Eine Delegierte posiert vor dem Parteilogo beim Parteitag im Juli.

Foto: REUTERS/Siphiwe Sibeko

Kurz bevor die einst ehrwürdige Organisation Nelson Mandelas, der Afrikanische Nationalkongress ANC, vollends in der Kloake der Geschichte verschwindet, macht sie noch mit einem verblüffenden Vorschlag auf sich aufmerksam. Wer am Parteitag im Dezember als Beobachter teilnehmen will, muss dafür bezahlen, gab ANC-Pressesprecher Pule Mabe kürzlich bekannt: auch wenn es sich um Journalisten handelt. Die Organisation wolle "keinen Profit machen", suchte Mabe klarzustellen: "Aber wir wollen sicherstellen, dass alle gut versorgt sind." In erster Linie wohl die eigene Partei.

Das einzigartige Ansinnen mag für demokratische Ohren fremd klingen – dem ANC ist es auf den Leib geschneidert. In der seit 28 Jahren regierenden Partei wird inzwischen alles für Geld gehandelt: Parteiämter, die Beteiligung an staatlichen Bauvorhaben oder Stimmen auf dem Parteitag. Warum sollte die Berichterstattung davon eine Ausnahme machen? Schließlich hat der ANC mit seinen stürmischen Parteitagen ein Markenzeichen geschaffen, das sich bestens monetarisieren lässt: Die Fifa lässt sich die Übertragung von WM-Spielen ja auch vergüten. Selbst wenn diese in Katar stattfinden.

Geldnot bei der Partei

Wer die Finanzverhältnisse des ANC kennt, den überrascht das Ansinnen nicht: Die auf den Hund gekommene Partei steht dermaßen in der Kreide, dass sie immer wieder ihre Angestellten nicht bezahlen kann. Funktionäre sind davon natürlich ausgenommen: Als Minister, Abgeordnete oder öffentliche Bedienstete werden sie aus der Staatskasse besoldet. Der gemeine Parteisoldat ist dagegen dringend auf Unterstützung angewiesen.

Wie das mit dem Eintrittsgeld genau funktionieren soll, wollte der ANC zu einem späteren Zeitpunkt noch erläutern: Jedenfalls würden verschiedene "Pakete" geschnürt, die den Bedürfnissen der Berichterstatter auf den Leib geschneidert seien. Ob ein solches Paket – gegen Aufpreis, versteht sich – außer den üblichen Pressekonferenzen auch ein Exklusivinterview mit dem neu gewählten Parteichef umfasst? Oder die Sparversion zumindest einen knackigen O-Ton enthält? Denkbar wäre auch, dass ein Korrespondent mit tiefen Taschen die Ergebnisse der Führungswahl schon vorab, zu Beginn des Parteitags, bekommt. Und beim Erwerb eines Rundumpakets eine Stimme abgeben darf. Oder auch zwei.

Millionen für die Wahl

Dass schon die Wahl des derzeitigen Präsidenten Cyril Ramaphosa vor fünf Jahren gekauft war, davon ist fast die Hälfte der ANC-Delegierten überzeugt. Ramaphosa soll in seinen innerparteilichen Wahlkampf damals fast 500 Millionen Rand (rund 28 Millionen Euro) investiert haben. Wie die "Comrades" mit öffentlichen, privaten oder auch illegalen Geldern verfahren, können Südafrikaner täglich in der Zeitung lesen: Auch über Ramaphosas Sofa auf seiner Wildfarm Phala-Phala, das mit Dollarnoten vollgestopft war, bevor diese angeblich gestohlen wurden.

Für Marktforscher ist der ANC eine sterbende Partei. Bei den Wahlen 2024 könne die Organisation (die einst über eine Zweidrittelmehrheit im Parlament verfügte) höchstens noch mit 40 Prozent der Stimmen rechnen, wird prophezeit. Schließlich ist der ANC für Südafrikas Absturz verantwortlich: Unter Ramaphosas Vorgänger Jacob Zuma wurden rund 85 Milliarden Euro an Steuergeldern veruntreut, das Land leidet unter chronischen Strom- und Wassernotständen, Ratingagenturen haben ihm inzwischen den "Junk"-Status verpasst.

Kandidat trotz Rücktritts

Bei Ramaphosas Herausforderer hinsichtlich des Amts als Parteichef handelt es sich übrigens um Ex-Gesundheitsminister Zweli Mkhize, der wegen seiner Verwicklung in einen Betrugsskandal Anfang dieses Jahres zurücktreten musste. Seiner Nominierung zum Kandidaten für die ANC-Führung tat das keinen Abbruch.

Schlussendlich hat der ANC die Sache mit dem Eintrittsgeld angesichts des öffentlichen Aufschreis offenbar wieder begraben. Eigentlich schade für die Partei: Für Korrespondenten gibt es nun keinen triftigen wirtschaftlichen Grund mehr, dem Auftrieb der verrotteten "Comrades" fernzubleiben. (Johannes Dieterich aus Johannesburg, 15.11.2022)