Der Tod der jungen Kurdin Mahsa "Jina" Amini treibt die Menschen im Iran auch zwei Monate danach auf die Straße. In den vergangenen drei Tagen haben die Streiks und Demonstrationen einen neuen Höhepunkt erreicht.

Am späten Donnerstagabend steckten Demonstrierende die Gedenkstätte Ayatollah Khomeinis in der Stadt Khomein in Brand. Außerdem wurden in mehrere Städten offizielle Religionsschulen angegriffen.

Obwohl die Regierung mit aller Härte gegen die Demonstrationen vorgeht und nicht davor zurückscheut, Unbeteiligte anzugreifen, zu verletzen oder zu töten, gehen die Proteste vor allem am Abend und in der Nacht weiter. In der Stadt Iseh im Zentrum des Landes haben bewaffnete Kommandos offenbar ein elfjähriges Kind erschossen, was für großen Wirbel in den Medien sorgte. Für die Beerdigung des Buben am Freitag wurden wieder neue Proteste erwartet.

Die Proteste gegen das iranische Regime gehen weiter, unter anderem am Donnerstag in der Hauptstadt Teheran.
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Leichenraub

Um Demonstrationen bei Begräbnissen zu vermeiden, werden die Leichen der Getöteten oft nicht an Verwandte abgegeben, sondern in unbekannten Gräbern begraben. Man spricht im Iran inzwischen von "Leichenraub".

Proteste in der Stadt Iseh am Donnerstag, wo diese Woche ein elfjähriger Bub getötet wurde.
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Nach Angaben der in Oslo ansässigen Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights (IHR) von vergangener Woche wurden bei den Protesten bisher 326 Menschen von den iranischen Sicherheitskräften getötet, darunter 43 Kinder und 25 Frauen. In iranischen Medien kursieren noch höhere Zahlen. Die iranische Unicef-Botschafterin, die Schauspielerin Mahtab Keramati, legte zuletzt aus Protest ihr Amt nieder.

VIDEO: Die Sicherheitskräfte gehen mit Tränengas und scharfer Munition gegen die Protestierenden vor. Im Südwesten des Landes eröffneten sie laut Einwohnern das Feuer auf Demonstrierende. Mindestens zehn Personen, darunter ein Kind, sollen getötet worden sein.
DER STANDARD

Weitreichende Solidarität

Die Proteste beschränken sich nicht auf große Städte, sondern haben auch kleine erfasst. Auffallend bei alle Demonstrationen ist die Solidarität zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen und Gebieten, was den offiziellen Angaben der Regierung, die gerne von ausländischen Kräften, die den Zerfall des Iran beabsichtigen, widerspricht.

In der Stadt Isfahan streikten am Donnerstag die Stahlarbeiter einer Fabrik.
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Eine gewisse Unruhe ist bei der Regierung erkennbar, was Präsident Ebrahim Raisi am Donnerstag dazu veranlasste, regierungsnahe Kräfte zu kritisieren und mehr Solidarität von ihnen zu verlangen.

Von Tabriz im Nordosten bis Zahedan im Südosten dauern die Demonstration an, am Samstag wollen Exil-Iranerinnen und -Iraner auch in zahlreichen Hauptstädten weltweit ihre Solidarität mit den Protesten demonstrieren. (red, 18.11.2022)