Man kommt mit dem Schauen kaum nach, so viele neue Elektroautos drängeln in die Vorführhäuser. Das war zuletzt gar nicht so. Es gab große Staus entlang der Lieferketten. Hersteller gerieten mit Lieferzeiten mehr und mehr in Verzug und vergraulten dadurch Kunden. Langsam bessert sich das, auch wenn nun wirtschaftlich zunehmend schwierigere Zeiten anbrechen dürften.

Groß, klein – hoch, tief: Für so gut wie jeden Geschmack scheint nun auch beim Elektroauto, das den Verbrenner zugunsten einer geringeren CO2-Konzentration in der Atmosphäre ausbremsen soll, etwas dabei zu sein. Eine Variante fehlte bisher allerdings: ein Auto mit viel Stauraum, passend für den Außendienstmitarbeiter und die -mitarbeiterin genauso wie für die Familie: ein Kombi. Nun ist auch diese Lücke besetzt, durch MG.

Schnörkellos gezeichnet und so praktisch, wie ein moderner Kombi sein soll, stellt MG ein Auto auf die Räder, das viele eher von VW und vom Golf erwartet hätten.
Foto: Stockinger

Wir waren gespannt, wie der Autobauer die Herausforderung meistern würde: Ein Elektroauto so zu konzipieren, dass sich eine möglichst hohe Reichweite mit starker Zuladung und gutem Platzangebot für alle Mitreisenden ausgeht. Und das zu einem vernünftigen Preis, was in Zeiten galoppierender Teuerung und sinkender Kaufkraft nicht unwichtig ist.

Wir mimten also Familie und nahmen den MG5 Electric Long-Range in der Luxury-Version zunächst von außen unter die Lupe. Dass er aus China stammt, sieht man dem Auto zumindest auf den ersten Blick nicht an. Auf den zweiten Blick und mit etwas Fantasie mag man in der Frontpartie ein chinesisches Gesicht erkennen, das sich von den schmal geschnittenen Scheinwerfern herleiten lässt. Allerdings setzen auch viele Autobauer außerhalb Chinas ähnliche Stilmittel zur Akzentuierung ihrer Elektrovehikel ein.

MG und chinesisch? Ist das nicht eine urbritische Marke? In der Tat. Das Unternehmen MG wurde 1923 in Oxford als Morris Garages gegründet, wird nächstes Jahr 100, ist aber längst in chinesischem Eigentum. Zuletzt gehörte MG zur Rover Group, nach der Auflösung von Rover gingen die Markenrechte 2005 nach China. Aktuell ist MG Teil der Shanghai Automotive Industry Corporation (SAIC).

Geladen wird mittig

Dass der erste Elektrokombi von dort kommt, überrascht nicht. Chinesische Hersteller haben sich im Wissen, bei Verbrennungsmotoren den Europäern chancenlos hinterherzuhinken, früher als andere mit Elektroantrieben beschäftigt. Und wie man diese in verschiedene Fahrzeuge bekommt.

Elektroantrieb macht es möglich: ein Tankdeckel auffällig im Zentrum der Schnauze platziert.
Foto: Stockinger

Die Frontpartie des MG5 ist schnörkellos, wirkt cool und durchdacht. Die Ladebuchse ist mittig angebracht, was sich als sehr praktisch beim Ansteuern einer Ladestation erweist.

Das Heck hingegen ist eher konventionell gestaltet. Wüsste man nicht, dass der MG5 ein vollelektrisches Fahrzeug ist, von hinten würde man das nicht vermuten. Scheinwerfer wie Rücklichter sind in LED-Technik, Erstere können automatisch auf- und abblenden.

Nicht unbedingt das auffälligste Gefährt, bis auf das Markenlogo am Kofferraumdeckel.
Foto: Stockinger

Erst im Cockpit erschließt sich, dass es sich beim MG5 um ein vergleichsweise günstiges, keinesfalls aber billiges Auto handelt. Auf den hellen, mit Stoff- und Kunstleder überzogenen Sitzen verweilt man alles in allem sehr bequem. Der Fahrersitz ist elektronisch verstellbar, der Beifahrersitz nur manuell. Das ist wohl ein Kompromiss, der eingegangen wurden, um möglichst viel Auto für vergleichbar wenig Geld bieten zu können. Ein weiterer Kompromiss ist der hohe Anteil an Hartplastik, das sich von der Armaturenlandschaft bis in die Seitenteile der Türen und in die Mittelkonsole zieht. Was wie Metall aussieht und von einem coolen, blauen Leuchtband begrenzt wird, ist ebenfalls Plastik. Aber immerhin, es sieht sehr echt aus.

Der Fahrstufenwahlhebel in der Mittelkonsole ist als Dreh- und Drückelement ausgeführt. Alles wirkt massiv, auch die beiden Schalter für Fahrmodus und Rekuperation. Bei MG heißt das KERS und steht für Kinetic-Energy-Recovery-System. One-Paddel-Driving geht aber nicht; um das Auto zum Stehen zu bringen, muss man das Bremspedal drücken.

Auch innen alles sauber – aber kleine Defizite bei der Qualitätsanmutung.

Foto: Stockinger

Einschlafende Füße

Während das Raumgefühl in der ersten Reihe gut ist, kann es auf der Rückbank schon passieren, dass bei einer längeren Fahrt die Füße einschlafen, wenn die Knie zu lange in spitzem Winkel verharren. Grund sind die Abmessungen zwischen Rückbank, Vordersitz und Boden mit wenig Platz für die Füße.

Das Infotainmentsystem funktioniert über weite Strecken gut, hat aber seine Macken. Beim Übersetzen der Begriffe aus dem Chinesischen scheint jedenfalls kein Native Speaker involviert gewesen zu sein. Wenn steht "wird geladen", ist offenbar der Ladestatus gemeint, mit "Lampe" Lichteinstellung. Man muss sich durchkämpfen.

Mit einem Verbrauch unter 17 kWh im Test kann man den 115 kW starken Motor als durchaus sparsam bezeichnen, wenn, ja wenn man mit der Geschwindigkeit nicht übertreibt. Die Reichweite kommt mit etwa 370 km an die Prospektangabe von 400 km heran.

Eine klassische Kombi Silhouette, auch wenn das Jahrzehnt der SUVs definitiv seine Spuren hinterlassen hat.
Foto: Stockinger

Und der Kofferraum? Wir haben einen Kinderwagen verstaut und auch noch ausreichend Platz für Koffer gehabt, was eben so eine Familie mit Kleinkind mitführen muss, wenn sie auf Reisen geht. Das Platzangebot reicht. Die Heckklappe muss man aber manuell schließen, auch das ein Kompromiss. (Günther Strobl, 22.11.2022)