Den Städten und Gemeinden fehlen für 2023 laut Experten rund 1,2 Milliarden Euro – der Bedarf der Hauptstadt Wien ist da aber noch gar nicht eingerechnet.

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Die Schlagzeilen waren wohl im Sinne der Bundesregierung. Für Montagnachmittag rief sie kurzfristig zu einer Pressekonferenz. Viel Zeit zur Einordnung des Verkündeten blieb da für die meisten Medien nicht mehr. Und verkündet wurde: Die Städte und Gemeinden bekommen wegen der Auswirkung der Teuerung auf ihre Budgets eine Milliarde Euro vom Bund.

Die Hälfte davon, also 500 Millionen, soll für Infrastruktur zur Verfügung stehen – etwa für nötige Sanierungen, den Bau von Straßen oder Kindergärten. Die anderen 500 Millionen sind für Energieeffizienz und den Ausbau erneuerbarer Energieträger vorgesehen. Abrufen können die Gemeinden die Geldmittel in den Jahren 2023 und 2024.

Hälfte der Milliarde ist nicht neu

Von Verantwortung für die Kommunen sprachen Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne). Der Bund könne zwar nicht alle krisenbedingten Budgetausfälle der Gemeinden ausgleichen. Aber er könne vieles abfedern.

Was die Regierungsvertreter nicht dazusagten: Die Hälfte der am Montag verkündeten Gemeindemilliarde stand zu diesem Zeitpunkt schon im Budget für 2023, nämlich die 500 Millionen für Energieeffizienz. Mangels Präsentation hatten sie aber in den Wochen seit der Budgetrede des Finanzministers noch nicht für viel Aufsehen gesorgt.

Neu beschlossen wurden dagegen die 500 Millionen für Investitionen, die vor allem einen krisenbedingten Investitionsstau in den Kommunen verhindern sollen. Um das zu erwartende Budgetloch der Städte und Gemeinden zu stopfen, werde allerdings auch die zusammengerechnete Milliarde nicht ausreichen, sagt Karoline Mitterer, Expertin für Finanzausgleich und Föderalismus im Zentrum für Verwaltungsforschung (KDZ), zum STANDARD. "Das eine Problem ist, dass vielen Gemeinden jetzt das Geld für Investitionen fehlt", sagt sie. "Das andere ist aber, dass sie auch nicht liquide genug für die laufenden Kosten sind."

Nur 42 Prozent gedeckt

In der Finanzkrise ab 2007 habe man gelernt, dass Hilfspakete für Liquidität sinnvoll seien. Denn wer nicht genug Mittel für laufende Zahlungen habe, spare erst recht bei Investitionen. Deshalb habe der Bund inmitten der Corona-Krise 2020 sowohl Hilfspakete für Investitionen als auch für die Liquidität geschnürt. Dass Letzteres aktuell nicht der Fall ist, wundert die Expertin. Um für die Gemeinden annähernd genug abzufedern, hält sie zumindest je ein weiteres Paket von 500 Millionen zur Liquiditätsabsicherung für 2023 und 2024 für nötig.

Eine Prognose des KDZ aus dem September sieht für 2023 nämlich eine Finanzierungslücke von 1,2 Milliarden für die Kommunen. Das kommt dem Budgetloch, das 2020 durch die Pandemie verursacht wurde, recht nahe. Wien ist da allerdings wegen seines Doppelstatus als Gemeinde und Bundesland nicht eingerechnet. Selbst von den 1,2 Milliarden an erwartetem Bedarf sind mit den 500 Millionen vom Bund für 2023 nur knapp 42 Prozent gedeckt. Rechnet man den Bedarf Wiens noch dazu, ist die Deckung deutlich niedriger – laut KDZ-Schätzung liegt sie wohl unter einem Drittel.

Finanzausgleich zugunsten der Gemeinden ändern

"Ich stehe nicht auf dem Standpunkt, dass man alles abfedern muss", sagt Mitterer. "Aber es braucht sicher eine Liquiditätsstützung." Die Expertin hielte auch "weniger Gießkanne als 2020 und mehr spezifische Hilfen" für sinnvoll. Die zahlreichen Förderprogramme etwa würden von Differenzierung profitieren. So könne man bei der kommunalen Infrastruktur Schwerpunkte mit unterschiedlichen Fördersätzen setzen – und so gezielt klimafreundliche Projekte fördern.

Die Gemeinden müssten auch selbst Sparpotenzial ausloten, um die Ausgaben zu senken, betont Mitterer. Gleichzeitig könnten sie die Einnahmen über Gebühren – im Wesentlichen für Kanal, Wasser und Müll – leicht erhöhen. Mittelfristig brauche es aber eine "Absicherung der Gemeindefinanzen".

Heißt: Der Schlüssel für den Finanzausgleich, mit dem die staatlichen Steuereinnahmen verteilt werden, sollte überdacht werden. Aktuell erhält der Bund 68 Prozent der österreichweiten Steuereinnahmen, die Länder erhalten 20 Prozent und die Gemeinden zwölf Prozent. Mitterer plädiert dafür, den Anteil für die Gemeinden zu erhöhen. (Martin Tschiderer, 15.11.2022)