Die beiden Juniorpartner von Giorgia Meloni hatten im Wahlkampf den Italienerinnen und Italienern das Blaue vom Himmel versprochen: Lega-Chef Matteo Salvini stellte eine Flat Tax (Einheitssteuer) von 15 Prozent und eine neue Steueramnestie in Aussicht; und Expremier und Forza-Italia-Chef Silvio Berlusconi wollte die Mindestrenten von bisher rund 500 Euro verdoppeln und den gleichen Betrag gleichzeitig auch den "mamme", den Müttern und Hausfrauen, überweisen.

Im ersten Monat ihrer Amtszeit ließ Giorgia Meloni – zumindest finanzpolitisch – Augenmaß walten.
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Allein diese beiden Maßnahmen hätten den Staatshaushalt um Dutzende von Milliarden Euro zusätzlich belastet – und das bei einem Schuldenstand von 145 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung des Landes. Es wäre das Rezept für eine neue Eurokrise gewesen.

Kein Comeback zu Schuldenpolitik

Die mögliche Rückkehr Italiens zu Schuldenwirtschaft und "kreativer" Finanzpolitik war nach dem Wahlsieg Melonis am 25. September denn auch die größte Sorge an den Finanzplätzen und auch in Brüssel gewesen. Doch zumindest bisher – nach einem Monat Regierungsarbeit – kommen ermutigende Signale aus Rom: In den Plänen der Regierung für den Staatshaushalt 2023 ist von den Wahlversprechen Salvinis und Berlusconis wenig übriggeblieben.

Das ist in erster Linie Finanzminister Giancarlo Giorgetti von Salvinis rechter Lega zu verdanken: Der Absolvent der renommierten Mailänder Wirtschaftsuniversität Bocconi ist das einzige Kabinettsmitglied, das schon unter Draghi Minister war – und zwar für wirtschaftliche Entwicklung –, und er gilt als Vertrauter des früheren parteilosen EZB-Präsidenten.

Auch Meloni selber hatte im Wahlkampf eine verantwortungsvolle Finanzpolitik in Aussicht gestellt und ihre beiden spendierfreudigen Partner (vergeblich) aufgefordert, keine unrealistischen Geschenke zu versprechen.

Finanzminister Giancarlo Giorgetti gilt als renommierter Fachmann.
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Dem Koalitionsfrieden zuliebe gesteht sie Salvini und Berlusconi nun zu, dass sie ihre Versprechen wenigstens zum Schein einlösen. So wird die bereits bestehende Flat Tax von 15 Prozent für Einzelunternehmen bis 65.000 Euro Jahresumsatz – vielleicht – etwas erweitert: auf einen Jahresumsatz von 85.000 Euro.

Und es wird wohl eine Mini-Steueramnestie geben: Alte Steuerschulden, die 1.000 Euro nicht übersteigen, sollen erlassen werden, Ausstände bis 3.000 Euro können mit der Begleichung der Hälfte des geschuldeten Betrags erledigt werden. Die Auswirkungen auf den Staatshaushalt sind jedenfalls gering.

"Identitäre rechte Budgetpolitik"

Zurückgerudert ist auch Meloni selber: Sie hatte im Wahlkampf die Abschaffung des "reddito di cittadinanza", des Bürgereinkommens, versprochen. Dieses wird nun aber zumindest das kommende Jahr überdauern. Geplant ist lediglich eine Verstärkung der Kontrollen und der Sanktionen für Bezieher, die eine angebotene Arbeitsstelle ablehnen.

Die Opposition kritisiert, die Regierung betreibe eine "identitäre rechte Budgetpolitik", wie sie bei allen Rechtsregierungen der Welt zu beobachten sei: Nachsicht gegenüber den Reichen auf Kosten der Armen. Erstere würden mit Steueramnestien und Steuersenkungen bedacht, Letztere müssten Kürzungen und Schikanen erdulden.

Noch hat Giorgetti seinen ersten Haushalt nicht vorgelegt. Aus dem Finanzministerium verlautete aber unlängst, dass das Defizit im nächsten Jahr auf 4,5 Prozent steigen werde – im Vergleich zu den 3,7 Prozent, die Draghis Finanzplan vorsah. Die leichte Erhöhung ist hauptsächlich Folge der Inflation, die in Italien in den letzten Wochen auf fast zwölf Prozent gestiegen ist: Allein der gesetzliche Teuerungsausgleich auf den Renten und den Löhnen der Staatsbeamten kostet einen zweistelligen Milliardenbetrag. Trotzdem sehen Giorgettis Finanzpläne eine sinkende Schuldenquote vor. Vorausgesetzt freilich, dass es ihm und Meloni weiterhin gelingen wird, Salvini und Berlusconi in Schach zu halten. (Dominik Straub, 21.11.2022)