Berggorillas sind weltweit die einzige große Primatenart, deren Population wächst. In Uganda gelten sie als Rückgrat des Tourismus, der lokalen Gemeinschaften Jobs wie auch Geld für Schulen, Kliniken oder Frauenförderung bringt. Die ansässige Bevölkerung schützt ihre Gorillas daher nach Kräften. Im Bild: Mutter Mazoora mit Sohn Katunda.

Foto: Marlene Erhart

Schon wieder hat Mazoora den Fuß ihres einjährigen Sohnes im Gesicht. Der turnt munter auf seiner Mutter herum, die den Aktivitätsschub des kleinen Katunda geduldig über sich ergehen lässt. Wir befinden uns in Ugandas Südwesten im Bwindi Forest, der seinem Beinamen als "undurchdringlicher Wald" alle Ehre macht.

In diesem Dickicht lebt, neben anderen, auch die Berggorillagruppe Kyagurilo B. Sie besteht aus vier Gorillaweibchen, dem kleinen Katunda und dem im Dickicht versteckten Silberrücken Kasoni. "Für einen Silberrücken ist er ziemlich scheu", grinst Martha Robbins vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. Die Zoologin steht zwischen mächtigen Urwaldbäumen auf einem steilen Hang, knöcheltief im rankenden Bodenbewuchs, und beobachtet ihre einzigartigen Forschungsobjekte.

Dekaden mühevoller Arbeit

Seit 1998 erforscht die gebürtige US-Amerikanerin die Berggorillas im Bwindi-Nationalpark und wurde dabei Zeugin einer Entwicklung, von der Tiere und Menschen gleichermaßen profitieren. Das Schutzgebiet Bwindi-Sarambwe erstreckt sich auf 340 Quadratkilometern im Hochland zwischen Uganda und der angrenzenden Demokratischen Republik Kongo.

Die dichtbewaldete Region ist Heimat von 459 Berggorillas (Gorilla beringei beringei), wie die aktuellste systematische Zählung der Tiere aus dem Jahr 2019 zeigt. Weltweit stieg die Zahl der größten Primatenart, die dem Menschen genetisch zu rund 98 Prozent gleicht, damit auf 1063 Individuen. Im Jahr 1997 lag die globale Populationsgröße bei nur noch 300 Tieren.

"Es ist zweifellos eine Erfolgsgeschichte", sagt Robbins angesichts der Bestandsentwicklung im Bwindi Forest. Gleichzeitig sehe sie darin auch ein warnendes Beispiel, erklärt die Forscherin: "Es hat immense Anstrengungen und Mühen gekostet, um diese Bestandszahl zu erreichen." Über Jahrzehnte hinweg haben NGOs und staatliche Stellen in den Schutz der Berggorillas investiert. Waldgebiet wurden zum Nationalpark erklärt, die Bewohnerinnen und Bewohner angrenzender Gemeinden wurden über die Schutzbemühungen informiert, ausgebildet und teils als Rangerinnen und Ranger angestellt.

Dieses rund 40-jährige Gorilla-Weibchen gehört zur Berggorillagruppe Kyagurilo B, die aus sechs Individuen besteht.
Foto: Marlene Erhart

Dadurch entwickelte sich das Verständnis, dass die sanften Giganten, wie die Primaten liebevoll von den Leuten genannt werden, lokal und national zur Entwicklung beitragen. Die Beziehung der Menschen zu den Berggorillas sei wirklich berührend, erzählt Robbins, die auch in Gabun und Ruanda forscht. "Ich genieße es sehr, mit den Leuten hier zusammenzuarbeiten und zu sehen, wie sehr sie die Gorillas schätzen und mit welchem Stolz sie über die Tiere sprechen", sagt die Wissenschafterin.

Sanfte Giganten und Erfolgssymbol

"Die Gorillas sind ein Symbol unseres Erfolgs, wir schützen sie, so gut wir können, und sind sehr stolz auf sie", erklärt auch einer der Guides, der regelmäßig Touristengruppen zu einer der hier ansässigen Gorillafamilien führt. Wo diese zu finden sind, weiß eine spezielle Einheit des Parkpersonals zu nahezu jeder Tages- und Nachtzeit: die Tracker.

