Die WKStA beschäftigt sich auch mit weit zurückliegenden Vorgängen rund um Sebastian Kurz, der Ende 2013 Außenminister wurde.

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Interessante Einblicke in den Umgang von Sebastian Kurz und seinem Team mit Medien und Inseraten liefert ein brandneuer Amtsvermerk der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Darin geht es um die Vergabe von Inseraten, was ja auch ein Hauptthema des ÖVP-Korruptionsausschusses ist. Die strafrechtlich relevante Frage ist da, ob sich die damalige türkise ÖVP-Spitze rund um Kurz durch Inserate, also mit Steuergeld, positive Berichterstattung erkauft hat. Die in der Causa Beschuldigten wie Ex-Kanzler Kurz oder "Österreich"-Chefredakteur Wolfgang Fellner bestreiten das.

Im Zuge ihrer Ermittlungen dazu will die WKStA Daten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundeskanzleramts (BKA) sicherstellen. Darüber ist ein heftiger juristischer Streit entbrannt, denn das Kanzleramt will diese nicht liefern. Nun hat die WKStA von anderer Seite Informationen bekommen: Jan Krainer, Fraktionsführer der SPÖ im U-Ausschuss, hat der WKStA am 24. Oktober einen USB-Stick mit 5.030 Daten geschickt. Die stammen aus einer Aktenlieferung des Bundeskanzleramts an den U-Ausschuss.

Die WKStA hat sich das alles angeschaut und ihre Erkenntnisse im genannten Amtsvermerk festgehalten. Kurz zusammengefasst erhellen diverse Chats und E-Mails, dass der spätere Leiter der Stabsstelle Medien im Bundeskanzleramt und enge Kurz-Vertraute Gerald Fleischmann viel mit dem Inseratenthema zu tun hatte – und zwar schon 2014, als die Beteiligten alle noch im Außenministerium tätig waren, das Kurz damals gerade übernommen hatte. Der Kurz-Vertraute Stefan Steiner war ebenfalls involviert, aber auch der "Chef", also wohl Außenminister Kurz selbst.

Rabatt von "Österreich"

Aber auch noch im März 2019, als Kurz schon Kanzler war, befasste sich Fleischmann mit einem Angebot für die Schaltung von Inseraten in Wolfgang Fellners "Österreich"-Medien. Laut der Mail eines Verlagsmanagers sei Fleischmann dieses Offert bereits "von Wolfgang Fellner avisiert" worden. Das widerspricht einer parlamentarischen Anfragebeantwortung vom April 2020, in der Kanzler Kurz informiert hatte, dass "die Budgetierung und die operative Vergabe von Inseraten (...) nicht in die Zuständigkeit" von Fleischmann gefallen seien.

Dass Kurz nichts dem Zufall überließ, ist bekannt. Wie sehr er sich bei Medienkampagnen involvierte, erhellen E-Mails vom September 2014. Kabinettsmitarbeiter Fleischmann gab Feedback des "Chefs" an Kollegen und Manager des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) weiter, nachdem er Kurz "die ganzen Layouts (...) inklusive Inserate und Spot-Drehbücher" zur geplanten Kampagne gezeigt hatte. Diese hat der ÖIF später unter dem Titel "Stolz drauf" lanciert.

Bei der Auswahl des Kampagnennamens sprach sich Kurz für "Stolz drauf" aus, weil "es aktiviert, etwas zu tun", wie Fleischmann an seine Crew schrieb. Die beiden anderen ins Auge gefassten Titel solle man trotzdem abtesten lassen. Der "Chef" wolle mit der integrationsfördernden Kampagne "anecken und Aufmerksamkeit fürs Thema generieren". Gezeigt hat ihm sein Pressesprecher damals sogar die geplanten Haupt-Testimonials und die "grundsätzliche Aufmachung" der Inserate. Die finde Kurz gut, er wünsche sich zudem ein Element wie die damals gerade viral gehende Gewohnheit, sich Eiswasser über den Kopf zu leeren ("Ice-Bucket-Challenge").

