Auch eine Bartagame (Symbolbild) wurde zum Kollateralschaden einer turbulenten Beziehung, die einen 37-Jährigen zum wiederholten Male vor Gericht brachte.

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Wien – Es schaut nicht gut aus für Herrn D., muss man als unabhängiger Beobachter konstatieren. Der 37-jährige Angeklagte bringt die Contenance von Richterin Tea Krasa durch seine ständigen Unterbrechungen und ausufernden Unschuldsbeteuerungen ins Wanken, selbst die Androhung, in seiner Abwesenheit zu verhandeln, bremst seinen Redefluss nicht.

Dass er bereits vier Vorstrafen hat, von denen zwei Attacken auf eine Frau betreffen, die auch in dieser Verhandlung das Opfer sein soll, macht seine Lage nicht besser. Im Februar soll er Frau Y. in seiner Wohnung einen Faustschlag verpasst und sie so im Gesicht verletzt haben. Mitte August soll er gewaltsam in die Unterkunft der 47-Jährigen eingedrungen sein und sie neuerlich mit zwei Faustschlägen verletzt haben, wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor.

Bereits bei der Überprüfung seiner Generalien sorgt der Angeklagte für eine Überraschung. Übersetzerin Eva Velibeyoglu beginnt D. auf Türkisch nach seinen persönlichen Daten zu fragen, der unterbricht sie nach zwei Sekunden. "Ich brauch keine Dolmetscherin, ich bin in Wien geboren und mache gerade meine Werksmeisterausbildung. Aber schön, wieder Türkisch zu hören, Sie haben sehr gut übersetzt", lobt der türkische Staatsbürger Velibeyouglu.

Jahrelange On-off-Beziehung

In der Sache bekennt sich der Arbeitslose nicht schuldig. Er habe seine Landsfrau Y., mit der er seit mindestens acht Jahren eine On-off-Beziehung hat, sicher nie geschlagen, stellt er wortreich klar. Auch die früheren Verurteilungen seien falsch. Die Frau sei alkoholabhängig und nehme starke Medikamente zum Wodka, dann verändere sich ihre Persönlichkeit total, sie werde grundlos aggressiv und habe Wahrnehmungsstörungen, beteuert er.

Als ihm die Richterin Bilder von den Vorfallstagen vorhält, auf denen im Gesicht von Y. Rötungen zu sehen sind, hat D. auch dafür eine Erklärung. "Wenn sie betrunken ist, fällt sie dauernd hin", versichert der Angeklagte. "Immer aufs Gesicht?", ist Krasa misstrauisch. "Wenn ich ihr Faust geben würde, wäre sie nicht mehr ansprechbar", ist der 37-Jährige überzeugt.

Beim Vorfall im August, bei dem er Hausfriedensbruch begangen haben soll, indem er gewaltsam in das Zimmer der 47-Jährigen in einer sozialen Einrichtung eingedrungen sein soll, sieht D. sich ebenso als unschuldig. "Das Schloss bei der Zimmertür ist kaputt. Ich habe mit der flachen Hand geklopft, dann ist die Tür aufgegangen." Im Zimmer sei Y. aufgewacht, und habe ihn beschimpft. Im darauffolgenden Streit habe sie ihn mit Gegenständen beworfen, er selbst habe nicht zugeschlagen.

Mitbewohnerin alarmierte Polizei

Warum eine Mitbewohnerin der Einrichtung, die wegen des Lärms in das Zimmer kam, aussagte: "Ich hatte den Eindruck, dass er sie umbringen will", kann D. sich nicht erklären. Auch, dass diese Mitbewohnerin eineinhalb Stunden später die Polizei alarmierte, da sie bei Y. Rötungen im Gesicht entdeckte, die nach Meinung der Mitbewohnerin von Schlägen stammen müssen, ficht ihn nicht an.

"Ist Frau Y. jetzt noch Ihre Lebensgefährtin?", will die Richterin vom Angeklagten wissen. Und erfährt, dass die Beziehung vor zwei Tagen endete – nachdem Y. auf die Bartagame von D. gestiegen war, was für das Schuppenkriechtier fatal endete. "Aber wenn es schon seit Jahren zu Schwierigkeiten kommt, warum waren Sie dann so lange zusammen?", kann Krasa es nicht verstehen. "Sie tut mir bis heute noch leid", behauptet der Angeklagte.

