend. Das Sortiment spielt natürlich, gerade in einem kleineren Geschäft, eine große Rolle. Wenn jemand kommt und konkret nach vier Büchern fragt, stehe ich als Heldin da, wenn ich drei davon im Regal stehen habe. Ist keines der vier lagernd, ernte ich ein Naserümpfen. Es geht also um ein gutes Gefühl fürs Repertoire, über das man als Buchhändlerin verfügen sollte. Masse steht oft nur für viele gleiche Bücher an vielen Plätzen im Geschäft. Es gibt eine Vielzahl von Literaturinteressierten, die auf das Kleine, Individuelle abseits des Mainstreams stehen. Diese Menschen wollen nicht in einer anonymen Welt verlorengehen.

Druckmittel Internet

Klar stellt der Internethandel ein ernstes Problem für uns dar. Diese Form des Verkaufens wird auch gern als Druckmittel verwendet, weil das angeblich so unkompliziert ablaufe. Die Sache mit dem Entgang von Steuergeld hören die Leute dann weniger gern als Argument. Die Entwicklung in Sachen E-Books ist aushaltbar, meines Wissens nach dümpelt es so bei zehn Prozent herum.

Nein, früher war nicht alles besser. Für mich nicht. Allein wenn man sich den Arbeitsablauf ansieht, der sich früher viel komplizierter gestaltete. Während meiner Lehrzeit wurde nach Buchtiteln und Autoren in riesigen, in Leder eingebundenen Wälzern gesucht. Das Internet hat also auch für uns große Vorteile. Auch Social Media ist für den Buchhandel ganz und gar nicht unwichtig. Auf der einen Seite nehmen Facebook und Instagram viel Platz ein und fressen Lesezeit. Andererseits sind beide ein guter Kanal für uns. Tiktoks konnte ich mich einstweilen noch erwehren. So oder so, es bleibt spannend, da wären ja auch noch die steigenden Papierpreise und die Entwicklung in Sachen Buchpreisbindung.

Mittlerweile lese ich übrigens nicht mehr so viel, da ich mit der Leitung dieses Geschäfts auch viele andere Agenden übernehmen musste. Ich lese viel an und quer, manchmal länger, manchmal kürzer. Es geht darum, ein Gefühl für ein Buch und seinen Stil zu bekommen. Dabei helfen manchmal natürlich auch Rezensionen. Meine 30-jährige Routine kommt mir sehr zugute. Und noch etwas. Das Buch wurde schon vor vielen Jahren für tot erklärt. Wie man auch bei uns sieht, stimmt es kein bisschen. Schauen Sie sich doch die Fülle an Themen und Neuerscheinungen an – und vor allem die vielen Buchhandlungen, die es immer noch gibt." (Michael Hausenblas, 13.11.2022)