Oft müssen wir in unserer Berichterstattung nüchterne Distanz gegen Lebensnähe aufwiegen.

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Im Transparenzblog "So sind wir" berichtet die STANDARD-Redaktion über die eigene Arbeitsweise. Nach welchen medienethischen Grundregeln handeln wir? Aus welchen Fehlern lernen wir? Wir machen unsere Selbstreflexion öffentlich.

Eine klare Trennung von Berichterstattung und Meinung war einer der Grundsätze, die Oscar Bronner bei der Gründung des STANDARD im Herbst 1988 einforderte. Deshalb wurden die Kommentare nicht im Blatt, sondern auf der letzten Seite platziert, wo man sie heute noch findet. Online sind sie farblich gekennzeichnet. Die Artikel selbst sollten spannend und erklärend, aber nicht von Meinung durchtränkt sein.

Ausgewogenheit als Ziel

Seit 34 Jahren bemüht sich die Redaktion um diese Trennung, und meist gelingt sie auch. Wir beleuchten beide Seiten in einer Debatte, lassen Kritiker zu Wort kommen und verzichten auf wertende Adjektive oder Formulierungen. Doch manchmal scheitern wir an unseren eigenen Ansprüchen. "Das ist zu kommentierend" ist einer der am häufigsten geäußerten Sätze, wenn wir Artikel redigieren oder sie nach Erscheinen in Redaktionssitzungen kritisieren.

Journalismus wird schließlich von Menschen gemacht, nicht von Maschinen. Dass deren Haltungen in der Berichterstattung ihre Spuren hinterlassen, lässt sich nicht immer vermeiden. Es beginnt bei der Themenauswahl und setzt sich in der Entscheidung fort, wen man befragt und wie viel Platz man den Interviewten einräumt. Selbst wenn wir Ausgewogenheit anstreben, kann es sein, dass sich eine Seite nicht ausreichend vertreten fühlt. Das Urteil über Objektivität ist selbst eine subjektive Sache.

Persönliche Noten

Gelegentlich schimmert in einem Halbsatz das Denken der Autorin oder des Autors durch. Das geschieht vor allem dort, wo wir der Leserschaft nicht nur nüchterne Fakten, sondern auch Interpretation und Einordnung bieten – eine zentrale Anforderung an Journalismus. Dafür dient das Format der Analyse, das wir auch online ausschildern. Und letztlich möchten Leser gerade bei lebensnahen Themen die Autorin ein wenig spüren. Das gezielte Einbringen einer persönlichen Note ist eine jüngere Entwicklung im internationalen Qualitätsjournalismus, die auch der STANDARD nachvollzieht.

Objektivität lässt sich nicht nur durch distanzierte Nüchternheit erreichen, sondern auch durch journalistische Fairness und Genauigkeit – zwei weitere Prinzipien, die wir seit der Gründung zu erfüllen suchen. Dass auch das im hektischen Tagesgeschäft nicht immer ganz gelingt, ist uns bewusst. Aber das Bemühen darum wird auch von Leserinnen und Lesern anerkannt, die mit den in Kommentaren vertretenen Meinungen nicht immer einverstanden sind. Dort, auf der letzten Seite, pflegen wir ein weiteres journalistisches Prinzip: die Meinungsvielfalt, mit der wir oft auch für Überraschungen sorgen. (Eric Frey, 15.11.2022)