Der Jungstar unter den Dirigenten Klaus Mäkelä (Jahrgang 1996) ist erstmals hier für Beethoven zuständig.

Foto: Marco Borggreve

Frühjahr 1824. In Wien rumort es gewaltig. Seit Wochen wird über Beethovens neuestes Werk spekuliert. 30 Prominente haben den Komponisten in einem offenen Brief dazu aufgerufen, die 9. Symphonie in seiner "zweiten Vaterstadt" Wien uraufführen zu lassen. Im Vorfeld des Ereignisses werben Plakate für die "Große musikalische Akademie" des "Herrn von Beethoven". Am 7. Mai ist es schließlich so weit. Das Theater am Kärntnertor ist bis auf den letzten Sitz gefüllt, nur die Kaiserloge bleibt leer. Schon nach dem zweiten Satz, dem Scherzo, bricht im Publikum Jubel aus. Das große Crescendo zum Schluss versetzt die Zuhörer in Ekstase. Fünf Mal wird Beethoven nach vorne gerufen und nimmt den frenetischen Beifall stoisch entgegen. Hören kann er ihn nicht. Er ist zu diesem Zeitpunkt bereits vollständig ertaubt.

Unter Kritikern und Kollegen sind die Reaktionen auf die Neunte gemischt. Verdi etwa moniert, das Finale sei "schlecht gesetzt", wohingegen Wagner in der Musik "das menschliche Evangelium der Kunst der Zukunft" erkennt. Die Rezeptionsgeschichte gibt ihm recht: Die Neunte wurde Beethovens berühmtestes Werk. Niemand kann sie hören, ohne überwältigt zu sein.

Aus toller Schule

Die Wiener Symphoniker zelebrieren Beethovens Funkenflug rund um Silvester alljährlich im Wiener Konzerthaus. Das erste Konzert fand 1975 unter der Leitung von Altmeister Erich Leinsdorf statt. 47 Jahre später gibt der 26-jährige Klaus Mäkelä sein Debüt am Pult des Orchesters. Der finnische Dirigent absolvierte die legendäre Schule von Jorma Panula, aus dessen Kaderschmiede auch Esa-Pekka Salonen, Jukka-Pekka Saraste oder Markus Poschner entstammen. Er hat einiges zu tun: Seit Herbst 2020 ist Mäkelä Chef des Oslo Philharmonic Orchestra, 2021 hat er das Orchestre de Paris übernommen, ab 2027 steht er offiziell an der Spitze des Concertgebouw-Orchesters.

Die Musik ist Teil von Mäkeläs DNA. Der Vater ist Cellist, die Mutter Pianistin, die Schwester tanzt im finnischen Nationalballett. Klaus Mäkelä wusste schon mit sieben, dass er Dirigent werden möchte. Nun reiht sich der junge Maestro in die illustre Abfolge von Stardirigenten ein, die mit den Symphonikern Beethovens freudenvolle Töne anstimmen ließen (30., 31. Dezember, 1. Jänner).

Nikolaus Habjan präsentiert sein "Air"-Programm.

Rund um den Jahreswechsel gibt es auch Walzer im Konzerthaus, bei den Neujahrskonzerten des Strauss Festival Orchester Wien (29. Dezember, 1. Jänner). Seit 20 Jahren begleitet das Traditionsensemble mit Musik der Familie Strauss und deren Zeitgenossen den Jahreswechsel im Konzerthaus. Dieses Mal musiziert es unter dem Motto "Freuet euch des Lebens" nach dem gleichnamigen Walzer von Johann Strauss. Strauss hatte ihn für die Einweihungsfeierlichkeiten des Goldenen Saals im Wiener Musikverein komponiert. Nach der Uraufführung 1870 verschwand das Stück jedoch wieder von den Konzertplänen. Dirigent Peter Guth hat die Strauss’sche Kostbarkeit wiederentdeckt und sie zusammen mit anderen, selten gespielten Preziosen aufs Programm gesetzt, darunter Joseph Lanners Walzer Die Romantiker oder Eduard Strauss’ Polka Wo man lacht und lebt. Dazu zündet Johann Strauss Vater ein Jugendfeuer, Sohn Johann junior erlaubt sich mit seinem Perpetuum mobile einen musikalischen Scherz, während Bruder Josef in seinem Walzer der Liebe und der Lust frönt.

Besuch aus Ungarn

Ein Feuerwerk an Trillern und Pfiffkoloraturen erwartet die Besucher am 29. Dezember im Mozart-Saal, wenn Kunstpfeifer Nikolaus Habjan einen seiner virtuosen Konzertabende gibt. Air heißt das neue Programm, mit dem er Händels Da tempeste il legno infranto stürmt, ein sublimes Lascia ch’io pianga gibt, Glucks La Corona wachküsst, Belmonte und Tamino pfeift und Lieder von Franz Schubert tiriliert. Für musikalische Verstärkung sorgen die Pianistin Ines Schüttengruber und das Originalklang-Ensemble Prisma Wien.

Liebesgrüße aus Budapest haben wiederum Sándor und Ádam Jávorkai am 30. Dezember mit im Gepäck: Auf dem Programm stehen Zigeunerweisen und Ungarische Rhapsodien, Fantasien und Filmmusik. Die Stars des Budapester Operettentheaters und das Vienna Virtuos Chamber Orchestra machen den Mulatschak perfekt. In der Silvesternacht lässt das Konzerthaus mit einer großen Gala die Korken knallen. Dass auch klassische Musiker den Groove im Blut haben, beweisen die Philharmonix, ein siebenköpfiges Ensemble aus Mitgliedern der Berliner und Wiener Philharmoniker.

Ihren Ausgleich zum Alltag im Orchester finden sie abseits des symphonischen Repertoires und machen auch vor Beethoven (verswingt) nicht halt. Dazwischen gibt es Klezmer, Jazz und Rock ’n’ Roll. (Miriam Damev, 19.11.2022)