Gesunde Jause zubereiten

Die E-Mails geben auch Einblick in Details der Medienarbeit des damaligen Außenministers. 2016 wünschte der sich laut Fleischmann "10 Medienstories zu Integration", unmittelbar danach lieferten Kabinettsmitarbeiterinnen und Kabinettsmitarbeiter "erste Gedanken". Sie schlugen einen Besuch des Ministers bei der Beratungsstelle Extremismus vor, bei einem anderen Termin sollte Kurz Essen zubereiten: Zum Thema "Gelebte Werte" sollte er in einem Caritas-Lerncafé "mit Kindern beim Anrichten der gesunden Jause" helfen und "jungen Burschen so vorleben, was gelebte Gleichberechtigung bedeutet".

Um Werte ging es auch in einer Anfrage, die eine "Falter"-Redakteurin Ende 2015 an Fleischmann richtete, damals Pressesprecher von Kurz. Sie wollte wissen, mit wie viel Geld das Projekt "Unsere Werte" vom einstigen Staatssekretär Kurz gefördert worden sei. Der zuständige Beamte lieferte die Info, wonach der von der Donau-Uni Krems organisierte "Werte-Jugend-Wettbewerb" mit 40.280 Euro unterstützt worden sei. Insgesamt 300 Schülerinnen und Schüler hätten 48 "kreative Einreichungen" abgegeben.

Kurz-Berater Steiner, der mit der "Falter"-Anfrage befasst war, meinte daraufhin, dass "300 Einreichungen nicht (nach, Anm.) so viel" klinge. Man solle doch der Journalistin gegenüber auch beziffern, wie viele Schüler man damit erreicht habe. Nach seiner Anschauung seien das "Tausende" gewesen, merkte Steiner sinngemäß an. Und er fragte, ob man statt der Antwort, dass "kein Vergabeverfahren stattfand", nicht sagen könne, das Projekt sei eine "Direktvergabe" gewesen. Denn: "Klingt schöner!"

WKStA will Sicherstellung durchführen

Für die WKStA unterstreichen die von Krainer übermittelten Daten sinngemäß die Notwendigkeit der Sicherstellung von weiteren Informationen im Kanzleramt. Laut den Ermittlern haben die Beschuldigten in der Inseratenaffäre, deren Diensthandys sichergestellt wurden – also Fleischmann, Steiner und andere –, vor der Hausdurchsuchung in Kanzleramt und ÖVP-Zentrale im Oktober 2021 fast alle Daten gelöscht. Daher sei es notwendig, die Kommunikation mit ihren früheren Kolleginnen und Kollegen über deren E-Mail-Postfächer zu rekonstruieren.

Ein anschauliches Beispiel dafür liegt schon in den U-Ausschuss-Unterlagen. Da schickte sich eine Mitarbeiterin aus dem Kanzleramt ihre Whatsapp-Chats mit Fleischmann per E-Mail selbst. Diese zeigen, dass sich Fleischmann auch in seiner Zeit als Medienberater im Kanzleramt immer wieder mit Inseratenvergaben befasst hat. Etwa im März 2019, also zwei Monate vor der EU-Wahl.

Da unterhielt man sich offenbar über das eingangs erwähnte "von Wolfgang Fellner avisierte Angebot" in Höhe von rund 79.000 Euro, in das ein Rabatt von 16.000 Euro eingerechnet war. Laut der Mitarbeiterin passten die Buchungen zum "Österreich"-Sonderthema "Stolz auf Österreich" allerdings "so gar nicht in den Infoschwerpunkt Europawahl", unter dem man das offenbar budgetieren wollte. Antwort auf ihre Frage an Fleischmann, ob der auch "mit Inseratenschaltungen zur EU-Wahl einverstanden" sei, findet sich in den Unterlagen aber keine.

Vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss entschlug sich Fleischmann im Juli unter Verweis auf laufende Ermittlungen bei allen Fragen zu Inseraten – er wollte nicht einmal beantworten, welche Abteilung dafür zuständig war. Aus dem Umfeld von Exkanzler Kurz heißt es zum Amtsvermerk, dass die Vorgehensweise datenschutzrechtlich zwar "absurd" sei, man sehe es aber positiv, dass es sich bei den Highlights und erwähnten Beispielen aber "um eine alltägliche, völlig harmlose Kommunikation" handle, und sichtbar werde, dass "nichts strafrechtlich Relevantes stattgefunden" habe. (Renate Graber, Fabian Schmid, 14.11.2022)