Man muss schon zweimal hinschauen, um den Mégane als Mégane zu erkennen und den Unterschied von Mégane zu Mégane zu sehen. Der neue Elektro-Mégane ist eigentlich als kompakter SUV angelegt, also genau als diese Art von Auto, nach dem der Markt schreit, sprich: die Kunden verlangen. Auch in der Elektroausführung. Mit einer Höhe von 1,5 Metern ist dieser SUV ein wenig niedriger geraten als bei anderen Marken gebräuchlich. Das ist kein Nachteil. Mit Strom sind wir immer noch vorzugsweise in der Stadt unterwegs, da helfen kompakte Abmessungen, und so ist der Stromer-Mégane sogar 16 Zentimeter kürzer als der Verbrenner-Mégane, dessen Namen er trägt.

Bullig, dynamisch, nach hinten hin flacher werdend. Die kleinen Fenster hinten sind fast schon Zitate von Fenstern. Der Mégane ist ein kompakter Crossover-SUV.

Foto: Andreas Stockinger

Erster Eindruck von außen: fesch. Dynamisch geschnitten, fast ein wenig bullig. Das ist der Kompromiss, wenn man SUV sein will, sich aber duckt, um sich dem Coupé anzunähern. Hohe Schultern, die nach hinten hin abfallen, die Fenster werden weniger, verschwinden fast, die Heckscheibe ist jedenfalls sehr niedrig geraten, das hilft nicht unbedingt bei der Rundumsicht vom Fahrersitz aus, hat man erst einmal auf diesem Platz genommen.

Abhilfe schafft jedenfalls der digitale Rückspiegel, möchte man meinen. Der gibt nämlich nicht den tatsächlichen Blick durch die schmale Luke nach hinten wieder, sondern ein Bild von einer rückwärtig angebrachten Kamera. Das irritiert erst einmal, wie alles, was neu ist. Der digitale Innenspiegel ist aber tatsächlich hilfreich, vor allem dann, wenn der Blick nach hinten durch zusätzliche Passagiere oder grobe Gepäckbeladung bis unters Dach behindert ist. Der Rückspiegel zeigt ein klares Bild, allerdings muss man sich daran erst gewöhnen. Das Auge fokussiert anders, wenn man in einen Spiegel oder in das Bild einer Kamera blickt. Die Tiefe ist anders, da muss das Auge erst nachjustieren. Und wenn die Lichtverhältnisse ganz blöd sind, dann legt sich über das Kamerabild tatsächlich auch das Spiegelbild der glatten Oberfläche. Ist aber mit Sicherheit Gewöhnungssache.

Was auch gleich einmal auffällt: Hier im Inneren schaut es nach Plastik aus. Was riecht wie Plastik, was sich anfühlt wie Plastik, ist tatsächlich auch Plastik, wie bei fast jedem anderen Auto in dieser Preisklasse auch. Tatsächlich ist dieser erste Eindruck aber unfair, wie ein weiterer Blick ins Auto und ein vorsichtiges Abtasten zeigt: Hier werden viele recycelte Materialien verwendet, auch Stoffe, sehr angenehm zum Anschauen und Angreifen, das ist nicht nur umwelttechnisch lobenswert, sondern auch sehr angesagt.

Modernes Innenleben, wenn auch der Preisklasse angepasst: Essentials fehlen hier keine.
Foto: Andreas Stockinger

Das Lenkrad (schauen Sie einmal genau hin) ist in diesem Sinne kein Rad, sondern fast schon eckig, es gibt jedenfalls ideal den Blick auf die dahinterliegenden Armaturen frei. Die Anzeigen sind schnörkelfrei klar, da findet man sich rasch zurecht. Und irgendwie findet man dann auch seinen Radiosender und, noch viel wichtiger, die Reichweitenanzeige.

Das ist schließlich die Kernkompetenz bei den Elektroautos. Renault verspricht im Mégane in der stärkeren Variante, die 218 PS und einen 60-kWh-Akku aufbietet, 450 Kilometer, was sehr anständig wäre. Wir haben das jetzt nicht bis zur bitteren Neige ausgetestet, aber bei unbeschwertem Fahrstil erscheint uns die Hälfte ein realistischer Wert. Aber natürlich kann man das selbst sehr maßgeblich beeinflussen. Mit sportlich-aggressivem Fahrstil wird die Reichweite irgendwo bei 200 Kilometern liegen, bei bedachtem Fahrstil sind 300 Kilometer möglich. 450 Kilometer? Nur in der Theorie.

Und wie fährt er sich? Cool. Gute Beschleunigung, aber wir wollen ja den Saft sparen, also versuchen wir zu gleiten, das tut uns und der Umwelt gut, auch unserer Umgebung. Das Schöne an Elektroautos ist ja das, was man nicht hört: den Motor und den Lärm. Der Mégane ist zudem wirklich gut gedämmt, auch bei höherer Geschwindigkeit bleibt es angenehm leise, da entspannt das Gemüt gleich mit.

Jetzt ist der Mégane kein Sportwagen, will es auch nicht sein. Aber wenn es einmal wirklich pressiert, dann ist auch eine flottere Gangart möglich. Das Fahrwerk und die Lenkung sind in erster Linie auf Komfort ausgelegt, haben aber auch mit sportivem Zugang kein Problem. 7,8 Sekunden von null auf hundert sind ein passabler Wert, allerdings ist bei 160 km/h Schluss, also Aus die Maus. Und das ist gut so, weil in diese Verlegenheit sollten wir erst gar nicht kommen. Eine andere Verlegenheit kann allerdings passieren: Wer den Wagen auf Eco-Modus einstellt, um die Reichweite zu schonen, der kann die 100-km/h-Marke nicht passieren. Da fahren dann schon einmal auf der rechten Spur die Lastwägen auf. Das ist also Einstellungssache, auch sprichwörtlich.

Idealer Stadtwagen? Am Papier schaut der Mégane nach einem Bestseller aus.
Foto: Andreas Stockinger

Der Kofferraum ist okay, die Ladekante allerdings ziemlich hoch. Platz ist mit 440 Litern unter der Kofferraumabdeckung ausreichend vorhanden.

Wir ziehen ein grundsätzlich positives Fazit, der Elektro-Mégane wird seinen Platz unter den Kompakten behaupten, er sieht gut aus, ist (halbwegs) leistbar, praktisch, fährt sich anständig. Die Schwachstelle könnte die Reichweite sein, aber da tut sich ohnedies ständig etwas, nicht nur bei Renault. (Michael Völker, 3.12.2022)