Christine and the Queens widmen sich dem Thema Aids in der 1980ern in den USA. Das schlägt sich eher bleiern auf die Stimmung des neuen Albums.

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Der Synthesizersound liegt wie der Herbstnebel überm Waldviertel. Mystisch nennen sie die Suppe dort, ein Marketing-Euphemismus für "nichts wie weg hier". Christine and the Queens schweben ihrerseits durch einen Klangnebel, blickdicht und zäh, das Lied auf den Lippen heißt Tu Sais Ce Qu’il Me Faut, also so viel wie "Du weißt, was ich brauche". Bis sich eröffnet, was das sein könnte, wird die Geduld geprüft, da heißt es zuerst einmal:

"La-la-la-la-la-la / La-la-la-la-la-la /
La-la-ah / La-la-la-la-la-la /
La-la-la-la-la-la / La-la-ah /
La-la-la-la-la-la / La-la-la-la-la-la /
La-la-ah / La-la-la-la-la-la /
La-la-la-la-la-la / La-la-ah."

Tja.
An der Stelle hat man gerade erst das zweite Lied des neuen Albums von Christine and the Queens betreten. Ermattet wandert der Blick aufs Display, das sagt, dass nach dieser elf weitere Etüden folgen. Da heißt es stark sein, durchhalten. Sei ein Mann! Oder eine Frau.

Christine residiert aktuell auf Seite der Männer. Das ist eine Information für Pronomenfeinspitze, denn die als Héloïse Adélaïde Letissier geborene Person hinter Christine and the Queens beschreibt sich als nichtbinär. Abseits dieser unglaublichen Sensation seiner Sexualität wird es schnell unoriginell, denn musikalisch betrachtet suppt das doch recht dünn.

Übergeistig und unterlässig

Die "La-la-las" sind dafür ein erster Hinweis, die ganzen "Ah-ah-ahs" und "Hm-hm-hms" sind da noch gar nicht berücksichtigt. Diese legen sich klangmalerisch und mitteilungsarm über Lieder, die in einem Sound erscheinen, der an die 1980er-Jahre erinnert. Wobei damals näher an der Idee Hookline gebaut wurde, was dafür sorgte, dass ein Lied erkennbar auf der Straße gepfiffen werden könnte. Christines Lieder? Nicht so.

Christine and the Queens

Dafür zieht er in Les Étoiles die Stimme tragisch ins Helium hoch, als gelte es, einen Hamster auf mythische Art zu bestatten, als gelte es, mit allem vorhandenen Talent eine halbgare Idee irgendwie über die Drei-Minuten-Grenze zu schleppen, zweisprachig, mit Scheppern, Rasseln und Synthiezeugs. Zu selten lässt er sich herab und überrascht mit einem Song wie Looking for Love.

Konzeptalbum

Redcar Les Adorables Étoiles ist ein Konzeptalbum. Es soll als Prolog für eine Oper dienen, die die Aids-Krise der 1980er in den USA thematisiert, die Vorlage ist Tony Kushners Stück Angels in America. Christine fungiert als angestrengter Chronist namens Redcar, doch bis auf zwei, drei Chansons ist das alles sehr übergeistig und unterlässig, im Klang blechern, in der Dynamik zäh, wenngleich die Songs weiter hinten auf dem Album besser werden.

Ob das am absehbaren Ende liegt oder tatsächlich an der Musik?
"La-la-ah / La-la-la-la-la-la /
La-la-ah / La-la-la-la-la-la /
La-la-la-la-la-la / La-la-la-la-la-la ..." (Karl Fluch, 15.11.2022)