Wälder sind wichtige Kohlenstoffspeicher, ihre Bestände sind vielerorts bedroht.
Illustration: Fatih Aydogdu

Die Sonne fällt schräg durch das Blätterdach, ihre Strahlen zeichnen helle Bahnen ins Halbdunkel des Waldes. Es herrscht tiefe Ruhe. Die Stämme ringsumher bieten nicht nur Ruhe und Erholung, der Wald beherbergt unzählige Spezies, ist Lebensgrundlage vieler Menschen – und darüber hinaus ein riesiger CO2-Speicher. Gerade in Zeiten der Klimakrise ist es zentral, dass Wälder geschützt werden.

Regenwald kompensiert Kohlendioxid

Dennoch zerreißt vielerorts das Dröhnen von Kettensägen die Waldesruh. Für Minen, Landwirtschaft und Infrastrukturprojekte müssen die Bäume weichen. "Der Amazonas-Regenwald verlor allein in den letzten drei Jahren eine Fläche von 30.000 Quadratkilometern", sagt Nathália Nascimento, Waldexpertin an der Universität São Paulo in Brasilien. Anderswo ist die Abholzung nicht geringer. Doch auch Wald, der noch steht, ist zunehmend in Gefahr: Extremwetter, Dürren und Schädlinge setzen im Gefolge des Klimawandels Wälder unter Druck. Wachsen Pflanzen, nehmen sie Kohlendioxid aus der Luft auf. Mit dem Gas treiben Gewächse ihre Zellen an und nutzen den Kohlenstoff, um tragende Strukturen wie Stämme zu bilden. Kein Wunder, dass ein Wald daher gewaltige Mengen Kohlenstoff aufnehmen kann.

Wie die Expertinnen und Experten der Internationalen Union für Waldforschung (IUFRO) in ihrem neuen Bericht errechnen, speichern die Wälder der Welt – von den borealen Nadelwäldern bis zum tropischen Regenwald – stolze 29 Prozent der jährlich vom Menschen verursachten CO2-Emissionen. Wälder kompensieren also knapp ein Drittel unseres Kohlendioxidausstoßes – werden sie gerodet oder geschädigt, können sie diese Aufgabe nicht mehr erfüllen. Heute sind Abholzung und Waldschädigung für ein Zehntel aller CO2-Emissionen verantwortlich. Soll die Erderwärmung 1,5 Grad Celsius nicht übersteigen, muss sich dieser Trend umkehren: Bis zum Jahr 2030 müsste die Entwaldung um 70 Prozent zurückgehen, bis zum Jahr 2050 gar um 95 Prozent, schreiben die Fachleute.

Wälder gegen Gelder

Die Bedeutung der grünen Lungen erschöpft sich nicht in ihrer Rolle als Kohlenstoffspeicher: Der Planet steckt neben der Klima- auch in einer Biodiversitätskrise. Um jedoch die Artenvielfalt der Erde zu erhalten, ist es unumgänglich, den Wald zu schützen. Darüber hinaus sind Wälder für indigene Gruppen Heimat, Lebensgrundlage und Kultort. Um den Wald als Kohlenstoffsenke zu erhalten und in all seinen Facetten zu schützen, rief die Uno vor mehr als fünfzehn Jahren das internationale Waldschutzprogramm REDD+ ins Leben.

Grundgedanke des Programms ist, dass Industrienationen Ländern des Globalen Südens Geld dafür geben, ihre Waldgebiete vor der Abholzung zu schützen. Hat der Wald für ein Land einen höheren finanziellen Nutzen als das Holz oder die Bodenschätze unter ihm, bleibt er stehen, so zumindest das Kalkül. Finanziert wird REDD+ aus staatlichen Fonds oder über den Handel mit CO2-Zertifikaten. Doch funktioniert dieser Mechanismus überhaupt? Diese Frage soll der neue IUFRO-Bericht klären. Die Fachleute halten fest, dass REDD+ grundsätzlich wirkt: Ein positiver Effekt auf die CO2-Speicherung sei nachweisbar, zusätzlich würden REDD+-Projekte einen Rückgang der Bodenerosion und eine Verbesserung der Artenvielfalt sowie der Wasserqualität in den Schutzgebieten bewirken. Auch steige die Widerstandskraft der Gehölze gegen Dürren und Überschwemmungen. Das sind gute Neuigkeiten, hängt doch die Fähigkeit der Wälder, CO2 aufzunehmen, direkt mit ihrer Gesundheit zusammen.

