Eine Grippeimpfung schützt etwa 16 Wochen gut vor einer symptomatischen Infektion.

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Heuer kommt wieder eine Grippewelle, sind sich Fachleute einig. Eine besonders hohe, befürchtet man, nachdem in den vergangenen zwei Jahren kaum Fälle registriert wurden. Die Corona-Maßnahmen verhinderten nicht nur Ansteckungen mit Sars-CoV-2, sondern dämmten auch die Verbreitung von Influenza und anderen Erkältungsviren ein.

Jetzt zirkulieren wieder – wie gewöhnlich zwischen Oktober und Mitte Mai – Grippeviren auf der nördlichen Erdhalbkugel. Wann genau die Influenzasaison beginnt, ist von Jahr zu Jahr etwas unterschiedlich. Wahrscheinlich werde sie heuer früher als üblich beginnen, prognostizierten Expertinnen und Experten, aber hierzulande befinde man sich nach wie vor nur in einer "ruhigen Vorwarnstufe", sagt Monika Redlberger-Fritz, Virologin von der Med-Uni Wien, Leiterin des Nationalen Referenzlabors für die Erfassung und Überwachung von Influenzavirusinfektionen und Mitglied des Nationalen Impfgremiums: "Wir sehen konstant sporadisch Virusnachweise in ganz Österreich, die nicht mehr auf Reisen in andere Gebiete zurückgeführt werden können."

Dementsprechend werde die Grippewelle wohl innerhalb der nächsten Wochen beginnen. Wann genau, kann man nicht sagen, aber man kann sich an anderen Ländern orientieren: "In Deutschland, Großbritannien und Schottland ist das Virus etwa schon regional aktiv", berichtet Redlberger-Fritz.

Bisher viele grippale Infekte, wenig Influenza

In Wien werden aktuell wöchentlich circa 10.000 Fälle gemeldet. Allerdings sind diese Infektionen bei weitem nicht nur Influenza-Erkrankungen, sondern auch andere grippale Infekte. Und davon gibt es im Moment viele, etwa Infektionen mit RS- und Rhinoviren. "Im Moment zirkuliert quasi ein ganzes virologisches Lehrbuch", sagt die Expertin. Wie genau sich die 10.000 Fälle auf die unterschiedlichen Viren verteilen, wird nicht genau erhoben. Es seien in der vergangenen Woche aber wohl vor allem die Infektionen mit dem RS-Virus sehr stark angestiegen.

Bei der Grippe beobachtet man europaweit bisher nur eine "leicht zunehmende Tendenz", heißt es vonseiten des Zentrums für Virologie der Med-Uni Wien. Aktuell dominiert ein sogenannter H3-Stamm das Influenza-Infektionsgeschehen. Dieser Virusstamm "passt ganz gut zu den verfügbaren Impfstoffen", sagt die Virologin, das heißt: Die Impfung schützt bei diesem Stamm gut vor einer symptomatischen Infektion. Allerdings könnte sich das Virus noch verändern und ein anderer Stamm dominant werden. "Für eine endgültige Aussage ist es zu früh, weil noch zu wenig zirkuliert", erklärt Redlberger-Fritz.

Wie gut die Impfung schützt, wenn das Virus noch mutiert, hängt davon ab, wie sehr sich das Virus dann von den in der Impfung enthaltenen Stämmen unterscheidet. Grundsätzlich schützt die Influenza-Impfung vier Monate lang gut vor einer symptomatischen Infektion: "Bei H1-Viren zu etwa 80 Prozent, bei H3-Stämmen zu circa 50 bis 60 Prozent und bei B-Viren zu 60 bis 70 Prozent", erklärt Redlberger-Fritz und betont: "Aber auch bei Impfdurchbrüchen ist man immer noch sehr gut vor Komplikationen, Hospitalisierungen und Tod geschützt."

Aus der Vergangenheit weiß man allerdings, dass sich hierzulande selten mehr als zehn Prozent der Bevölkerung impfen lassen. Eine Ausnahme war der erste Winter während der Pandemie, in dem besonders breitflächig zur Impfung aufgerufen wurde, um die Krankhäuser nicht zusätzlich mit Grippeinfizierten zu belasten. Heuer wird die Durchimpfungsrate wohl wieder traditionell niedrig sein. "Wünschenswert" wäre, dass sich 60 bis 65 Prozent der Bevölkerung impfen lassen, sagt Redlberger-Fritz. Das sei das Ziel vieler Länder in Europa, das so gut wie keines davon erreicht: "Wir sind mit einer Durchimpfungsrate von acht Prozent eigentlich immer das Schlusslicht." Von den von der WHO angesetzten 85 Prozent Durchimpfungsrate ist man dementsprechend weit entfernt.

