Der Versuch, europäische Entwickler mit seinem E-Mail-Ultimatum loszuwerden, könnte für Twitter sehr teuer werden.

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Entweder "extrem hardcore" arbeiten, also mit laufenden Überstunden und minimaler Freizeit, oder Kündigung mit einer Abfindung von drei Monatsgehältern. Vor diese Wahl stellte Elon Musk kürzlich die Mitarbeiter der Entwicklungsabteilung von Twitter. Etwa anderthalb Tage hatten diese Zeit, um zur Annahme der neuen Bedingungen einen Link anzuklicken, oder automatisch ihren Job zu verlieren.

Dieses Vorgehen dürfte doppelt nach hinten losgehen. Nicht nur sollen gut drei Viertel der Adressaten den Link nicht angeklickt haben, was das Netzwerk potenziell vor ein Personalproblem stellt, sondern es droht auch ein Arbeitskampf in Europa. Denn auch in der EU ansässige Mitarbeiter hatten die Mail erhalten. Der schon für die USA eher originelle Umgang mit den eigenen Arbeitskräften dürfte in dieser Form in der "Alten Welt" nicht legal sein.

HR-Abteilung will Entlassungen durchsetzen

Manche von ihnen zeigten sich laut Brancheninsider Gergely Orosz demonstrativ unbeeindruckt. "Elons Mail ist rechtlich so verbindlich wie eine Mail von mir an ihn, in der ich schreibe, dass ich nur noch drei Stunden am Tag arbeite", zitiert er einen Betroffenen.

Dennoch scheint die Personalabteilung des Unternehmens darauf erpicht zu sein, das angekündigte Vorgehen durchzuziehen, so Orosz. Jene europäischen Twitter-Angestellten, die den Klick verweigert hatten, haben nun offenbar auch keinen Zugriff mehr auf ihre Arbeitssysteme.

Die Sperre ihrer Logins soll dabei unangekündigt erfolgt sein. Erst Stunden später sei eine Mail der Personalabteilung eingetroffen, in der ihnen mitgeteilt wurde, dass ihr "freiwilliges Ausscheiden" angenommen worden sei.

Teurer Rechtsstreit droht

Damit steht Twitter ein teures gerichtliches Nachspiel ins Haus. Nicht nur, dass eine Kündigung auf dieser Basis wohl per se rechtlich nicht gedeckt sein dürfte, auch die unklaren Bedingungen, die in der Ursprungsmail präsentiert wurden, dürften noch für juristische Diskussionen sorgen. Denn darin wurden keine konkreten neuen Arbeitskonditionen festgehalten, sondern lediglich, dass man sich auf lange Arbeitszeiten einstellen müsse und nur "außergewöhnliche Performance" akzeptiert werde.

Orosz vermutet, dass Twitters Intention ist, seine europäischen Entwickler loszuwerden und dementsprechend gar nicht interessiert daran sei, sich mit europäischem Arbeitsrecht zu beschäftigen. Das könnte den Konzern aber letztlich teurer kommen, als eine reguläre Auflösung der Arbeitsverhältnisse anzustreben. Manche Beobachter hatten zuvor schon spekuliert, dass die Entwicklungsarbeit künftig ausschließlich in den USA ablaufen soll. (gpi, 19.11.22)