Zum Interview kommt Katharina Schneider aus Neunkirchen nach Wien. Beim Fotoshooting vor einem benachbarten Hotel ist sie mit ganzem Ernst bei der Sache: Passanten halten sie für ein Mannequin.

STANDARD: Sie sitzen seit 2018 in der Start-up-Show "2 Minuten, 2 Millionen". Werden Sie auf der Straße erkannt?

Schneider: Teilweise schon. Das ist total nett, wenn mich die Leute ansprechen. Entweder haben sie Ideen, oder sie wollen ein bisschen Feedback geben oder ein Selfie machen. Die Menschen finden das inspirierend, weil so viele verschiedene Ideen vorgestellt werden.

STANDARD: Es geht in der Show um Gründer, Gründerinnen und ihre Einfälle. Sie sollten Lehrerin werden. Da hätten Sie Kindern auch ein bisschen Unternehmergeist einimpfen können.

Schneider: Ich hab Lehramt fertigstudiert, weil das der Wunsch meiner Mutter war. Sie war selbst Lehrerin. Als Kind war mir nicht bewusst, dass es für eine Frau einen anderen Job als Lehrerin gibt. Wir hatten ja auch kein Internet, wo man googeln konnte. Das war eine andere Zeit.

STANDARD: Gar keine unternehmerischen Ambitionen oder Anlagen gehabt?

Schneider: Im Nachhinein, glaube ich, ja. Wenn ich zurückschaue, denke ich schon: Lustig, ich hab als Kind Flohmärkte veranstaltet, wo ich das Gewand meiner Mutter verkauft hab, oder eine Schneebar. Ich hab am Anfang auch Jobs gehabt, wo ich angestellt war. Da bin ich dann aber immer wieder an meine Grenzen gestoßen, weil ich gedacht habe, ich will mehr machen.

Katharina Schneider (51) hat das Teleshopping-Unternehmen Mediashop groß gemacht. Zufall, wie sie sagt.
Regine Hendrich

STANDARD: Sie haben dann mehr gemacht und aus einem altmodischen Fernsehshopping-Kanal einen Multichannel-Anbieter geformt. Wie kommt man auf Teleshopping?

Schneider: Es waren sehr viele Zufälle, die mich dahin gebracht haben. Mein Ex-Mann und ich haben in ein Unternehmen investiert, das zum damaligen Zeitpunkt nur in der Schweiz tätig war, Mediashop. Das war ein sehr kleines Teleshopping-Unternehmen. Die Idee war, dass ich weiter das Callcenter betreibe, das ich davor aufgebaut hab, und dass Mediashop ein Investment ist. Da ist aber innerhalb kürzester Zeit alles schiefgegangen. Ich hab mich deswegen auch inhaltlich eingebracht. Dann war die Überlegung, dass dieses Teleshopping in Wahrheit ein riesengroßes Asset hat: Man muss sich vorstellen, man möchte ein Produkt kaufen, geht in ein Geschäft, da stehen viele Produkte, aber es ist niemand da, der einem weiterhilft.

STANDARD: Kann sich jeder gut vorstellen. Bei Teleshopping denkt man aber auch an Zwiebelhacker, Schneidebretter und Hosen mit Gummizügen. Was ist bei Ihnen ein Bestseller?

Schneider: Bei uns ist das aktuell ein Wischmopp oder ein Rudergerät oder spezielle Kissen. Meistens ist das aus den Bereichen Küche, Haushalt, Auto und Sport.

STANDARD: Da kann man die Zielgruppe erahnen.

Schneider: Genau. Die TV-Zielgruppe ist wesentlich älter als die digitale. Das Asset des Teleshoppings ist das Bewegtbild. Wir erzählen, was man mit einem Mixer machen kann. Wir können sagen, du kannst mit diesem Mixer Suppen kochen, Babynahrung, Smoothies. Wir haben Kochrezepte dabei, wir haben Köche, die sagen, welche Zutaten es braucht, wie es funktioniert. Wattanzahl, Umdrehung, das stellen wir auf eine plakative Weise dar, lustig oder mit Grafiken. Einfach so, dass es jeder versteht.

STANDARD: Was auch jeder versteht, ist der Preis. Wie preissensibel sind die Teleshopping-Kunden?

Schneider: In den meisten Fällen verkaufen wir nicht nur ein einziges Produkt. Wir verkaufen immer ein Package, da sind dann mehrere Aufsätze dabei oder mehrere Pfannen.

STANDARD: Wenn Sie das dazunehmen, bekommen Sie es um diesen Preis, wenn Sie das noch dazunehmen, um jenen. Ist das das von Fachleuten empfohlene Einkaufserlebnis?

