Die Regierung hat sich nach längerem Ringen auf eine Übergewinnsteuer für Energieunternehmen verständigt und wird das Maßnahmenpaket per Initiativantrag noch am Freitag in den Nationalrat einbringen. Das haben Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) bei einer Pressekonferenz am Freitagvormittag bekanntgegeben.

Das Paket adressiert im Wesentlichen zwei Bereiche: zum einen Erzeuger von Strom aus erneuerbaren Quellen wie Wind, Sonne, Biomasse und Wasserkraft, die aufgrund des Einmarschs russischer Truppen in die Ukraine eine "Kriegsdividende" einstreifen. Zum anderen werden auch Unternehmen zur Kasse gebeten, die mit Öl und Gas kräftige Gewinne erzielen, die ebenfalls auf das Kriegsgeschehen in der Ukraine zurückzuführen sind.

Belohnung bei Investition in erneuerbare Energien

40 Prozent sollen von fossilen Unternehmen wie OMV und dem Speicherbetreiber RAG abgeschöpft werden. Können diese allerdings Investitionen in erneuerbare Energien nachweisen, etwa Aktivitäten rund um grünen Wasserstoff, reduziert sich die Steuer auf den Übergewinn auf einen Satz von 33 Prozent, den die EU-Kommission als Minimalanforderung vorgegeben hat. Damit wolle man einen Anreiz für Investitionen in erneuerbare Energieträger schaffen, sagte Kogler, der das Vorgehen als "wirtschaftlich gerecht und sozial notwendig" bezeichnete.

Die Maßnahme tritt rückwirkend mit 1. Juli 2022 in Kraft und läuft mit 31. Dezember 2023 aus. Als Zufallsgewinn bei fossilen Unternehmen wird alles definiert, was über dem durchschnittlichen Gewinn der Jahre 2018 bis 2021 plus 20 Prozent liegt. Diesen Schwankungszuschlag habe man zugestanden, weil ein Teil der höheren Gewinne auch mit unternehmensinternen Geschäftsentscheidungen zu tun haben könnte, wie Kogler sagte. Für die Körperschaftssteuer sei die Abschöpfung nicht anrechenbar. Tankstellenketten sind ausgenommen.

Investitionen in Erneuerbare absichern

Deutlich mehr Unternehmen trifft die Erlösobergrenze beim Verkauf von Strom im Großhandel. Hier haben sich ÖVP und Grüne darauf verständigt, alles über 140 Euro je Megawattstunde (MWh) zu 90 Prozent abzuschöpfen. Um Investitionen in erneuerbare Energien trotz Abschöpfung zu forcieren, werden Gewinne von Ökostromunternehmen, die entsprechende Investitionen nachweisen können, erst über 180 Euro je MWh abgeschöpft. Der Geltungszeitraum für diese Maßnahme reicht vom 1. Dezember 2022 bis zum 31. Dezember 2023, wobei es auch hier eine Ausnahme gibt: Pumpspeicherkraftwerke werden nicht mit der Steuer belastet, weil sie einen wichtigen Beitrag zur Energiewende, also der Abkehr von fossilen und der Hinwendung zu erneuerbaren Energiequellen, leisten.

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) erklärten am Freitag, wie sie die EU-Vorgaben in Sachen Übergewinnsteuer (auf die sich die Energieminister und -ministerinnen der EU bereits im September verständigt haben) umzusetzen gedenken.
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Von einer "außergewöhnlichen Lage" sprach auch Finanzminister Brunner. Die zusätzlichen Einnahmen wolle man für die Entlastungsmaßnahmen verwenden. Obwohl Brunner in "normalen Zeiten" nicht für Markteingriffe stehe, sei es nun eine "Frage der Fairness". Die Regierung rechnet bei diesen temporär beschränkten Maßnahmen mit Einnahmen in Höhe von zwei bis vier Milliarden Euro. Diese Bandbreite beruhe auf Schätzungen der EU-Kommission, die auch von der Regulierungsbehörde E-Control bestätigt worden seien. Wie viel am Ende tatsächlich zur Umverteilung in die Kassen kommen werde, hänge von der weiteren Entwicklung der Gas- und Strompreise ab, sagte Brunner.

Vorangegangen war ein Beschluss, auf den sich die EU-Staaten geeinigt hatten und den die einzelnen Staaten unterschiedlich auslegen konnten. Die Pläne der österreichischen Regierung sollen jedenfalls rasch im Parlament beschlossen werden, damit sie noch dieses Jahr in Kraft treten können.

Kritik an rückwirkender Inkraftsetzung

Was die beschlossenen Maßnahmen in konkreten Zahlen bedeuten, können weder Verbund noch OMV sagen, die wohl am stärksten von der Gewinnabschöpfung bzw. dem Solidarbeitrag betroffen sind. Das Geschäftsjahr laufe noch, die Preissituation sei volatil, heißt es aus beiden Unternehmen auf STANDARD-Anfrage. Sehr kritisch sieht OMV-Sprecher Andreas Rienofner allerdings das rückwirkende Inkraftsetzen der Einhebung des Solidarbeitrags per 1. Juli. Das sei für Investoren "kein gutes Signal".

