Unter Ausschluss der Öffentlichkeit diskutierten die Delegierten von knapp 200 Nationen Samstagabend über einen neuen Entwurf für das Abschlussdokument.

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Vor dem Plenarsaal tummeln sich Delegierte und junge Klimaaktivistinnen und -aktivisten, die in den letzten Verhandlungstagen keinen Zutritt zu den offiziellen Gesprächsrunden mehr haben. Niklas Wagner, von der Jugendorganisation Klimadelegation ruft einem Verhandler nach: "Bitte eine Einigung für 1,5 Grad, danke!"

Innen, im Plenarsaal, diskutieren die Delegationen ihre Positionen – ringen darum, doch noch zu einem Ergebnis zu kommen. Alle, die nicht mitverhandeln, scharen sich vor dem Konferenzzelt und versuchen, einen Blick zwischen die Vorhänge hindurch zu erhaschen.

Eigentlich hätte die Konferenz bereits Freitagabend enden sollen. Doch – so wie das auf den allermeisten Klimakonferenzen der Fall ist – geht es auch dieses Mal in die Verlängerung. In diesem Jahr laufen die Verhandlungen jedoch außergewöhnlich langsam.

Im bisher größten Streitpunkt, der Frage nach einem Hilfsfonds für Klimaschäden, soll es Samstagabend eine Einigung gegeben haben. Der größte verbleibende Knackpunkt ist die Minderung der Emissionen. Das heißt vor allem: Der Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas. In einem Entwurf, der am Samstagnachmittag kursierte, fand sich bloß ein Aufruf an alle Länder, aus der Kohleenergie auszusteigen. Ein Appell sich von Öl und Gas abzuwenden fehlt. Enthalten ist dafür das Ziel, die Erderwärmung unter 1,5 Grad zu halten.

Annäherung bei Klimaschäden-Fonds

Mit dem Satz zum Kohleausstieg und jenem zum 1,5-Grad-Ziel, wiederholt das Papier, was bereits mit dem "Glasgow Climate Pact" bei der Klimakonferenz im vergangenen Jahr verabschiedet wurde.

Für die EU sei das zu wenig, betonte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler am Samstagabend: "Wir brauchen einen Fortschritt gegenüber Glasgow. Wir können beim Klimaschutz nicht am Stand treten."

Dass das Abschlusspapier den Ausstieg aus Öl und Gas enthalten soll, fordert auch die sogenannte "High Ambition Coalition", ein informeller Zusammenschluss von Staaten, die sich seit der Unterzeichnung des Pariser Abkommens 2015 für das 1,5-Grad-Ziel stark machen. Vertreten sind einige Inselstaaten wie die Marshallinseln, sowie lateinamerikanische und europäische Staaten. Auch Österreich ist dabei.

Fonds für Klimaschäden kurz vor Einigung

Vor allem Staaten mit großen Kohle-, Öl- und Gasvorkommen wie Saudi-Arabien, aber auch China, stellen sich bislang quer, die Abkehr von fossilen Energieträgern in der Erklärung festzuhalten. Auch dem Gastgeberland Ägypten wird vorgeworfen, kein Interesse an einem Bekenntnis zum Ausstieg aus fossiler Energie zu haben.

Beim anderen großen Streitthema, den Entschädigungszahlungen für Klimaschäden, waren sich die Industriestaaten und die Entwicklungsländer zuletzt näher gekommen. Letztere fordern eine Institution, über die Geld für Klimaschäden und -verluste, etwa nach Dürren oder Fluten, an betroffene Staaten ausbezahlt werden.

Die EU und die USA hatten einen solchen Fonds zunächst abgelehnt, am Freitag legte die EU schließlich einen Entwurf auf den Tisch – der allerdings Schwellenländer wie China als Geber- und nicht als Empfängerländer für Zahlungen vorsah.

Samstagmorgen erhöhte die EU den Druck. Sie drohte mit dem Abbruch der Verhandlungen. Der Chefverhandler und Leiter der EU-Klimapolitik, Frans Timmermans, sagte bei einer eilig einberufenen Pressekonferenz: "Wir haben lieber keinen Deal, als einen schlechten."

EU-Chefverhandler Frans Timmermans drohte am Samstag mit dem Abbruch der Klimaverhandlungen.
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Kritik gab es auch an der Organisation der Veranstaltung: Wasser war auf der Konferenz immer wieder knapp, das Essensangebot erst ab der zweiten Woche nennenswert und Konferenzräume wurden auf gefühlte Kühlschranktemperatur heruntergekühlt.

Auch die letzten Stunden der Verhandlungen verliefen nicht weniger chaotisch: So bleiben die meisten Essensstände auch für die Verhandelten am Samstag geschlossen und im österreichischen Delegationsbüro wurde am Samstag sogar der Strom abgestellt. Die Delegation zog daher in das Büro der Benelux-Staaten um.

"Die ägyptische Präsidentschaft wird keinen Preis mehr gewinnen für diese #COP27", twitterte Irmtraud Salzer, stellvertretende Kabinettschefin im Klimaschutzministerium. (Alicia Prager und Philip Pramer aus Sharm el-Sheikh, 19.11.2022)