Thomas Gottschalk moderiert am Samstag aus Friedrichshafen am Bodensee. Michelle Hunziker ist auch wieder dabei, die Baggerwette kommt aus Österreich.

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Joan Kristin Bleicher warnt vor zu viel Retro-TV.

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Es ist – selbstverständlich – das "TV-Highlight des Jahres". So zumindest kündigt das ZDF den Auftritt eines in die Jahre gekommenen Moderators an.

72 Jahre alt ist Thomas Gottschalk nun, und am Samstag feiert er zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr wieder einmal ein Comeback. Der offensichtlich unverwüstliche Klassiker Wetten, dass..?, an dem auch der ORF beteiligt ist, steht auf dem Programm.

Ukraine-Krieg, Inflation und radikale Klimaproteste sollen da einfach einmal Pause haben. "Es ist immer für ehrliche Leichtigkeit Platz. Mit Unterhaltung machst du niemanden besser, aber es geht ihm hinterher besser", sagte Gottschalk, als ihm vor kurzem der "Menschen in Europa"-Award verliehen wurde.

Elstner, Gottschalk, Lippert, Lanz

Kurz zur historischen Einordnung und Erinnerung: Die von Frank Elstner erfundene Sendung gibt es seit 1981. Die ersten Jahre moderierte Elstner selbst, dann übernahm Gottschalk, es folgte 1992 und 1993 ein Intermezzo von Wolfgang Lippert. Die längste Zeit, nämlich von 1994 bis 2011, beglückte dann wieder Gottschalk die Zuseherinnen und Zuseher, insgesamt mehr als 150 Mal. Den Abgesang von 2012 bis 2014 übernahm Markus Lanz.

Und dann, 2021, war Gottschalk wieder da und schaffte es tatsächlich, an die alten, goldenen Zeiten anzuknüpfen: 14 Millionen Menschen sahen zu, so viele wie zuletzt 2005 und bei Gottschalks Abschiedssendung 2011.

Die Latte liegt also hoch am Samstag. So mancher lästert schon, dass die in Friedrichshafen am Bodensee aufgezeichnete Sendung ein Festschmaus in den Altersheimen werden könnte.

Doch das bleibt erst einmal ab zuwarten. Bei seinem Comeback im November 2021 schaffte der Show-Dinosaurier laut Medienmagazin DWDL einen Marktanteil von 50,2 Prozent in der Altersgruppe der 14- bis 49-Jährigen. Jeder Zweite also, der damals fernsah, hatte Wetten, dass..? laufen.

"Man kann schon von Nostalgiefernsehen sprechen", sagt Joan Kristin Bleicher, geschäftsführende Direktorin des Instituts für Medien und Kommunikation (IMK) an der Universität Hamburg. Das Zielpublikum des ZDF habe viele ältere Zuseher und Zuseherinnen.

Show auch für die Jungen

Bleicher: "Die Älteren werden sich gerne an früher erinnern." Doch die Medienwissenschafterin sieht auch ein "spannendes Konzept für die jüngeren Zuschauer" und sagt: "Nicht umsonst hatte Wetten, dass..? so eine Breitenwirkung."

Der Retro-Trend ist ja auch anderswo im Fernsehen zu beobachten, oder wie es Bleicher formuliert: "Senderübergreifend sieht man die Untoten des TV."

Bei RTL preist Harry Wijnvoord in seiner Kultshow der 1990er-Jahre – Der Preis ist heiß – wieder allerlei unnützes Zeug an, das mit nach Hause nehmen darf, wer den Preis errät. Für den 7. Dezember ist ein Weihnachtsspecial geplant, man mag sich nicht ausdenken, was es da alles zu sehen und grabschen geben wird.

Ebenfalls bei RTL spricht Strafrichterin Barbara Salesch wieder Recht, auf ProSieben läuft eine Neuauflage von TV total, das viele noch mit Stefan Raab (1999 bis 2015) kennen. Und Sat1 reanimierte mit Britt – Der Talk einen Quotenhit der ersten Jahre des Jahrtausends.

"Das waren früher Erfolge, da meinen die Sender, auf Nummer sicher zu gehen", sagt Bleicher. Vor allem bei Wetten, dass..? sieht sie aber durchaus einen "Rückzug des Fernsehens auf seine Kernkompetenzen" – etwa der großen Show.

Das gute alte "Lagerfeuer"

Immer stärker stünden die traditionellen TV-Sender in Konkurrenz zu den Streamingdiensten wie Netflix, Amazon Prime oder Disney+. Bleicher: "Sie sind stark im Bereich Serien und Spielfilme." Aber: "Ihnen fehlt das traditionelle Gemeinschaftsgefühl." Eben das gute alte "Lagerfeuer", um das sich die ganze Familie versammeln kann, sofern nicht jeder Einzelne mit dem eigenen Tablet oder Smartphone beschäftigt ist.

Am Samstag könnten sich auch Jung und Alt nebst Nostalgiefern sehen auch auf einen gewissen "Couchpotatoes"-Effekt einlassen.

"Bei den Streamingdiensten orientieren sich Algorithmen sehr am bisherigen Sehverhalten und bieten Ähnliches von dem an, was man ohnehin schon gesehen hat", sagt Bleicher. Also nach den ersten beiden Serien über einen Serienmörder im hohen Norden noch eine weitere. Und noch eine.

Gottschalk will hingegen die ganze Familie ansprechen. Im Sommer schon machte er klar, dass er sich mit (deutschen) Peanuts aber nicht zufriedengeben wolle.

Bei den internationalen Stargästen dachte er an Paul McCartney (80) und Sängerin Pink (42). "Wir sind nicht richtig mit Mark Forster oder mit Lena Meyer-Landrut, behaupte ich. Nichts gegen diese verdienten Künstler, aber es ist tatsächlich für mich wichtig, dass wir eine ‚Größe‘ zeigen, die man mir nicht erklären muss", betonte er damals und zeigte sich gegenüber Influencern mit zahlreichen Followern unbeeindruckt: "Wenn man mir sagt: ‚Hier kommt jemand rein, die wirst du nicht kennen, hat aber drei Millionen Follower‘, dann sag ich: Sie soll gleich im großen Bogen hinten wieder rausgehen."

Robbie Williams kommt

Tatsächlich nehmen nun die Sänger Robbie Williams und Herbert Grönemeyer, die auch im Showbiz keine Neulinge mehr sind, auf der großen Couch Platz. Mit dabei sind außerdem die Schauspieler John Malkovich und Veronica Ferres. Für die Jüngeren im Programm ist die kanadische Sängerin Tate McRae dabei. Und natürlich gibt es, wie das Amen im Gebet, auch eine Baggerwette. Die kommt sogar aus Österreich und hat etwas mit rohen Eiern zu tun, wie das ZDF ankündigte.

Medienexpertin Bleicher sieht aber auch ein Risiko beim Revival: "Gottschalk lebte lange von seiner jugendlichen Spritzigkeit, da könnte es Wirkungsverluste geben. Das Konzept läuft sich auch tot, wenn die Wetten nicht spektakulär sind."

Der Entertainer selbst sieht sich aber noch lange nicht am Ende. Er sagte der Zeitschrift Hörzu: "Ich bin ‚open end‘ dabei, wenn sich das ZDF und der liebe Gott einig sind." (Birgit Baumann, 18.11.2022)