Schneider: Genau. Wenn man einkaufen geht und ein zusätzliches Produkt gratis kriegt, oder man bekommt irgendetwas dazugeschenkt, oder man erwischt ein Schnäppchen: Für mich ist das immer ein gewisses Glücksgefühl. Da muss man einfach ehrlich genug sein. Natürlich will man das. Wer will nicht irgendwo einsparen bei einem Produkt oder einen Mengenrabatt bekommen?

Sie ist das weibliche Gesicht in der Start-up-Show "2 Minuten, 2 Millionen". Als Anstandswauau sieht sie sich dort nicht. Aber es komme vor, dass sie sagt: "Kommen wir zum Punkt, den Rest könnt ihr in der Pause besprechen."
Regine Hendrich

STANDARD: Gutes Stichwort: Wir haben wieder Krise. Kaufen die Kunden jetzt anders oder gar nicht mehr?

Schneider: Jeder Händler merkt jede Krise. Immer.

STANDARD: Während Corona hatten Sie dafür einen großen Vorteil und waren wohl Krisengewinner?

Schneider: Ja, wobei wir auch den stationären Handel beliefern. Da ist ein Teil wieder weggefallen, dafür war es online wieder mehr. Jede Krise hat ein Ende. Das ist im Prinzip die gute Nachricht. Es geht rauf und runter. Was dazukommt: Die Menschen gewöhnen sich daran.

STANDARD: Die Menschen haben sich auch an den Komfort des Online-Shoppings gewöhnt. Mit Amazon ist da eine unglaubliche Konkurrenz herangewachsen. Spüren Sie die?

Schneider: Wir verkaufen unsere Produkte auch auf Amazon. Bei Amazon ist alles erhältlich, wir haben im Jahr so 20 bis 30 Bestseller, und online verkaufen wir nur ein paar Hundert Produkte. Wir haben uns halt auf wirkliche Problemlöser spezialisiert.

STANDARD: Als solcher versteht sich auch Amazon, macht Ihnen aber offenbar auch Probleme?

Schneider: Natürlich hat Amazon gewisse Mechanismen, die nicht ganz Fair Play sind. Dort werden extrem viele billige Kopien aus China verkauft. Wir haben eine eigene Rechtsabteilung, die sich nur mit Amazon beschäftigt und jeden Tag schaut, wo Kopien verkauft werden, wo Plagiate sind, die werden gemeldet und verschwinden dann.

STANDARD: Amazon-Gründer Jeff Bezos ist einer der reichsten Männer der Welt. Haben Sie darüber nachgedacht, ihm nachzueifern?

Schneider: Die Gedanken hab ich mir noch nie gemacht. Mein persönlicher Erfolg ist, dass ich jeden Tag in der Früh aufstehe und Freude hab an dem, was ich mache.

STANDARD: Eine Sache dabei ist es, in Start-ups zu investieren. Man staunt über so manche Ideen, die bei "2 Minuten, 2 Millionen" auftauchen. Sicher sind darunter auch echte Flops, was sagen Sie da? Oder merkt man das an Ihrem Gesichtsausdruck?

Schneider bekocht gerne Freunde und Familie und betreibt viel Sport, von Tauchen über Skifahren bis zu Yoga. Ihr bislang teuerstes Investment sei Mediashop gewesen sagt sie. Das erste Start-up, dass sie selbst gegründet habe, war ein Callcenter, das es heute noch gibt.
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Schneider: (lacht) Das kommt vor. Da reagiert jeder anders. Ich versuche das Feedback so konstruktiv wie möglich zu geben. Wobei man fairerweise sagen muss, manchmal fällt es einem schwer, weil man nicht genau weiß, ob das jetzt eine versteckte Kamera ist oder ob wir da irgendwie provoziert werden.

STANDARD: Sie bekommen es mit mobilen Zeltheizungen zu tun, mit Reiseschlafmasken, die verhindern sollen, dass der Kopf beim Einnicken kippt. Wie unterscheiden Sie Schabernack von einer lukrativen Idee?

Schneider: Der allererste Zugang ist immer: Löst etwas ein Problem, und gibt es Kunden, die es kaufen wollen? Das ist das, was die meisten Menschen übersehen, weil sie produktverliebt sind.

STANDARD: Man hat den Eindruck, viele Start-ups beschäftigen sich mit Larifari-Ideen und nicht mit grundlegenden Problemen der Menschheit. Ist das so?

Schneider: Was sind die großen Probleme der Menschheit? Ich werde oft nach der Erfolgsquote bei Start-ups gefragt. Es sind rund zehn Prozent, wo man sagt, da ist ein Investment möglich. Davon sind wieder zehn Prozent extrem erfolgreich. Über die gesamte Masse ist immer viel dabei, wo man sagt: Braucht das die Welt wirklich? (Regina Bruckner, 13.11.2022)