Am Dienstag demonstrierten Personen vor dem Trump Tower in New York für die Verhaftung des ehemaligen Präsidenten.

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Wollen noch einmal ins Weiße Haus: Donald und Melania Trump.

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Prinzipiell war es Donald Trump gewohnt, dass gegen ihn geklagt, ermittelt und darüber berichtet wird. Immerhin war der 76-Jährige vor seiner politischen Karriere in der Immobilienbranche aktiv und schlug sich dort mit einigen Rechtsstreitigkeiten herum. Doch waren es niemals so viele auf einmal.

Am Dienstag hat Trump nun wie erwartet seine Kandidatur für die US-Präsidentschaftswahl 2024 verkündet – und nimmt die Justizbaustellen damit mit in einen Wahlkampf, in dem er sich gleich zu Beginn wieder als Opfer der politischen Gegner und Behörden bezeichnet. Fest steht, dass Trump nicht verurteilt ist. Es ist auch fraglich, ob es jemals zu einer Anklage kommen wird.

Video: Trump verkündet Kandidatur für 2024: "Amerika groß und glorreich machen"
DER STANDARD

Doch welche Auswirkungen hat seine erneute Bewerbung für das Weiße Haus auf die Ermittlungen gegen ihn, und welche sind die größten?


  • Dokumente in Mar-a-Lago:

    Anfang August haben Ermittler der Bundespolizei FBI Trumps Anwesen im Bundesstaat Florida nach Geheimdokumenten durchsucht. Diese soll Trump illegal aus dem Weißen Haus entwendet und in seiner Privatunterkunft gelagert haben. Zum Teil unterlagen sie der höchsten Geheimhaltungsstufe. Trumps Verteidigung gab an, dass er selbst diese Geheimhaltung in seiner Funktion als Präsident aufgehoben habe.

    Das US-Nationalarchiv, das für die Aufbewahrung von Dokumenten aus abgelaufenen Amtszeiten zuständig ist, gab an, dass mindestens 15 Kisten aus Mar-a-Lago gebracht wurden.

    Das Justizministerium geht der Frage nach, ob Trump damit Gesetze gebrochen hat. In Washington wurde eine Grand Jury aufgestellt, die mögliche Zeugen anhörte. Im Moment wird auf ein unabhängiges Gutachten gewartet, das klären soll, ob Trump tatsächlich gewisse Privilegien im Zusammenhang mit der Lagerung der Dokumente hatte. Außerdem müssen geheimdienstliche Fachleute klären, inwieweit der Inhalt der Dokumente im Zusammenhang mit der nationalen Sicherheit steht.

  • U-Ausschuss des Kongresses zur Wahl 2020 und zum 6. Jänner 2021:

    Der Untersuchungsausschuss des Kongresses zur versuchten Wahlmanipulation 2020 und dem Sturm auf das Kapitol 2021 hat zahlreiche Beweise zutage gefördert – vor allem zu der Frage, wie Trump in der Zeit vor dem 6. Jänner 2021 mithilfe des Regierungsapparats versuchte, die verlorene Präsidentschaftswahl zu kippen.

    Ein Bericht des Ausschusses wird bis Jahresende erwartet. Damit wird dessen Arbeit wohl auch insgesamt abgeschlossen sein – denn die Republikaner werden nach den Midterm-Wahlen wahrscheinlich die Mehrheit im Repräsentantenhaus haben und den Ausschuss nicht fortführen.

    Im Moment herrscht noch ein Rechtsstreit zwischen den Abgeordneten und Trump, der gegen eine Vorladung kurz von den Midterm-Wahlen geklagt hat.

  • Ermittlungen des Justizministeriums zur Wahl und zum 6. Jänner:

    In der Zeit vor den Midterm-Wahlen wurden keine Informationen zum Stand der Ermittlungen an die Öffentlichkeit gegeben. Eine Grand Jury hörte Zeugen im Zusammenhang mit möglicher Wahlbeeinflussung an. So wurden kürzlich weitere Aussagen des ehemaligen Rechtsberaters des Weißen Hauses, Pat Cipollone, und des ehemaligen stellvertretenden Rechtsberaters Patrick Philbin eingefordert.

    Trump hat in der Vergangenheit dagegen angekämpft, dass frühere Berater zu gewissen Themen und Gesprächen aussagen müssen – er beruft sich dabei auf eine Verschwiegenheitspflicht zwischen Anwälten und Klienten.