Für Verbund-Sprecherin Ingun Metelko ist es wichtig, dass der Ausbau erneuerbarer Energien nicht gebremst wird und die abgeschöpften Erlöse tatsächlich Haushalten und Unternehmen zugutekommen, die unter den Preissteigerungen bei Energie in besonderem Maß leiden.

SPÖ spricht von "Übergewinngeschenk"

Diese sind es auch, die der SPÖ am Herzen lägen, sagte der stellvertretende Klubvorsitzende Jörg Leichtfried bei einem kurzfristig anberaumten Pressegespräch. Hätte die Regierung eine ernstzunehmende Übergewinnsteuer konzipiert, so könnte man Unternehmen und Haushalte tatsächlich entlasten – durch einen Gaspreisdeckel, wie es ihn in Deutschland gibt. Leichtfried spricht von einem "Übergewinngeschenk" an OMV und Verbund. Investoren dürften das nicht gänzlich anders sehen: An der Wiener Börse bekamen die Stromkonzerne mächtig Auftrieb. Die Aktien von Verbund schnellten kräftig hoch, auch die Titel von EVN zogen deutlich an. Leicht im Plus bewegte sich auch die OMV.

"In den Vorstandsetagen werden die Sektkorken knallen", ist Leichtfried jedenfalls überzeugt. Österreich erfülle "mit Ach und Krach" die EU-Vorgaben. Man habe wirklich nur das Mindeste getan. Der OMV blieben von sechs Milliarden Übergewinn heuer fünf Milliarden, so Leichtfried, der Verbund könne überhaupt "fast den gesamten Übergewinn behalten". Sein Fazit: "Das hat die Regierung verhaut."

Zu kurz, zu niedrig bemessen

"Die Regierung bleibt bei der Umsetzung der Übergewinnsteuer deutlich unter ihren Möglichkeiten", finden auch ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian und AK-Präsidentin Renate Anderl. Die Übergewinne, die in Österreich allein 2022 anfallen, schätzen AK und ÖGB auf über vier Milliarden Euro. Das AK-ÖGB-Modell hätte bis zu zehn Milliarden Euro gebracht, das Regierungsmodell bringe nicht einmal die Hälfte dieser Summe, so Anderl. Zu kurz und zu niedrig bemessen, lautet die Kritik. Anstelle der 33 Prozent schlagen ÖGB und AK 60 bis 90 Prozent – je nach Höhe der Übergewinne – vor. Zudem sei eine Besteuerung für das gesamte Jahr 2022 möglich.

Wieso ist es zu dieser Steuer überhaupt gekommen? Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat gehörige Turbulenzen auf dem Energiemarkt ausgelöst. Das trifft Haushalte und Unternehmen durch drastisch gestiegene Preise hart.
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Auch die NGO Greenpeace kritisiert "mangelnden Mut in der Höhe und Dauer der Maßnahmen" und ortet nur einen "ersten wichtigen Schritt zur gerechten Umverteilung exzessiver Übergewinne".

Anders sieht das die unternehmensnahe Denkfabrik Agenda Austria. "Bedauerlich" sei, dass "die Regierung dieser populistischen Versuchung nicht widerstehen konnte", kommentiert Agenda-Austria-Chef Franz Schellhorn. Gerade in Österreich, wo die Energieunternehmen überwiegend dem Staat gehörten, wären Sonderdividenden die bessere Lösung gewesen, ist Schellhorn überzeugt und ortet ein fatales Signal an Investoren: "Sie sind zwar herzlich willkommen, ihr Geld zu schicken und hier zu investieren. Läuft ihr Investment aber richtig gut, schöpft der Staat den von der Politik willkürlich definierten 'Übergewinn' ab."

Ein Krieg als Auslöser

Zum Hintergrund: Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine haben sich die Energiekosten teilweise vervielfacht. Viele Energiekonzerne machen derzeit Gewinne wie sonst kaum. Ein Grund dafür ist, dass am Strommarkt das jeweils teuerste Kraftwerk den Preis für die gesamte Elektrizität bestimmt. Dies führt dazu, dass etwa Ökostromunternehmen billigen erneuerbaren Strom produzieren, aber Preise kassieren, als wäre er aus Gas hergestellt – das infolge des russischen Boykotts sehr teuer geworden ist.

Finanzminister Brunner wünscht sich nun, dass die EU-Kommission aktiv wird und Maßnahmen setzt, die zu einer Entkoppelung des Gaspreises vom Strompreis beitragen können. "Das, was wir tun können, haben wir gemacht. Nun ist die EU-Kommission am Zug", sagte Brunner. (Matthias Balmetzhofer, Regina Bruckner, Günther Strobl, 18.11.2022)