Gert Steinbäcker geht auf Abschiedstournee, der Musik bleibt er erhalten, aber das langfristige Planen von Touren wird langsam mühsam.

Foto: Christian Jungwirth

Gert Steinbäcker ist das erste "S" in S.T.S., jener steirischen Band, die zu den erfolgreichsten der heimischen Popmusik zählt. Steinbäcker ist der mit dem Oberlippenbart: "Deswegen war ich immer ein Polizist, wenn ich beim ,Derrick' als Statist mitgespielt habe."

Das S.T.S.-Lied "Fürstenfeld" war der erste Wiesn-Hit des Münchner Oktoberfests – und auch sonst irrtumsanfällig. Neben S.T.S. war und ist Steinbäcker als Solokünstler erfolgreich. Der demnächst 70 Jahre alt werdende Musiker veröffentlicht jetzt das Album "44": eine Sammlung von bekannten und neuen Liedern, mit denen er ab 24. November auf Abschiedstour geht.

STANDARD: Warum hören Sie auf?

Steinbäcker: Ich höre nicht ganz auf, aber es gibt andere Formen als geplante Tourneen, die zwei Jahre im Voraus organisiert werden müssen. Und ich stelle fest, dass viele Freunde im Spital sind, irgendetwas haben, wodurch sie verhindert sind. In meiner Altersgruppe mehrt sich das, es wird mühsamer.

STANDARD: An Liedern wie "Helden von heut", das auf Kurz und Co anspielt, merkt man, dass es Sie aber immer noch juckt.

Steinbäcker: Ich hab eine Karikatur vom Gerhard Haderer gesehen, mit so dünnen Slim-Fit-Männchen, und darunter stand: "Helden von heute". Wie ich das gesehen habe, hatte ich einen fertigen Song. Das ist mir selten passiert. Dann habe ich den Haderer angerufen und gefragt, ob ich den Titel verwenden darf. Er hat gesagt, sicher: wenn ich am Attersee einen Abend lang die Biere bezahle. Zuerst hieß das Lied ja "Das sind die Helden von heut", die waren aber so schnell wieder weg. Jetzt heißt es "Helden von heut" und beschreibt gewissermaßen eine Epoche.

STANDARD: Warum ist der Aufschrei bei politischen Skandalen nicht größer?

Steinbäcker: Ich weiß es nicht. Aber ich glaube, das ist nicht unbedingt ein rein österreichisches Problem. Ich kenne die Politik in Griechenland ganz gut. Die müssen über unsere Probleme manchmal lachen. Aber erklären kann ich es nicht.

STANDARD: Die Kabarettisten kommen kaum mehr mit.

Steinbäcker: Die Strache-Show in Ibiza kannst du ja gar nicht übertreffen. Der hat jetzt keine Kohle mehr, und mir geht er irgendwie ab, weil er so eine irre Figur ist, die gar nicht genau weiß, was sie da gemacht hat.

STANDARD: Sie haben immer die Haltung in der Unterhaltung gepflegt. Ist Ihnen das bei neuen Bands ausreichend vorhanden?

Steinbäcker: Ich habe den Eindruck, dass Pizzera & Jaus und Seiler und Speer in dem Sinn Themen suchen und behandeln. Bei Pizzera & Jaus ist es mehr, bei Seiler und Speer sind die Geschichten gut. Ein Lied wie "Herr Inspektor" ist eine brachiale Geschichte, aber wenn du das halbwegs poetisch verpackst, gefällt mir das.

STANDARD: Sie erzählen stets politische und private Geschichten.

Steinbäcker: Ja, darin sehe ich die Tradition fortgesetzt, was Lieder schreiben überhaupt bedeutet, weil die Amis wie Bruce Springsteen tun auch nichts anderes. So Kunstgruppen wie Wanda und Bilderbuch, die ja die Enkel vom Falco sind, die sind nicht so berührt vom Politischen. Ich halte das so: Ich bin am Leben interessiert und beschreibe Lebensdinge, die mir auffallen. Aber ich habe nie den Anspruch gehabt, jemandem etwas zu erklären. Das wäre ein Unsinn. Aber in einer guten Geschichte ist oft was Größeres drinnen. Wenn das beim Publikum etwas anstupsen kann, ist etwas gelungen.

STANDARD: Haltung wird oft mit einer strengen Moral verwechselt und sanktioniert, was fällt Ihnen dazu ein?

Steinbäcker: Ich bin auf keiner sozialen Plattform, weil mir nie langweilig ist. Ich lese dort nicht, wie gut oder wie schlecht ich bin. Aber ich kann zum Großteil auch nicht folgen. Wenn man Winnetou als Entgleisung bezeichnet, kann ich da nicht folgen. Wenn einer wegen seiner Rastalocken nicht auftreten darf, ist das Schwachsinn. Und, tut mir leid, auch das Gendern. Ich bin absolut der Meinung, dass Frauen erwähnt gehören, sie gleichberechtigt sein sollen, aber dass man dafür eine Sprache in die seltsamsten Kläglichkeiten bringt? Die Frauen verkommen komplett zu "innen". Ich will die Erhöhung der Frauen in der Sprache nicht lächerlich machen. Aber das Dogmatische daran taugt mir nicht. Da hätten die Rolling Stones nie Blues spielen dürfen, die waren ja auf keinem Baumwollfeld. Das sind echte Wohlstandsprobleme.

STANDARD: Weder Lieder über die schöne Stadt Fürstenfeld noch über Großväter sind per se Hitparaden-verdächtig. Hat Sie Ihr Erfolg manchmal gewundert?

Steinbäcker: So etwas kann man ja nie planen. Ich habe einfach das geschrieben, was für mich ein Thema war. Jetzt, 40 Jahre später, wird oft an mich herangetragen, was manche Lieder für jemanden für einen Wert haben. Und erst langsam begreife ich, dass das wohl so sein muss. Ich glaube, es liegt daran, dass die Lieder eine Story erzählen. Ich habe immer darauf geachtet, keine Leerzeile zu haben; da bin ich oft stundenlang gesessen. Aber dadurch werden die Storys griffiger.

STANDARD: "Fürstenfeld" wird bis heute als Loblied auf die Provinz missverstanden. Ärgert das, oder ist es irgendwann egal?

Steinbäcker: Na ja, das ist eine Schiffkowitz-Nummer, aber natürlich steht man im Verband dazu. Gemeint hat er es ja als Verspottung dieser ländlichen Verklärung. Der Zufall wollte es, dass sowohl die, die das überrissen haben, als auch die, die es nicht überrissen haben, hinter der Nummer herg’rennt sind. Und wenn es dir gelingt, Gegner und Freunde zu erreichen, dann hast an Hit. Aber natürlich ist der Schiffkowitz nicht der Typ, der das Provinzielle hochleben lässt.

STANDARD: S.T.S. waren immer sehr normale Typen, keine Figuren auf Promi-Partys.

Steinbäcker: Na, so etwas wie die "Seitenblicke" haben wir nur gemacht, wenn es sein musste, wenn es um die Verbreitung eines neuen Produkts ging. Mit "Seitenblicke" privat kannst mich jagen. (Karl Fluch, 20.11.2022)