Brasiliens offizielle Delegation bei der Weltklimakonferenz COP 27 in Ägypten besteht noch aus Abgeordneten der scheidenden Regierung. Jener von Jair Bolsonaro, der die vergangene Konferenz in Glasgow ausfallen ließ. Doch so wirklich interessieren sich die internationalen Beobachterinnen und Beobachter sowieso nicht mehr für die nicht vorhandene Klimapolitik des rechten Amtsinhabers.

Alle Augen richten sich auf Luiz Inácio Lula da Silva – kurz "Lula" –, der am Mittwoch in Sharm el-Sheikh Vertreterinnen und Vertreter anderer Regierungen treffen wird. "Ich werde an einem Tag in Ägypten mehr Gespräche mit Staats- und Regierungschefs führen als Bolsonaro in vier Jahren", sagte Lula vergangene Woche in Brasília.

Damit stellte der baldige brasilianische Präsident erneut klar, dass es mit ihm einen harten Bruch mit der Politik der vergangenen Jahre geben wird: Bereits kurz nach seinem knappen Wahlerfolg kündigte Lula an, dass er während seiner Amtszeit für "Null Entwaldung" kämpfen werde. Mit seinem Besuch der COP 27 eineinhalb Monate vor seinem Amtsantritt unterstreicht er das noch einmal.

Die Rodung des Amazonas-Regenwaldes soll ein Ende nehmen.
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Mögliche Trendwende

Doch wie will Lula die Kehrtwende schaffen? Auch Bolsonaro hatte für das Jahr 2021 versprochen, keine weitere Abholzung des Regenwaldes vorzunehmen – schlussendlich wurde es ein 15-jähriger Rekord. Satellitenbilder zeigen, dass es bei der jetzigen Geschwindigkeit der illegalen Waldrodungen auch 2022 einen erneuten Höchststand geben wird.

Sollte Lula die Handbremse ziehen, könnte sein Vorhaben aber gelingen, rechnen die Wissenschafterinnen und Wissenschafter der Universität Oxford in einer Analyse für das Umweltmedium "CarbonBrief.org" vor. Fast 90 Prozent weniger Abholzung in dieser Dekade seien unter Lula möglich, schreiben die Fachleute. Das sind fast 76.000 Quadratkilometer geschützten Regenwaldes – etwa die Größe von Panama – bis zum zum Jahr 2030.

"Unbestimmtes Gebiet"

Dafür braucht es mehr Geld für die Kontrollbehörden, die die illegalen Rodungen und den Ressourcenraubbau im Regenwald stoppen können. Unter Bolsonaro wurden Vertreter der Agrarindustrie zu Waldschutzmanagern ernannt, 2020 hatte die staatliche Naturschutzagentur überhaupt so wenige Mitarbeiter wie noch nie in ihrer Geschichte. Doch ein größeres Budget für den Naturschutz muss durch einen noch immer konservativ-dominierten Kongress, mit dem Lula bereits wegen seiner Sozialpläne im Clinch liegt.

Außerdem geht es um ein Gebiet von fast 570.000 Quadratkilometer Regenwald, das sich in Besitz der föderalen Regierung befindet, aber dem noch kein Nutzen zugewiesen wurde – "unbestimmtes Gebiet". Im Moment ist diese riesige Fläche besonders anfällig für illegale Aktivitäten, doch unter Lula könnte sie zu indigenem Land oder als Naturreservat gewidmet werden.

Luiz Inácio Lula da Silva erhält einen indigenen Kopfschmuck im Amazonas. Der künftige Präsident will sich für Indigenen-Rechte einsetzen.
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"Opec der Wälder"

Um sich international mehr Gehör für seine Anliegen zu verschaffen, versucht Lula mehrere Stimmen zu vereinigen. Dazu soll er auch auf der Weltklimakonferenz mit Vertretern der Demokratischen Republik Kongo und Indonesiens verhandeln. Sie sollen sich zu einer Interessengruppe zum Schutz der tropischen Wälder zusammenschließen.

Diese trägt in den Medien bereits den Spitznamen "Opec der Wälder" – nach der Organisation, die die Interessen der ölfördernden Nationen vertritt. Eine Zusammenarbeit der drei Länder wäre insofern ein starkes Signal, als sie mehr als die Hälfte des tropischen Waldes weltweit besitzen. Prinzipiell haben sich die Staaten bereits im Vorjahr in Glasgow darauf geeinigt, die Rodungen bis zum Jahr 2030 zu stoppen und die Entwicklung umzukehren.

Auch internationale Gelder sollen unter Lula wieder in den Schutz des Regenwaldes fließen. Norwegen und Deutschland hatte ja einen Milliarden schweren Fonds während Bolsonaros Amtszeit eingefroren, da dieser vor allem die Mitsprache von internationalen NGOs heftig kritisierte. Beide Länder haben bereits signalisiert, dass sie ihre Finanzhilfen fortsetzen wollen.

Marina Silva ist zurück in Lulas Team und ebenfalls in Ägypten.
Foto: Mohammed ABED / AFP

Starke Personalie

Und auch auf nationaler Ebene deutet zumindest nach außen alles darauf hin, dass Lula es mit seinen großen Ankündigungen ernst meint. Denn seine ehemalige Umweltministerin Marina Silva ist wieder in seinem Team und wird wahrscheinlich auch wieder oberste Umweltschützerin in Lulas neuer Regierung. Sie war 2008 aus Protest zurückgetreten, weil sich der Präsident damals ihrer Meinung nach zu sehr für die Interessen der Agrarindustrie verbogen hatte. Silva genießt hohes Ansehen unter internationalen Fachleuten, ist eine lebenslange Kämpferin für den Schutz des Regenwaldes und war die treibende Kraft hinter der Reduktion der Abholzung des Amazonas.

Bei der Pressekonferenz am Mittwochnachmittag (17 Uhr MEZ) wird erwartet, dass Lula zudem zwei neue Posten verkündet. So soll es laut Medienberichten in seiner Regierung auch ein Ministerium für indigene Menschen geben und einen Sondergesandten für Klima – ähnlich jenem Job, den John Kerry in den USA innehat.

Lula soll zudem ankündigen, dass er im Jahr 2025 die COP 30 in Brasilien haben möchte – die erste Weltklimakonferenz fand 1992 bereits in Rio de Janeiro statt. (Bianca Blei, 16.11.2022)