Der Ausbau von Betreuungseinrichtungen, die Übernahme von Schulkosten sowie geförderter Wohnbau sollen Familien gezielt entlasten, fordert die Arbeiterkammer.

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Wien – Die Arbeitslosigkeit ist im November deutlich niedriger als im Vorjahr, und auch die Voranmeldungen zur Kurzarbeit befinden sich auf einem Tiefststand. Was zunächst nach rosigen Zeiten am Arbeitsmarkt klingt, sieht bei näherem Hinsehen deutlich anders aus. Rund jeder Zweite kommt mit seinem Einkommen gerade noch oder nicht mehr aus. Das zeigt die aktuelle Sonderauswertung des Arbeitsklima-Indexes der Arbeiterkammer (AK).

Besonders gravierend sind die Probleme im Handel, Tourismus und in der Pflege – jenen Berufen, die bereits durch die Pandemie an ihre Grenzen gekommen sind. Damit ist auch klar: Die Teuerung trifft Frauen und nichtösterreichische Staatsbürger besonders hart.

Inflation: Manche profitieren, viele kommen an ihre Grenzen

Während sich also das Arbeits- und Wirtschaftsministerium über gerade einmal 324.000 arbeitslos und in Schulung gemeldete Personen freut, kommt ein Großteil der Beschäftigten an seine finanziellen Grenzen. Wie aus dem Arbeitsklima-Index der beiden Marktforschungsinstitute Ifes und Sora in Kooperation mit der AK hervorgeht, trifft die Teuerung die Bevölkerung in Österreich in unterschiedlichem Ausmaß. "Die Inflation von elf Prozent ist nur ein Durchschnittswert. Tatsächlich profitieren einige von der Teuerung, während andere übermäßig stark betroffen sind", kritisiert Daniel Schönherr vom Marktforschungsinstitut Sora.

Im Handel, dem Tourismus und in der Gastronomie sowie in den Sozial- und Pflegeberufen liegt demnach der Anteil jener, die mit ihrem Gehalt kaum über die Runden kommen, bei bis zu zwei Dritteln. Niedrige Löhne, prekäre Arbeitsbedingungen und ein hoher Anteil an Teilzeitbeschäftigungen werden dabei schon länger kritisiert. Im Zuge der Teuerung führt dies nun zu einer vermehrten finanziellen und damit auch psychischen Belastung. Viele Menschen müssen sparen, manche mussten auf ihr Erspartes zurückgreifen.

300.000 trotz Arbeit armutsgefährdet

"Die Menschen sparen vor allem bei Freizeitaktivitäten ein", analysiert Arbeitsmarktexperte Schönherr. Aber auch beim wöchentlichen Lebensmitteleinkauf gäbe es mittlerweile Einsparungen; jeder Vierte ist gar auf Unterstützung aus der Familie angewiesen. Das beträfe allerdings vornehmlich das unterste Einkommensviertel. Besserverdienende würden zwar ebenfalls Sparmaßnahmen ergreifen, allerdings in deutlich geringerem Maße.

Rund 300.000 Menschen in Österreich trifft die Teuerung nun besonders hart: Sie sind trotz Beschäftigung armutsgefährdet. "Der Mythos, dass sich Fleiß und Leistung lohnen, ist damit entzaubert", sagt etwa AK-Präsident Andreas Stangl. Er fordert gezielte Maßnahmen, Menschen beim Stemmen der hohen Kosten zu unterstützen.

"Es gehört in Preismechanismen eingegriffen", nimmt er die Bundesregierung in die Pflicht. Die Abschöpfung von Krisengewinnen der Energiekonzerne sowie eine Besteuerung von Millionären würden "Milliarden" freischaufeln – Geld, das in die Deckelung der Heizkosten und gezielte Entlastungen von Familien und Menschen mit niedrigem Einkommen fließen solle. (Nicolas Dworak, 15.11.2022)