Wiederaufforstung und Emissionsabbau

Allerdings warnen die Fachleute, dass Waldschutz und Wiederaufforstung allein die Klimakrise nicht lösen können. Zu groß sind die Emissionen, die die Menschheit jedes Jahr in die Atmosphäre bläst. Doch an Einsparungen und Strukturwandel in den Industrieländern zu arbeiten ist mühsam. Wie bequem wäre es da, das Problem mit ein bisschen Geld aus dem Weg zu schaffen. Wollen Sie etwa eine Flugreise nach New York antreten, haben aber ob des CO2-Ausstoßes Bauchweh? Kein Problem, gegen kleine Münze verspricht die Fluglinie, irgendwo Bäume zu pflanzen, um die Emissionen zu kompensieren. Für das Klima ist es dann so, als hätte der Flug nie stattgefunden, oder?

Leider funktionieren solche Kompensationsmodelle kaum: Einerseits werden oft problematische Monokulturen gepflanzt, andererseits müssen die Bäume für Jahrzehnte wachsen, um den Kohlenstoff aus der Luft zu saugen, den unsere Reise freigesetzt hat. Doch wegen der Klimakrise nimmt die Fähigkeit der Wälder, CO2 aufzunehmen, ab: Die Bäume sterben schlicht zu früh und setzen den Kohlenstoff wieder frei, den sie eigentlich speichern sollten. Damit sind Kompensationssysteme im besten Fall ein Nullsummenspiel – im schlechtesten ein bloßer Marketinggag. Kritikerinnen und Kritiker werfen REDD+ vor, ähnlich zu funktionieren: Können Unternehmen direkt über den Zertifikatehandel oder indirekt über staatliche Fonds Wälder pflanzen, bestehe für sie kein Anreiz, ihre klimaschädliche Produktionsweise zu ändern. Im Gegenteil würde REDD+ so nötige Veränderungen verzögern. Festzuhalten ist, dass Wiederaufforstungen und Waldschutz unverzichtbare Bestandteile der Klimastrategie sind, die jedoch tiefgreifende Reformen unseres Wirtschaftens nicht ersetzen.

Wichtige Zusammenarbeit

REDD+ könnte einen größeren Beitrag leisten, wäre der bürokratische Dschungel gerodet: Um ein Stück Wald effektiv zu schützen, müssen alle an einem Strang ziehen, von internationalen bis zu regionalen Akteuren. Die Realität sieht oft anders aus, viele Projekte sind nicht so effizient, wie sie sein könnten.

"REDD+ müsste sich besser mit staatlichen und privaten Programmen, NGOs und regionalen Initiativen vernetzen", sagt Stephanie Mansourian. Die Umweltberaterin der IUFRO betont bei einer Podiumsdiskussion am Rande der Weltklimakonferenz im ägyptischen Sharm el-Sheikh die Bedeutung des Vertrauens der lokalen Zivilbevölkerung, das die internationalen Projektpartner gewinnen müssen. Immerhin sind es letztlich die Anwohnerinnen und Anwohner, die Änderungen verwirklichen. Hier sollten robuste Strukturen aufgebaut werden, um die gewonnenen Schutzwirkungen für alle langfristig zu halten. Dabei haperte es in der Vergangenheit oft.

Indigene Perspektiven

Besonderes Augenmerk legten die Waldforscherinnen und Waldforscher in ihrem Bericht daher auf die Bedürfnisse und Wünsche Betroffener vor Ort und indigener Gruppen. Es ist vor allem die Kritik Letzterer, die schwer auf REDD+ lastet. Vertreterinnen und Vertreter indigener Völker berichten von Einwohnern, die für REDD+-Schutzgebiete aus ihrer Heimat vertrieben oder an der traditionellen Nutzung des Waldes gehindert wurden. Dabei sind es gerade diese Menschen, die eine tiefe Verbindung zu den Wäldern haben.

"Die lokale indigene Bevölkerung muss Teil der Entscheidungsprozesse sein", sagt Waldforscherin Nascimento. IUFRO-Präsident John Parrotta ergänzt: "Dann erhöht sich auch die ökologische Wirksamkeit von REDD+." Das Wissen indigener Menschen trägt also dazu bei, dass Wälder wirksame Kohlenstoffspeicher bleiben. Ihre Perspektiven müssen künftig stärker ins Zentrum rücken, fordern die Fachleute.

Schützen wir unsere Wälder, schützen wir das Klima. Doch um effektiv CO2 aufnehmen zu können, müssen die grünen Lungen ganzheitlich begriffen werden: Sie sind nicht nur Gruppen von Bäumen, sondern komplexe Systeme mit ökologischen und sozioökonomischen Dimensionen. Diesem Verständnis müssen künftige Schutzbemühungen Rechnung tragen, sollen die Wälder der Welt weiterhin unsere Verbündete im Kampf gegen die Klimakrise sein. (Dorian Schiffer, 18.11.2022)