Im Gastblog schildert Rechtsanwältin Kristina Silberbauer anhand eines Urteils die rechtlichen Rahmenbedingungen für Kündigungen in Bezug auf Zeitausgleich und Urlaub.

Die Mitarbeiterin wurde am 1. Juli mit Wirksamkeit zum 15. Oktober gekündigt. Sie sollte für das gesamte offene Zeitguthaben (stolze 385,61 Stunden) bis zum Ende des Dienstverhältnisses Zeitausgleich nehmen. Im Übrigen war sie dienstfreigestellt. Sie ließ diese Anordnung nicht gegen sich gelten und klagte den Arbeitgeber (unter anderem) auf Bezahlung des offenen Zeitguthabens. Zeitausgleich könne nicht einseitig angeordnet werden. Sie gewann, aber nur teilweise.

Urlaub und Zeitausgleich müssen vereinbart werden – doch wie wird dies im Kündigungsfall gehandhabt?
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§ 19f AZG (Arbeitszeitgesetz) regelt, wann Zeitausgleich zu konsumieren ist. Von Gleitzeit- und Durchrechnungsmodellen abgesehen, ist für sämtliche in einem Kalendermonat geleisteten und noch nicht ausgeglichenen Überstunden binnen sechs Monaten nach Ende des Kalendermonats Zeitausgleich zu gewähren – wenn der Zeitpunkt des Ausgleichs nicht ohnehin im Vorhinein vereinbart wurde.

Kommt es binnen sechs Monaten zu keinem Zeitausgleich, kann der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin den Zeitpunkt des Zeitausgleichs mit einer Vorankündigungsfrist von vier Wochen einseitig bestimmen, sofern nicht zwingende betriebliche Erfordernisse diesem Zeitpunkt entgegenstehen, oder eine Abgeltung in Geld verlangen.

Kündigungsfrist und Zeitausgleich

Doch was geschieht mit offenem Zeitguthaben während der Kündigungsfrist? Dazu schweigt das AZG. Es war naheliegend, dass sich die Gerichte dem Thema Urlaubskonsum in der Kündigungsfrist zuwandten. Immerhin geht es in beiden Fällen um den Verbrauch von bezahlter Freizeit: Auch der Zeitpunkt des Urlaubs muss vereinbart werden, sodass der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin den Urlaubskonsum während der Kündigungsfrist nicht einseitig anordnen darf – grundsätzlich. Denn ausnahmsweise, bei sonstiger Verletzung der Treuepflicht oder bei Rechtsmissbrauch, kann von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern doch erwartet werden, dass sie in der Kündigungsfrist auf Urlaub gehen. Das war beispielsweise im Extremfall einer viereinhalb Jahre dauernden Dienstfreistellung so: Der ehemalige Mitarbeiter blitzte mit seiner Forderung von knapp 130.000 Euro brutto für 174 Urlaubstage ab (OGH 30.07.2009, 8 ObA 81/08g).

Urteil: Die Hälfte des Guthabens aufbrauchen

Diese Erwägungen legten die Gerichte auf das offene Zeitguthaben der Klägerin um: Wie beim Urlaub kann sich im Fall einer Dienstfreistellung vor allem aus der Treuepflicht eine ausnahmsweise Obliegenheit der Arbeitnehmerin ergeben, Zeitguthaben innerhalb der Kündigungsfrist zu verbrauchen, wenn ihr dies zumutbar ist. Die Treuepflicht gilt nämlich auch im gekündigten Arbeitsverhältnis und trotz Dienstfreistellung.

In dem Unternehmen war es üblich (und von der Klägerin sogar zu überwachen), dass Plusstunden im Sommer konsumiert werden. Dementsprechend hatte auch sie in der Vergangenheit in den Sommermonaten Urlaub und Zeitausgleich verbraucht. Nachdem die Kündigungsfrist die Sommermonate Juli und August sowie September und den halben Oktober umfasste, war es ihr zumutbar, immerhin die Hälfte des Zeitguthabens (somit an die 24 Arbeitstage) auszugleichen. Zumal sie im Verfahren nichts vorgebracht hatte, was diesen Zeitausgleich unzumutbar erscheinen ließe (OLG Wien 25.5.2022, 9 Ra 111/21s). (Kristina Silberbauer, 21.11.2022)