Gratis-Impfaktionen laufen

Wie viele Grippeimpfungen österreichweit schon verabreicht wurden, ist nicht ganz klar. Anders als die Corona-Impfung wird die Grippeimpfung nicht vom Bund, sondern jeweils von den Ländern organisiert. Diese kaufen den Impfstoff ein und verteilen ihn dann weiter. So ist das übrigens bei fast allen Impfungen organisiert. Am Ende der Saison wird dann ein Bericht verfasst.

In Wien, wo es seit einigen Jahren im November und Dezember die Gratis-Grippeimpfung gibt, läuft die Aktion gut. Auf dem Stand von 17. November, 8 Uhr früh, gibt es 49.377 Anmeldungen in den Impfstraßen, 28.098 Impfungen davon wurden schon durchgeführt. Weitere 33.484 Impfdosen wurden für Immunisierungen in Betrieben und sozialen Einrichtungen abgerufen. Im niedergelassenen Bereich wurden 126.689 Impfdosen abgerufen. Das ergibt eine Gesamtsumme von 209.548 abgerufenen Impfdosen.

Insgesamt hat die Stadt Wien für die Aktion rund 400.000 Impfdosen veranschlagt, je 100.000 in den Impfstraßen und den Betrieben, 200.000 im niedergelassenen Bereich, wie ein Sprecher von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker mitteilt: "Der November ist im Grunde ausgebucht, die Dezembertermine werden Anfang kommender Woche freigeschaltet. Und wenn große Nachfrage herrscht, wird es wohl auch im Jänner noch Termine geben." Das Programm lässt sich die Stadt Wien auch einiges kosten, insgesamt 9,9 Millionen Euro werden dafür bereitgestellt. Davon wird das Serum sowie das Honorar der Ärzte bezahlt. Nur die Grippeimpfung für Kinder wird vom Bund übernommen.

Auch in anderen Bundesländern gibt es Gratisimpfangebote, unter bestimmten Bedingungen etwa in Oberösterreich, Salzburg, Kärnten und dem Burgenland. Eine genaue Aufstellung der Angebote in den Ländern findet man auf der Webseite des Sozialministeriums. Ab Herbst 2023 soll die Grippeimpfung österreichweit ins öffentliche Impfprogramm aufgenommen und damit auch von der Sozialversicherung übernommen werden.

Influenza, grippaler Infekt oder Corona?

Bei Schnupfen, Fieber und Husten fragen sich aktuell viele: Ist das die echte Grippe oder eine andere respiratorische Erkrankung? Grundsätzlich lässt sich das recht einfach unterscheiden. Die Grippe beginnt sehr plötzlich mit hohem Fieber, trockenem Husten sowie Kopf- und Gliederschmerzen. Andere grippale Infekte hingegen beginnen meist schleichend mit nur leicht erhöhter Temperatur und sehr viel Schnupfen.

"Bei älteren Menschen und jenen mit schlechtem Immunsystem ist die Unterscheidung allerdings nicht mehr so deutlich", weiß Redlberger-Fritz. Und noch etwas kommt dazu: "Corona ist von der Symptomatik her genau dazwischen. Sars-CoV-2 kann sowohl zum einen als auch zum anderen Krankheitsverlauf führen." Bei Symptomen kann ein PCR-Test Aufschluss geben.

Aber unabhängig davon, womit man sich infiziert hat, rät Redlberger-Fritz zum Tragen einer FFP2-Maske. Es komme immer noch viel zu oft vor, dass hustende und schnupfende Menschen betonen: "Keine Sorge, ist eh kein Corona." Das ist kein Grund, auf die Maske zu verzichten, betont die Virologin: "Andere Viren kann man genauso weitergeben wie das Coronavirus. Mit der Maske kann man viele Infektionen verhindern, wie wir während der Pandemie gelernt haben. Diesen Lerneffekt sollten wir auf alle anderen Viren umlegen." (Pia Kruckenhauser, Magdalena Pötsch, 18.11.2022)