Ein Kreuz erinnert an der Absturzstelle an die Toten des Flugs MH17.

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Die Passagiermaschine wurde mit einer russischen Rakete über der Ostukraine abgeschossen.

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Das Flugzeug war auf dem Weg vom Amsterdamer Flughafen Schiphol nach Kuala Lumpur. Doch es erreichte am 17. Juli 2014 nur den ukrainischen Luftraum. Eine russische Flugabwehrrakete traf die Boeing 777 und brachte sie zum Absturz. Die 298 Menschen an Bord starben. Der abgeschossene Flug MH17 wurde zum Symbol für den Krieg in der Ostukraine, der sich immer stärker ausweitete. Prorussische Separatisten kämpften in Donezk und Luhansk gegen ukrainische Truppen und versuchten das Gebiet – das mittlerweile widerrechtlich von Russland annektiert worden ist – vom Rest der Ukraine abzuspalten.

Niemand hat offiziell Verantwortung für den Abschuss der Passagiermaschine übernommen – bis heute nicht. Mehrere Staaten forderten ein Tribunal der Vereinten Nationen, um die Schuldfrage zu klären, doch Russland machte von seinem Vetorecht um UN-Sicherheitsrat Gebrauch.

Niederlande übernahmen Prozess

Die internationale Untersuchungsgruppe kam zu dem Schluss, dass die Rakete vom sowjetischen Typ Buk gewesen und von einem Feld in der Ostukraine abgefeuert worden ist. Das Raketenabschussgerät und die Rakete sollen von einer russischen Militärbasis stammen, das Gerät soll nach dem Abschuss der Passagiermaschine wieder zurückgebracht worden sein.

Der Großteil der getöteten Menschen stammte aus den Niederlanden – nämlich fast 200 –, deshalb übernahm das niederländische Rechtssystem den Fall. Am Donnerstag soll nun ein Urteil gegen die vier mutmaßlichen Hauptverantwortlichen ergehen: Die drei russischen Staatsbürger Igor Girkin, Sergej Dubinski und Oleg Pulatow sollen gemeinsam mit dem ukrainischen Staatsbürger Leonid Chartschenko als prorussische Separatisten die Rakete in den Donbass gebracht haben.

Russische Ex-Agenten

Bei Girkin handelt es sich um einen 51-jährigen früheren Agenten des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB. Zur Zeit des Abschusses war er Verteidigungsminister und Chef der Streitkräfte der selbsterklärten "Volksrepublik Donezk". Er sagte einmal in einem Interview, dass er "moralische Verantwortung" für die Toten verspüre.

Dubinski war beim russischen Militärgeheimdienst GRU und Girkins Stellvertreter in der "Volksrepublik". Dessen Stellvertreter war Pulatow – der durch seinen Anwalt seine Unschuld beteuern ließ und ebenfalls beim GRU war.

Der einzige Ukrainer unter den Angeklagten, Chartschenko, soll laut Anklage zur Zeit des Abschusses ein Kommandeur der prorussischen Kämpfer in Donezk gewesen sein und Befehle von Dubinski empfangen haben.

Höchststrafe gefordert

Die Beweise, die während des Prozesses gegen die vier Männer vorgelegt wurden, waren unter anderem Handytelefonate, Videos und Fotos sowie Material von der Abschussstelle.

Alle vier Angeklagten befinden sich auf freiem Fuß und werden von Russland nicht ausgeliefert. Sie erschienen nicht vor Gericht. Überhaupt hatte nur Pulatow einen Rechtsvertreter vor Ort. Das bedeutet, dass selbst im Fall eines Schuldspruchs wegen Mordes wahrscheinlich keiner der Männer eine Haftstrafe verbüßen wird. Die Anklage fordert dennoch die Höchststrafe: lebenslange Haft. (Bianca Blei, 17.11.2022)