"Ich habe sie zwei Mal verlassen, aber dann immer ein schlechtes Gewissen bekommen", fürchtete er angeblich ihren weiteren sozialen Abstieg. Er beschuldigt Y. neuerlich, ihn stets zu verleumden: "Wenn man jemanden nicht verlassen kann, will man ihn vernichten oder ins Gefängnis bringen", ist D. sich sicher. "Bitte retten Sie mich vor dieser Frau, die soll eine Therapie machen, aber mich in Ruhe lassen!", bittet er die Richterin.

Überraschende Aussagen der Zeugin

Es sieht also wie erwähnt nicht gut aus für den ohne Verteidiger erschienenen Angeklagten, als er von Krasa aufgefordert wird, bei geschlossener Tür im Nebenraum Platz zu nehmen, da Privatbeteiligtenvertreter Moritz Winter die Einvernahme von Y. im Abwesenheit fordert. Der Auftritt von Y. verbessert dann die Aussicht für den Angeklagten aber schlagartig.

Die 47-Jährige sagt, sie wolle eigentlich schon seit drei Jahren keine Beziehung mit D. mehr. Der betreibe aber "Telefonterror" und mische sich immer wieder in ihr Leben ein. Zum angeklagten Vorfall in ihrer Unterkunft verrät sie, dass die Zimmertüre tatsächlich schon seit Jahre nicht richtig funktioniere. Sie habe damals getrunken gehabt und in ihrem Zimmer geschlafen, als sie durch das Klopfen aufgeweckt wurde und D. plötzlich im Raum gestanden sei. Es sei zu einem Wortgefecht gekommen, dann habe sie ihn unter anderem mit einem ihrer Schlapfen beworfen. "Er hat eine Abwehrbewegung gemacht und von seinem Arm ist mir der Schlapfen ins Gesicht geflogen", gibt sie unumwunden zu. "Davon stammt die Rötung?", versichert sich die Richterin. "Ja."

"Er wollte mich hauen, ich wollte ihn hauen"

Zum Februar sagt Y., der Angeklagte habe damals "wieder gesponnen", es sei zu einer Auseinandersetzung gekommen. "Er wollte mich hauen, ich wollte ihn hauen." Ob D. sie mit der Faust oder dem Ellbogen im Gesicht erwischt habe, wisse sie nicht mehr, es sei jedenfalls sicher nicht absichtlich passiert. "Bei der Polizei haben Sie damals noch dezidiert gesagt, er habe Ihnen einen Faustschlag ins Gesicht gegeben." – "An dem Tag war ich so durcheinander", entschuldigt die Zeugin sich. Die Möglichkeit des Privatbeteiligtenanschlusses für Schmerzensgeld lehnt sie ab. "Ich verzichte auch auf sein Geld, er soll mich einfach in Ruhe lassen."

Ihre Mitbewohnerin ist unentschuldigt nicht erschienen, die junge Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft Wien ist aber nicht befugt, auf deren Einvernahme zu verzichten. Um eine Vertagung zu vermeiden, ruft Krasa eine Vorgesetzte der Sitzungsvertreterin an, erläutert ihr den Sachverhalt und erhält die Zustimmung, dass die Richterin die Zeugenaussage der Mitbewohnerin verlesen kann. Gesehen hat diese ohnehin nichts, nur den Lärm gehört und dann eigene Schlussfolgerungen gezogen.

Aus den Akten trägt die Richterin dann noch vor, dass D. wegen der Vorfälle sogar einige Tage in Untersuchungshaft genommen wurde und Y. im August einen Alkoholspiegel von 1,44 Promille aufgewiesen hat, aber keine Aussage machen wollte und einen Arztbesuch ablehnte.

Wenig überraschend spricht Krasa den Angeklagten dann nicht rechtskräftig frei. "Das ist keine gute Beziehung", rät sie D. noch, die jüngste Trennung zu einer dauerhaften zu machen. "Danke, schönes Wochenende", verabschiedet sich der nach dem Urteil ruhiger gewordene 37-Jährige. (Michael Möseneder, 20.11.2022)