Beim Vorarlberger Wirtschaftsbund ist nach wie vor nicht alles eitel Wonne.

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Bregenz – Die "Vorarlberger Wirtschaft" lief wie geschmiert. Gemeint sind damit aber nicht die Unternehmen im Ländle und ihr Output, sondern das Magazin, das der Vorarlberger Wirtschaftsbund publizierte. Zwischen 2016 und 2021 nahm die ÖVP-Teilorganisation nach eigenen Angaben bei einem Aufwand von 1,7 Millionen Euro rund 4,3 Millionen Euro durch das Inseratengeschäft ein.

Da bei einer monatelangen Prüfung durch die Finanzbehörden Zweifel aufkamen, ob der Wirtschaftsbund ausreichend beziehungsweise überhaupt Steuern für diese Erlöse abführte, und da die Finanzbeamten auch sonst allerhand Kritikwürdiges fanden, trat die Führung des Wirtschaftsbundes im April zurück, das Magazin wurde eingestellt und die Vorarlberger ÖVP stürzten die Folgen der Affäre in eine riesengroße Krise.

Für die Partei war beziehungsweise ist maßgeblich eine Person für die Misere verantwortlich – und zwar der ehemalige Obmann Jürgen Kessler. Unter seiner Ägide explodierten die Einnahmen durch Inserate: 2019 wurde eine Rekordsumme von 1,2 Millionen Euro damit eingenommen. Unter Kesslers Vorgänger, Walter Natter, betrug der jährliche Erlös jeweils etwa 300.000 Euro. Abgesehen von der Höhe der Inseratenerlöse existierten Schieflagen, die im Zuge der Steuerprüfung öffentlich wurden, aber seit vielen Jahren beziehungsweise Jahrzehnten.

Seit Donnerstag ist klar, wie hoch die Nachzahlung für den Wirtschaftsbund ist – zumindest was Umsatzsteuer und Körperschaftssteuer betrifft. Hier sind für die Jahre 2016 bis 2021 knapp über 770.000 Euro fällig. Bezüglich der Abgaben für Zahlungen vom Wirtschaftsbund an die ÖVP ist noch kein Steuerbescheid eingegangen, hier ist mit weiteren 105.000 Euro zu rechnen.

Offenbar keine saubere Trennung

Zwischen April und Ende Juni war Kessler bei vollen Bezügen dienstfrei gestellt, man habe sich einvernehmlich getrennt, hieß es dazu vom interimistischen Nachfolger Kesslers, Karlheinz Rüdisser. Eine saubere Trennung dürfte es allerdings nicht gegeben haben, wie auch die "Neue Vorarlberger Tageszeitung" berichtet. Denn Kessler will nun vom Wirtschaftsbund noch Geld. Es geht um ausstehende Provisionen für Anzeigen im Wirtschaftsbund-Magazin, die eigentlich mit den entsprechenden Unternehmen schon eingeplant waren, dann aber der Einstellung der "Vorarlberger Wirtschaft" zum Opfer fielen.

Rüdisser bestätigt das gegenüber dem STANDARD. Kessler habe hier Gespräche geführt und könne diese auch dokumentieren. Der Wirtschaftsbund prüft nun, wie mit der Forderung umgegangen wird. Von einem Rechtsstreit will Rüdisser allerdings nicht sprechen. Um welchen Betrag es geht, konnte der ehemalige Wirtschaftslandesrat, gegen den in der Causa ebenfalls ermittelt wird, nicht sagen.

Hinter den Kulissen wird die Forderung Kesslers freilich weniger verständnisvoll aufgenommen: So mancher ÖVPler spricht von einer besonderen Chuzpe, noch Geld zu verlangen. Auf eine E-Mail-Anfrage reagierte Kesslers Anwalt nicht.

Nachfolgekandidaten

Klarheit dürfte es bald darüber geben, wer den Wirtschaftsbund künftig leiten – und Rüdisser damit ablösen wird. Man sei soeben dabei, eine Hauptversammlung zu organisieren, die noch in diesem Jahr stattfinde, sagt der interimistische Obmann. Dort solle dann ein neuer Obmann gewählt werden. Wer sich bewerben werde, könne man zu gegebener Zeit einer Presseaussendung entnehmen, sagt Rüdisser auf die entsprechende Frage.

Es deutet jedenfalls sehr viel auf den aktuellen Wirtschaftslandesrat Marco Tittler hin. Tittler war bisher schon im Vorstand des schwarzen Bundes. Gegen ihn ermittelt ebenfalls die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, weil es – wie für Rüdisser – mehrere Barzahlungen ohne Belege des Wirtschaftsbunds an die Politiker gab. Tittler und Rüdisser begründeten diese mit Ausgaben für die Kaffeekasse, woraufhin Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) klarmachte, dass derartige Ausgaben künftig von den Landesräten selbst zu begleichen seien. (Lara Hagen, Fabian Schmid, 17.11.2022)