  • Versuchte Wahlbeeinflussung in Georgia:

    Die Bezirksstaatsanwältin von Fulton County im US-Bundesstaat Georgia, Fani Willis, geht im Zusammenhang mit versuchter Wahlbeeinflussung 2020 rigoros gegen Trump vor. Eine Sonder-Grand-Jury wurde einberufen. Trump hatte während seiner Amtszeit den Innenminister des Bundesstaats, Brad Raffensperger, angerufen und ihn dazu bringen wollen, Stimmen für ihn "zu finden".

    Als Beschuldigte geführt werden 16 weitere Personen, die als alternative Wahlleute eingesetzt werden sollten, um das Wahlergebnis in Georgia Richtung Trump zu kippen. Auch Trumps Anwalt Rudy Giuliani und Gouverneur Brian Kemp wurden zu Aussagen vorgeladen. (Im Zusammenhang mit den alternativen Wahlleuten ist auch eine Ermittlung des Justizministeriums in Gang, denn den Plan zur Wahlbeeinflussung durch falsche Wahlzertifikate soll es in sieben Bundesstaaten gegeben haben.)

  • Mögliche Steuerdelikte der Trump Organization:

    Im New Yorker Stadtteil Manhattan ermitteln die Behörden im Zusammenhang mit möglichen Steuerdelikten gegen die Trump Organization. So sollen 15 Jahre lang Führungskräfte mit Luxusgütern wie Wohnungen oder Autos bezahlt worden sein, für die keine Steuern geleistet wurden. Erst am Dienstag sagte der ehemalige Finanzchef Allen Weisselberg aus – und belastete Trump persönlich (noch) nicht. Weisselberg hat einen Deal ausverhandelt, dass er sich für eine umfassende Aussage eine Haftstrafe erspart.

  • Ermittlungen gegen Trump und drei Kinder:

    Ebenfalls in New York City klagt die Staatsanwältin Letitia James gegen Donald Trump, drei seiner erwachsenen Kinder (Donald Jr., Eric und Ivanka) und die Trump Organization. Es geht um eine 250 Millionen US-Dollar schwere Zivilklage, da jahrelang der Wert von Besitztümern – Immobilien oder Golfplätzen – der Trump Organization vor Investoren, Versicherern und Steuerbehörden überhöht wurde – mithilfe von täuschenden Gutachten.


Zudem kämpft der Kongress noch um die Steuererklärung des Präsidenten, Polizisten klagen Trump wegen seiner Rolle im Sturm auf das Kapitol und E. Jean Carrolls Klage wegen Verleumdung, weil Trump die Vergewaltigungsvorwürfe gegen ihn mit "sie ist nicht mein Typ" geleugnet hat, ist auch noch offen.

Auswirkungen der Kandidatur

Trumps Ankündigung einer Präsidentschaftskandidatur hat laut Fachleuten vor allem kurzfristig kaum Auswirkungen auf die einzelnen Ermittlungen. Denn es gibt zwar das ungeschriebene Gesetz, dass 60 Tage vor einer Wahl keine Durchsuchungen oder Vorladungen gegen Kandidaten angeordnet werden, doch dauert das ja noch. Einzig in Georgia könnte die Staatsanwältin noch das Ergebnis der Senatsstichwahl im Dezember abwarten, bevor sie mit weiteren Informationen an die Öffentlichkeit geht.

Der "New York Times" sagte ein Trump-Berater unter Zusicherung der Anonymität, dass es die Taktik des Trump-Teams sei, die Mar-a-Lago-Ermittlungen in den Wahlkampf mitzunehmen. So könnte man erneut von einer "Witch Hunt" (Hexenjagd) gegen Trump sprechen.

Gegenüber dem Magazin "Time" bezweifelte die Jus-Professorin Barbara McQuade jedoch, dass Trumps Ankündigung etwas an den Ermittlungen ändern wird: "Sonst könnte ja jeder einfach ankündigen, dass er für die Präsidentschaft kandidiert, um mit Fehlverhalten davonzukommen." Prinzipiell könnten die Ermittler aber nun vorsichtiger agieren, um ja nicht den Anschein politischer Motive zu erwecken. (Bianca Blei, 16.11.2022)