Felsformationen wie die "Durdle Door" in Südengland können durch die stetige Erosion zusammenbrechen.
Foto: elxeneize / imago / Panthermedia

Sandstrände sind der Wandlung unterworfen. An vielen Stränden der Erde wird regelmäßig Sand angeschüttet, um sie weiterhin touristisch attraktiv und zugänglich zu machen. Der Anstieg des Meeresspiegels, der durch die globale Erwärmung immer stärker an Fahrt aufnimmt, trägt dazu bei, dass diese Küsten erodieren. Doch das Problem beschränkt sich nicht nur auf Sandstrände: Auch Felsküsten sind vor Erosion nicht gefeit, wenngleich dies meist weniger stark bemerkbar ist – bis eine markante Felsformation zusammenbricht, wie es etwa im vergangenen Jahr mit "Darwin's Arch" auf den Galápagos-Inseln geschah.

Nun zeigte ein britisches Forschungsteam, dass der Klimawandel die Erosion von Felsenküsten dramatisch beschleunigen dürfte. Das geht aus einer im Fachjournal "Nature Communications" veröffentlichten Studie des Imperial College London hervor. Demnach könnten sich Felsenküsten bis zum Jahr 2100 mit bis zu zehnfacher Geschwindigkeit bisheriger Erosion zurückziehen – je nachdem, wie stark die Klimaerwärmung voranschreitet.

Beeinträchtigung der Infrastruktur

In zwei Abschnitten der britischen Küste wird das den Berechnungen zufolge wahrscheinlich dazu führen, dass die Felsformationen im Jahr 2100 um mindestens zehn bis 22 Meter zurückgewichen sein werden – mit dramatischen Folgen für Menschen und Infrastruktur. "Weltweit sind Küsten das Zuhause von Hunderten Millionen Menschen, und es gibt dort Infrastruktur wie Wohngebäude, Unternehmen, Kernkraftwerke, Verkehrsverbindungen und Landwirtschaft im Wert von Hunderten Milliarden US-Dollar", teilte das Imperial College mit. Eine vergleichbare Erosion von Felsenküsten habe es seit 3.000 bis 5.000 Jahren nicht mehr gegeben. Weltweit entfalle mehr als die Hälfte der Küstenlänge auf Felsenküsten.

Die Studie ist nach Angaben der Wissenschafterinnen und Wissenschafter eine der ersten, die sich mit dem Rückgang felsiger Küstenabschnitte beschäftigt. Bisher seien vor allem die Folgen an Sandküsten untersucht worden.

Wenn Wellen an der Küste nagen

Für ihre Studie berechneten die Fachleute den Rückgang zweier Felsenküstenabschnitte in den Grafschaften Devon und Yorkshire anhand des erwarteten Anstiegs des Meeresspiegels in verschiedenen Szenarios – je nach Ausmaß der Erderwärmung. Die Daten verglichen sie mit den Erkenntnissen aus der Erforschung der Küstenverläufe in den vergangenen 8.000 Jahren. Anhand dieser Daten hatten sie zuvor auch einen klaren Zusammenhang zwischen dem Anstieg des Meeresspiegels und der Erosion von Felsenküsten nachgewiesen.

Die Ergebnisse der Studie lassen sich nach Angaben des Teams um Erstautorin Jennifer Shadrick auf die ganze Welt übertragen, weil die an den untersuchten Küsten vorkommenden Gesteinsarten weltweit häufig anzutreffen sind. Die Erosion von Felsenküsten wird vor allem durch Wellen verursacht, deren Höhe und Stärke mit steigendem Meeresspiegel zunehmen dürfte.

Höhe des Anstiegs

Angesichts der zu erwartenden Folgen richten die Forscherinnen und Forscher einen Appell an die Politik, den Anstieg des Meeresspiegels zu begrenzen. "Die Menschheit kann das Schicksal unserer Küsten direkt kontrollieren, indem sie den Ausstoß von Treibhausgasen reduziert – die Zukunft unserer Küsten liegt in unseren Händen", sagte Dylan Rood, einer der Autoren der Studie. Doch schon jetzt zeigen sich die Folgen: Im US-Bundesstaat Kalifornien ist es sogar vorgekommen, dass Teile von Häusern über Nacht abgebrochen und ins Meer gestürzt sind.

Aktuell gehen die vorsichtigen Schätzungen in der Klimaforschung davon aus, dass der durchschnittliche globale Meeresspiegel bei einer Erwärmung um drei bis vier Grad bis 2100 um etwa 70 Zentimeter ansteigt. Während in besonderen Fällen – etwa Skandinavien – das Wasserniveau sogar etwas sinken wird, sind andere Regionen – darunter die US-amerikanische Stadt New Orleans – von noch stärkerem Anstieg bedroht. Wenn die Treibhausgas-Emissionen nicht reduziert werden, ist demnach bis zum Jahr 2100 auch ein Anstieg um einen Meter und mehr möglich. (red, APA, 20.11.2022)