Neofaschist Itamar Ben-Gvir will in Israels Ministerium für innere Sicherheit. Davon sind nicht alle begeistert.

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Das uneingeschränkte Recht auf Plastikteller ist nur ein Punkt auf der Liste. Die rechtsreligiösen Parteien in Israel sind auf dem besten Weg an die Macht – und sie haben sich vieles vorgenommen. Die jüngst eingeführte Steuer auf umweltschädliches Einweggeschirr ist den Ultraorthodoxen ein Dorn im Auge, sie sehen die Steuer als gezielten Angriff auf ihre kinderreichen Familien. Der designierte Premierminister Benjamin Netanjahu könnte sich aber glücklich schätzen, wären alle Wünsche seiner künftigen Koalitionspartner so leicht zu erfüllen wie die Sehnsucht nach billigem Wegwerfgeschirr.

"Äußerst schnell" werde er die neue Regierung bilden, versprach Netanjahu nach der Wahl. Diese Hoffnung ist äußerst schnell verpufft. So gut es dem Rechtsblock vor der Wahl gelungen war, sich der Machterlangung zuliebe zu verbünden, so schwer fällt es den Parteien jetzt, diese Macht untereinander aufzuteilen.

Der Rechtsradikale Bezalel Smotrich will Verteidigungsminister werden, die Armeespitze ist entschieden dagegen. Der wegen Steuerhinterziehung geständige Ultraorthodoxe Arye Deri spitzt auf das Finanzministerium. Der terrorverdächtige Neofaschist Itamar Ben-Gvir möchte gern als Minister für innere Sicherheit nach Terroristen fahnden. Und dann wären da noch diverse Parteifreunde Netanjahus, die für ihre Loyalität im Wahlkampf gerne entsprechend belohnt werden möchten.

Bedenken der USA

Als wären all diese internen Konflikte nicht genug, spürt Netanjahu auch jede Menge Druck von außen. Die USA sehen die rechtsradikale Regierungsbeteiligung äußerst kritisch. Dazu kommt, dass auch die Vereinten Nationen nun Israels militärische Besatzung des Westjordanlandes vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag juristisch prüfen lassen wollen.

Kein guter Zeitpunkt, um den Oberbefehl über die Besatzungstruppen in die Hände eines Rechtsradikalen zu legen, der das Westjordanland am liebsten sofort an Israel anschließen würde und Soldaten freie Hand geben will, wenn sie Waffengewalt gegen Palästinenser ausüben.

Netanjahu muss nun den Spagat bewältigen, die Begierden seiner künftigen Koalitionspartner zu befriedigen, den Haussegen in der eigenen Partei zu wahren, aber auch den Gram im Weißen Haus gering zu halten.

Netanjahu könnte zwar versuchen, sich dem Druck aus Washington möglichst nicht zu beugen – im Vertrauen darauf, dass der selbsterklärte Zionist Joe Biden schon keine Abstriche bei seiner finanzstarken Solidarität mit Israel machen wird. Der in den Midterm-Wahlen gestärkte US-Präsident sandte in den vergangenen Tagen aber einige klare Signale in Richtung Israel.

Getötete Journalistin

Überraschend kam beispielsweise die Botschaft, dass man die Affäre Shirin Abu Akleh noch einmal aufrollen werde. Abu Akleh, eine in der arabischen Welt äußerst prominente Al-Jazeera-Reporterin, ist im Mai bei einem israelischen Militäreinsatz im palästinensischen Jenin durch einen Kopfschuss getötet worden.

Die israelische Armee erklärte, man könne nicht eindeutig sagen, ob die palästinensisch-amerikanische Journalistin durch den Schuss eines israelischen Scharfschützen zu Tode kam. In Washington hatte man diesen Befund zunächst akzeptiert. Nun soll das FBI aber ein eigenes Verfahren einleiten, hieß es zuletzt. Für Israel ist das eine implizite Drohung: Der Rückhalt aus Washington hat Grenzen.

Netanjahu hat nun maximal sechs Wochen Zeit, um die Regierungsbildung abzuschließen. Einfach wird das nicht, aber ein Faktor spielt ihm in die Hände: Alle Beteiligten wollen unbedingt an die Macht. Die Frage ist darum eher nicht, ob die Regierung zustande kommt oder nicht – sondern wann. Und vor allem: wie lange sie danach hält. (Maria Sterkl aus Jerusalem, 18.11.2022)