US-Präsident Joe Biden beim Klimagipfel.

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Sharm el-Sheikh / Washington – Trotz aller Warnungen vor einer drohenden Klimakatastrophe bleiben die globalen Treibhausgasemissionen auf einem Rekordniveau. Es gibt "keine Anzeichen für einen Rückgang", wie der Forschungsbericht "Global Carbon Budget 2022" feststellt, der am Freitag auf der UN-Klimakonferenz in Ägypten vorgestellt wurde. Am selben Tag kündigte US-Präsident Joe Biden an, dass sein Land die Klimaziele erreichen und helfen wolle, die "Klimahölle" abzuwenden.

Biden warnte bei der COP 27 in Sharm el-Sheikh vor einer existenzgefährdenden Erderhitzung und kündigte an, die Klimaschutzzusagen seines Landes umzusetzen. Durch die fortschreitende Klimakrise sei das "Leben des Planeten" in Gefahr, sagte Biden vor dem Konferenzplenum. Aber die Vereinigten Staaten seien auf gutem Weg, bis 2030 die Treibhausgasemissionen um 50 bis 52 Prozent unter das Niveau von 2005 zu senken. "Wir eilen voran, um unseren Teil dazu beizutragen, die Klimahölle abzuwenden, vor der der UN-Generalsekretär Anfang dieser Woche so leidenschaftlich gewarnt hat."

Anstoß Ukraine-Krieg

Den Ukraine-Krieg nannte Biden als weiteren Anstoß für die Abkehr von fossilen Energiequellen. "Russlands Krieg macht es nur dringender, die Welt von ihrer Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu befreien", sagte Biden und rief alle Staaten dazu auf, sich dem Ziel zu widmen, die globale Erwärmung auf einen Anstieg um 1,5 Grad zu begrenzen. Biden entschuldigte sich zudem dafür, dass die USA vor seiner Amtszeit aus dem Pariser Klimaabkommen ausgestiegen waren.

Die USA, die Europäische Union, Japan und Kanada sowie weitere Partner verpflichteten sich am Rande des Treffens dazu, den Ausstoß von Treibhausgasen bei der Öl- und Gasförderung "dramatisch" zu reduzieren. Gesundheitsorganisationen und Umweltschützer empörten sich, dass Coca-Cola bei der Klimakonferenz ein Hauptsponsor ist.

Vor dem Auftritt von US-Präsident Biden forderten Umweltschützer, dass die amerikanische Regierung verbindlich zusätzliche Finanzhilfen als Schadenersatz für Klimaschäden zusagt. Der Direktor von Powershift Africa, Mohamed Adow, sagte, die USA als historisch größter Verschmutzer der Atmosphäre müssten einen solchen Topf für Ausgleichszahlungen anschieben und auch selbst Geld bereitstellen.

"Wir erkennen an, dass wir eine Herausforderung in einem Teil der Welt – sei es durch Lieferketten, Migration oder anders – gemeinsam bekämpfen müssen", sagte Bidens Klimaberater, Ali Zaidi. Die USA sind historisch der größte Verschmutzer der Atmosphäre. Sie haben einen der höchsten CO2-Ausstöße pro Kopf, sind größter Ölproduzent und auch größter Ölverbraucher.

Klimawandel trifft Entwicklungsländer

Die durch den Klimawandel bedingten Schäden treffen dagegen vor allem Entwicklungsländer in ärmeren Teilen der Welt. Die Debatte über Ausgleichszahlungen reicher Industriestaaten für Verluste und Schäden im Zusammenhang mit dem Klimawandel kommt seit Jahren kaum voran.

In ihrer Erklärung gaben die USA, die Europäische Union, Japan, Kanada, Norwegen, Großbritannien und Singapur bekannt, dass insbesondere der Ausstoß des hochwirksamen Treibhausgases Methan im Fokus stehe. Reduziert werden sollen unter anderem das bisher routinemäßige Abfackeln; auch Lecks in den Förder- und Produktionsanlagen sollen aufgespürt und gestopft werden. Ziel sei es, auf diese Weise die Erderhitzung bis Mitte des Jahrhunderts um ein Zehntelgrad abzumildern.

Das Bündnis betonte zudem die Notwendigkeit, den Übergang zu einer "sauberen" Energieerzeugung zu beschleunigen. Denn eine Abhängigkeit von fossilen Energieträgern wie Öl, Gas und Kohle mache die Staaten verletzlich für "Marktschwankungen und geopolitische Herausforderungen", hieß es – wohl mit Blick auf die Energiekrise und ausbleibende Kohle- und Gaslieferungen aus Russland infolge des Ukraine-Kriegs.

Treibhausgase aus der Öl- und Gasförderung

Erst am Mittwoch hatte ein neuer Datenreport aufgedeckt, dass bei der Förderung und Produktion von Öl und Gas dreimal mehr klimaschädliche Gase freigesetzt werden, als die Staaten bisher offiziell an die Vereinten Nationen berichten. Dies zeigen Messungen der Non-Profit-Initiative Trace, an der Datenanalytiker, Forscher und Nichtregierungsorganisationen mitarbeiten. Demnach sind die Hälfte der weltweit größten Quellen klimaschädlicher Treibhausgase Produktionsstätten für Öl und Gas und zugehörige Anlagen.

Zum Sponsoring von Coca-Cola bei der COP 27 hieß es in einem offenen Brief von 60 Gesundheitsorganisationen an die Vereinten Nationen: "Coca-Cola ist der größte Plastikverschmutzer der Welt, dessen Produkte in Verbindung gebracht werden mit Fettleibigkeit, schlechter Zahngesundheit und nicht übertragbaren Krankheiten wie Krebs und Diabetes." Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem die Welt-Adipositas-Gesellschaft, das Health Climate Network und das George Institute für Globale Gesundheit.

Empört reagierten Umweltschützer bereits am Vortag auf einen Datenreport, dass bei dem Mammuttreffen 636 Lobbyisten für Öl, Gas und Kohle registriert sind – 25 Prozent mehr als vergangenes Jahr in Schottland.

Laut dem "Global Carbon Budget 2022" dürften sich die Gesamtemissionen – aus Landnutzung und Verbrennung fossiler Brennstoffe – in diesem Jahr auf 40,6 Milliarden Tonnen belaufen. Das ist nur wenig niedriger als der bisher höchste Wert aus dem Jahr 2019 (40,9 Milliarden Tonnen).

1,5-Grad-Ziel fraglich

Sollten die CO2-Emissionen in den kommenden Jahren weiterhin so hoch bleiben, wird die Menge an CO2, die für eine 50-prozentige Chance zum Einhalten des 1,5-Grad-Ziels noch ausgestoßen werden darf, laut dem Bericht in neun Jahren verbraucht sein. Das Ziel sieht vor, die globale Erwärmung bis ins Jahr 2100 auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen.

Am Montag gehen die Verhandlungen bei der Weltklimakonferenz auf der politischen Ebene in die zweite und abschließende Woche. Trotz der niedrigen Erwartungen im Hinblick auf bahnbrechende Erfolge in Ägypten sieht Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) die Veranstaltung weiterhin als guten Rahmen für Gespräche. Hier gebe es die Möglichkeit, die ganze Welt hinter dem Ziel des gemeinsamen Klimaschutzes zu vereinen. "Mit dieser Ambition fahre ich auch hin", so Gewessler, die am Sonntag nach Ägypten fliegt und ab Montag als EU-Verhandlungsführerin bei den Gesprächen im Bereich "Adaptation" agieren wird. (APA, 11.11.2022)