Die Hamburger Iris und Valentin von Armin wollen nun auch Kaschmirpullover in Wien verkaufen.

Foto: Iris von Arnim

Iris von Armin steht mit Sohn Valentin auf dem Balkon des Sacher, sie raucht noch eben eine. Wenig später sitzen Mutter und Sohn einträchtig auf dem Sofa des Hotelzimmers. 1976 gründete die heute 77-Jährige die Kaschmirmarke, seit 16 Jahren wird sie von dem ehemaligen Banker geleitet. Die Hamburger Unternehmer sind in Wien zu Besuch, um die Eröffnung des neuen Stores zu feiern und sich der Gesellschaft vorzustellen – zuvor ist man mit Elisabeth Gürtler beim Lady's Lunch zusammengesessen.

STANDARD: Herr von Arnim, Sie waren in Ihrem früheren Leben Banker bei Goldman Sachs. Haben Sie den Wechsel in die Modebranche je bereut?

Valentin von Arnim: Oft. Familienangelegenheiten sind eine komplexe Sache, ich mache das jetzt seit 16 Jahren, man kommt immer wieder ins Zweifeln. Aber letztlich wusste ich am Ende meiner Bankerkarriere, dass ich das nicht ein Leben lang machen will. Da geht es am Ende nur ums Geld.

STANDARD: Das ist in der Modeindustrie nicht anders. Was hat sich verändert?

Iris von Arnim: Das Design ist wichtig, aber das Marketing ist immer relevanter geworden. Mir ist das ganze Drumherum, von Social Media bis zum Newsletter, dieses Wisch-und-Weg, lästig. Ich will Mode entwickeln. Wir bewegen uns in der Nische, wir sind ja nicht Chanel.

STANDARD: Die Luxuskonzerne sind eine starke Konkurrenz ...

Valentin von Arnim: Wir haben nicht so viele Marketing-Dollars, wir setzen auf Persönlichkeit. Meine Mutter ist noch immer der kreative Kopf des Unternehmens. Unsere Konkurrenz sind aber nicht mehr nur Marken wie Brunello Cucinelli und Loro Piana, auch Unternehmen wie Prada oder Chloé verkaufen heute Strick. Die Kunden interessiert nicht, ob der Pullover von einem Weltkonzern oder einem kleinen Unternehmen ist. Die kaufen das attraktivere Produkt.

STANDARD: Und wie macht man das?

Iris von Arnim: Wir verkörpern einen anderen Stil. Prada steht für Fashion, da gibt's mehr Show. Wir sind ein Kaschmirspezialist und stehen für Langlebigkeit. Ich will, dass unsere Stücke nicht nur eine Laune sind. Einen einarmigen Pullover wird es bei mir nicht geben.

Anlässlich der Eröffnung des Iris von Arnim Store in Wien wurde der ikonische Regenbogenpullover aus den 1970ern neu interpretiert.
Foto: HErsteller

STANDARD: Ein Pullover für 1.600 Euro ist für viele unerreichbar ...

Iris von Arnim: Manche sparen darauf.

Valentin von Arnim: Das ist natürlich eine Minderheit, die auf einen Kaschmirpullover wie auf eine Bottega-Handtasche spart. Aber es gibt durchaus eine Kundschaft, die den Abverkauf abwartet.

STANDARD: Ist es schwieriger geworden, Luxus zu verkaufen?

Valentin von Arnim: Die Nachfrage nach Luxus ist riesig, der Verkauf ist nicht das Problem. Es gibt eine extrem wohlhabende Oberschicht, die sich das leisten kann. Was sich verändert hat: Früher gab es eine Mittelschicht, die diese Produkte gekauft hat. Das tut sie heute nicht mehr. Für uns ist eher die Herausforderung, die passenden Fabrikationsstätten, das Material und die Techniker zu finden.

STANDARD: Woran erkenne ich ein hochwertiges Kaschmirprodukt?

Iris von Armin: Die Frage ist absolut berechtigt. Wenn ich meine Brille nicht aufhabe, staune ich auch über Pullis, die ein Zehntel unserer Produkte kosten. Technologien machen heute vieles möglich, Materialien können weichgewaschen werden. Die Unterschiede bemerkt man oft erst nach längerem Tragen.

Valentin von Armin: Dann sieht man, ob sich Nähte verziehen oder das Material pillt. Es ist unmöglich, für 99 Euro einen nicht gepanschten Kaschmirpullover zu verkaufen.

STANDARD: Warum gibt es kein Kaschmir-Gütesiegel?

Valentin von Arnim: Die Frage kann ich nicht beantworten. Aber man geht davon aus, dass eineinhalb Mal so viel Kaschmir verkauft wie produziert wird.

STANDARD: Wofür bezahle ich, wenn ich über 1.000 Euro für einen Pullover hinlege?

Iris von Arnim: Die Handarbeit und das Material, Kaschmirgarn ist teuer im Einkauf.

STANDARD: Versteht das auch eine junge Kundschaft?

Valentin von Arnim: Der erste Luxus, den Menschen sich in ihrem Leben leisten, sind Schuhe, dicht gefolgt von der Handtasche. Dann sind Klassiker wie ein Burberry-Trench dran und das Interieur zu Hause. Bis man Geld für "Quiet Luxury" ausgibt, ist man älter, das wird auch immer so sein. Unsere Zielgruppe ist zwischen 50 und 60. Dafür sind unsere Kundinnen sehr loyal. (Anne Feldkamp, 21.11.2022)