Künftig soll ein Richtersenat und nicht mehr das Justizministerium Vorschläge machen.

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Wien – Der Bestellmodus für die OGH-Spitze wird mit der neuen Dienstrechtsnovelle "entpolitisiert": Nicht mehr das Justizministerium, sondern ein Richtersenat hat künftig das Vorschlagsrecht. Nötig wäre dies auch für den Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit, bekräftigt Markus Thoma vom Dachverband. Denn da werden zwei Dutzend Leitungsstellen ohne Vorschläge richterlicher Personalsenate besetzt.

Konkret geht es um die Präsidenten und Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofes, der neun Verwaltungsgerichte sowie des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesfinanzgerichts. Für den VwGH gibt es gar keine gesetzliche Regelung zu den Besetzungsvorschlägen an den Bundespräsidenten, dem die Ernennung obliegt. Für das seit 2014 tätige BVwG ist (ebenso wie das BFG) im Gesetz ein Vorschlag durch eine Kommission vorgesehen. Dieser gehören allerdings neben Wissenschaftern und den Präsidenten der drei Höchstgerichte auch Vertreter der Ministerien beziehungsweise des Kanzleramts an.

"Zweifel an Neutralität"

Aktuell sucht eine solche Kommission einen Nachfolger für den BVwG-Präsidenten Harald Perl, der mit Jahresende in Pension geht. Zwölf Personen haben sich beworben. Spannend ist diese Nachbesetzung auch angesichts des im Jänner bekannt gewordenen "Sideletters" der türkis-grünen Regierung. Demnach hätte nämlich die ÖVP das Nominierungsrecht. Bereits gemäß dem Sideletter besetzt wurde am Verfassungsgerichtshof (Präsident ÖVP, Vize Grüne) und am Bundesfinanzgericht (Präsident ÖVP). Für den VwGH gibt es ebenfalls eine Absprache.

Dass auch Leitungsfunktionen in der Verwaltungsgerichtsbarkeit offensichtlich parteipolitisch aufgeteilt werden, habe "Zweifel an der Neutralität und Unempfänglichkeit dieser RichterInnen geradezu heraufbeschworen und Schaden am Vertrauen in die Verwaltungsgerichtsbarkeit verursacht", stellt der Dachverband der Verwaltungsrichter in der Begutachtung der Dienstrechtsnovelle fest.

Verstoß gegen europäische Standards

Mit den bestenfalls gemischten Kommissionen – denen neben Richtern auch Vertreter der Regierung angehören – verstoße Österreich zudem gegen die europäischen Standards. Dies hätten auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, GRECO und zuletzt die Europäischen Kommission schon kritisiert. Nötig wären Vorschlagskommissionen, in denen alle Mitglieder weisungsfrei und unabhängig sind, erklärte Dachverbandssprecher Thoma gegenüber der APA.

Für die ordentliche Gerichtsbarkeit wird mit der Dienstrechtsnovelle die eine bestehende Lücke geschlossen: Künftig hat nicht mehr das Justizministerium das Vorschlagsrecht für die OGH-Spitze, sondern (wie bei allen sonstigen Richter-Ernennungen) ein richterlicher Personalsenat. Den Anstoss dafür gaben die im Mai bekannt gewordenen Chats zwischen Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) und OGH-Vizepräsidentin Eva Marek, die nahelegten, dass die Bestellung Mareks zur Leiterin der Oberstaatsanwaltschaft Wien 2014 parteipolitisch motiviert war. (APA, 13.11.2022)