Die Law-and-Order-Politik des vergangenen Monats entspricht dem, was die meisten italienischen Rechtswählerinnen und Rechtswähler vom Trio Meloni/Berlusconi/Salvini erwartet haben.

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Jahrzehntelang fühlten sie sich in die politische Schmuddelecke gedrängt. Die Postfaschisten von Giorgia Meloni sowieso, aber auch die übrige italienische Rechte, deren Ruf zuerst durch Silvio Berlusconi und dann durch dessen noch ungehobelteren politischen Erben Matteo Salvini nachhaltig ramponiert worden war.

Doch dann kam der 25. September: Die postfaschistischen Fratelli d'Italia von Meloni wurden bei den Parlamentswahlen mit 26 Prozent der Stimmen stärkste Partei im Land, die Forza Italia von Berlusconi und Salvinis Lega erzielten je acht bis neun Prozent. Sie konnten die neue Regierung bilden, die am weitesten rechts stehende in der Geschichte der Republik, obwohl sie zusammen nur auf 43 Prozent der Stimmen gekommen waren. Für die italienische Rechte war der Wahlsieg eine regelrechte Befreiung.

Als Erstes wählte die neue Parlamentsmehrheit Melonis Parteikameraden Ignazio La Russa zum Senatspräsidenten. La Russa ist stolzer Besitzer von Mussolini-Büsten und empfindet die Bezeichnung "Faschist" als Kompliment. Präsident des Abgeordnetenkammer wurde Lega-Mann Lorenzo Fontana, ein Fundamentalkatholik, homophob bis auf die Knochen, mit besten Beziehungen zu den griechischen Neonazis von Alba Dorata.

Als Staatssekretär in die erweiterte Regierung geschafft hat es auch Claudio Durigon: Als regionaler Lega-Sekretär hatte er sich einen Namen damit gemacht, dass er den zentralen Platz in seiner Heimatstadt Latina nach dem Bruder des früheren Diktators Benito Mussolini, Arnaldo, benennen wollte. Eigentlich ist der Platz nach den beiden von der Mafia ermordeten Richtern und Volkshelden Giovanni Falcone und Paolo Borsellino benannt. "Piazza A. Mussolini" tönt für Durigon irgendwie besser.

Politik der geschlossenen Häfen

Die dergestalt zusammengesetzte Regierung ließ keine Zeit verstreichen, um zu demonstrieren, wo es in Italien nun langgehen soll. Schon in der ersten Regierungssitzung beschloss die befreite – die Opposition sagt: entfesselte – Rechte eine Neuauflage der "Politik der geschlossenen Häfen" für die privaten NGO-Rettungsschiffe, wie sie 2018 schon vom damaligen Innenminister Salvini verkündet worden war.

Gleichzeitig verschärfte die Regierung die Gesetze gegen unbewilligte Rave-Partys – die Organisatoren sollten für bis zu sechs Jahre ins Gefängnis geschickt werden können. "Italien ist keine Bananenrepublik, wo Gesetze beliebig missachtet werden können", erklärte Meloni zum sogenannten "Anti-Rave-Gesetz". Für die Opposition ist die Gesetzesverschärfung unverhältnismäßig und verfassungswidrig. Sogar der neue Justizminister, Carlo Nordio, sieht das ähnlich.

Die beiden Maßnahmen stellten sich schnell als das heraus, was sie in Wirklichkeit waren: reine Symbolpolitik. Die italienischen Häfen sind genauso wenig geschlossen, wie sie es unter Salvini gewesen waren: Drei der vier privaten Rettungsschiffe, die in den ersten Amtstagen der neuen Regierung tagelang auf die Zuweisung eines Hafens warten mussten, konnten die geretteten Flüchtlinge schließlich doch in Sizilien und in Reggio Calabria an Land bringen. Das vierte Schiff, die Ocean Viking, steuerte Toulon in Frankreich an. Und während der neue Innenminister von Salvinis Gnaden, der parteilose Matteo Piantedosi, den starken Mann gab, haben die Behörden still und leise über 10.000 andere Bootsflüchtlinge aufgenommen, die es mit eigenen Schiffen nach Italien geschafft hatten oder von der italienischen Küstenwache gerettet wurden. Das Einzige, was Meloni und Piantedosi erreicht hatten, war eine diplomatische Krise mit Frankreich.

Beliebtheit gestiegen

Man könnte also von einem Fehlstart Melonis reden, nur: Eine harte Hand gegen Migranten und NGOs und die Law-and-Order-Politik entsprechen letztlich dem, was die meisten italienischen Rechtswählerinnen und -wähler vom Trio Meloni/Berlusconi/Salvini erwarten. Meloni polarisiert zwar, aber insgesamt ist ihre Beliebtheit seit den Wahlen noch gestiegen: Laut Umfragen würden nun 30 Prozent der Stimmberechtigten die Fratelli d'Italia wählen.

Noch größer ist die Zustimmung für die Kampagne gegen die privaten Helfer: 57 Prozent der Befragten sind damit einverstanden, 39 Prozent dagegen. Nur wenigen Italienerinnen und Italiener leuchtet ein, warum sich ihr Land, das ohnehin schon den weitaus größten Teil der Mittelmeerflüchtlinge aufnimmt, auch noch um diejenigen kümmern soll, die von ausländischen Schiffen in internationalen Gewässern gerettet werden.

Die "luna di miele", die Flitterwochen zwischen Meloni und einem beträchtlichen Teil der Italienerinnen und Italiener halten also vorerst noch an. Dazu trägt auch der forsche und zuweilen rotzige Umgangston der 45-jährigen Römerin aus dem Arbeiterquartier Garbatella bei, die sich in der Antrittsrede im Parlament selber als "Underdog" bezeichnet hatte. Als Meloni beim G20-Treffen in Bali von Journalisten gefragt wurde, warum sie mit ihrer sechsjährigen Tochter Ginevra angereist sei, beschied sie den Medienschaffenden, dass das niemanden etwas angehe: "Ich habe das Recht, eine Mutter zu sein, wie ich es für richtig halte. Ich hoffe, dass diese Antwort genügt, damit ihr euch um wichtigere Themen kümmern könnt, von denen ihr eine vage Ahnung habt." Solche Sprüche gefallen vielen Italienern, auch linken. Und sie gefallen vor allem den Italienerinnen. (Dominik Straub aus Rom, 20.11.2022)