Sie brechen im Morgengrauen zu den Schlafplätzen der Tiere auf und begleiten sie bis zur Dämmerung. Doch selbst wenn der Aufenthaltsort der Menschenaffen feststeht, entpuppt sich der Weg durch das unwegsame Gelände als Herausforderung für Trittsicherheit und Balancegefühl.

Geld für regionale Entwicklung

Voraussetzung, um an einer der Trekking-Touren teilzunehmen, ist ein Permit der Uganda Wildlife Authority. Rund 700 US-Dollar, derzeit 697 Euro, kostet diese notwendige Genehmigung. Lokale Gemeinden bekommen einen Teil der gewonnenen Einnahmen, zudem fließen zusätzliche Gelder in Projekte wie Schulen oder Krankenhäuser. "Wir haben das Bwindi-Community-Spital ausschließlich dank der Gorillas", sagt Evelyne Rubalema, Gründerin der Initiative Ride 4 A Woman, im Interview mit Africa News.

Ein anderes Sozialprojekt ist die 2014 gegründete Ruhija Vulnerable Children School, eine von mehreren in der Randzone des Parks gelegenen Schulen. 120 Waisenkinder lernen und wohnen auf dem Schulgelände. Die Betten der Schlafsäle wurden ebenso durch Spenden finanziert wie ein Regenwassertank. Die Gelder, die Touristinnen und Touristen spenden, dienen auch dazu, Essen und Kleidung für die Kinder zu kaufen.

"Viele Verbesserungen, die wir in der Schule vorgenommen haben, waren aufgrund der Spenden von Besucherinnen und Besuchern möglich, die zum Gorilla-Trekking in die Region gekommen sind", erklärt Ruth, die Interessierte durch die Ruhija Vulnerable Children School führt.

Die Ruhija Vulnerable Children School bietet 120 Kindern neben einer Ausbildung auch ein Zuhause.
Foto: Marlene Erhart

Dass der Gorillaschutz lokalen Gemeinschaften nützt und insbesondere benachteiligte Gruppen schützt, geht auch aus wissenschaftlichen Erhebungen hervor. Vorteile ziehen aus dieser Entwicklung speziell auch Frauen. Sie erzielen durch den Verkauf selbstgefertigter Souvenirs, durch Vorführungen traditioneller Tänze oder als Betreiberinnen kleiner Lokale ein Einkommen und gewinnen damit mehr finanzielle Unabhängigkeit.

Gänzlich frei von Bedrohungen sind die Berggorillas trotz aller Anstrengungen dennoch nicht. So ist etwa der Tourismus ein zweischneidiges Schwert. "Die Straße, die sich durch Teile des Nationalparks zieht, bedeutet für die Tiere oft eine Störung", sagt Robbins. Auch tappen die Menschenaffen manchmal in Fallen, die für die Jagd auf andere Wildtiere aufgestellt wurden.

Kleine Keime, große Gefahr

Abseits dessen stellen Krankheiten, die den Menschen befallen, eine Gefahr für die Berggorillas dar. Aufgrund der genetischen Ähnlichkeit können Erreger schnell überspringen. Um dem vorzubeugen, tragen alle, die den Tieren nahekommen, eine Schutzmaske. Als einer der zentralsten Punkte im Artenschutz gilt jedoch die Eingliederung der Bevölkerung in sämtliche Schutzmaßnahmen.

Es eröffnet sich also ein positiver Zukunftsausblick, da der Tourismus auf lange Sicht eine zuverlässige Einnahmequelle bildet. Zudem entsteht in den Köpfen der Menschen ein positives Bild der Tiere. Dass die sanften Riesen nicht nur weitgereiste Besucherinnen und Besucher in ihren Bann ziehen, bestätigt einer der Tracker: "Jedes Mal, wenn ich unsere Gorillas sehe, ist es, als würde ich ihnen zum ersten Mal begegnen." (Marlene Erhart, 20.11.2022)