Hohe Gaspreise, die bei vielen Haushalten allerdings noch nicht angekommen sind, haben zu einer Reduktion des Gasverbrauchs in Europa geführt, auch in Österreich. In den vergangenen Tagen und Wochen ist die Sparneigung allerdings gesunken.

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Die Gasspeicher in Österreich sind so gut gefüllt wie selten zuvor. Das sei aber kein Polster, auf dem man ausruhen könne, sagen Philipp Schmidt-Dengler und Johannes Schmidt von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Beide, der eine Ökonom und am Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Wien tätig, der andere am Institut für nachhaltige Wirtschaftsentwicklung der Universität für Bodenkultur (Boku), wiesen bei einer Gesprächsrunde am Montag in der Akademie auf die echte Nagelprobe hin, die noch kommen wird. Das sei das Ende der heurigen Heizsaison und die entscheidende Frage, wie viel Gas Ende März 2023 noch in den heimischen Speichern lagernd sein werde.

Seit vergangenem Samstag wird bei einem Füllstand von knapp 96 Prozent erstmals seit langem den Speichern im Schnitt wieder mehr Gas entnommen als zugeführt. Das hat mit der nun tatsächlich eingesetzten Heizsaison zu tun, die im Vergleich zu früheren Jahren heuer aufgrund der milden Witterung, aber auch wegen diverser Sparaufrufe um einige Wochen zeitverzögert begonnen hat.

Mit der eingespeicherten Gasmenge, die viel Geld gekostet hat und auch die um vier Milliarden Euro gekauften 20 Terawattsunden (TWh) an strategischer Gasreserve des Bundes umfasst, sollten Haushalte und Industrie ohne gröbere Einschränkungen durch den Winter kommen. Sollte Wladimir Putin den Gashahn allerdings ganz schließen, müsste wohl neu kalkuliert werden – bis hin zu möglichen Energielenkungsmaßnahmen.

56 Prozent eingelagertes Gas für Österreich

Denn nur rund 56 Prozent der gesamten Speichermengen sind tatsächlich für Speicherkunden in Österreich reserviert. Darin enthalten sind neben den 20 TWh strategische Gasreserve auch etwa zwölf TWh, die Landesenergieversorger für Endverbraucher vorrätig halten, plus knapp 19 TWh für andere österreichische Speicherkunden, wie die Regulierungsbehörde E-Control erst kürzlich erhoben hat.

Philipp Schmidt-Dengler (links) und Johannes Schmidt warnen vor einem bösen Erwachen nach der Heizperiode im Frühjahr, sollte den Speichern zu viel Gas entnommen worden sein.
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Rezente Daten zeigen nun, dass die Sparneigung anscheinend wieder zurückgeht, nachdem sie im September und Oktober noch deutlich besser war. Dabei seien zwei Faktoren zu berücksichtigen, wie Schmidt-Dengler und Schmidt anmerkten: einmal der witterungsbedingte Einfluss, der nicht von der Hand zu weisen sei; und andererseits tatsächlich sparsameres Verhalten. Für beides gibt es entsprechende Evidenz. In Europa wurden demnach seit Herbstbeginn zehn bis zwölf Prozent Gas eingespart, verglichen mit dem Durchschnitt der Jahre 2019 bis 2021. Witterungsbedingte Einflüsse wurden bei dieser Globalzahl nicht berücksichtigt.

Zehn bis 15 Prozent Einsparung

Analysen für Deutschland zeigten aber, dass dort witterungsbereinigt zwischen zehn und 20 Prozent der Gasmenge eingespart werden konnten. Übertragen auf Österreich zeige dieser Modellansatz Einsparungen zwischen zehn und 15 Prozent. Das Gros der Einsparungen sei in den Monaten September und Oktober erfolgt, sagte Schmidt. In den ersten Novemberwochen sei zwar auch noch ein witterungsbereinigter Minderverbrauch feststellbar, aber deutlich weniger – minus fünf Prozent. Das habe wohl damit zu tun, dass der Gaspreis sich mittlerweile von seinen Höchstständen entfernt hat und vor allem die Industrie, aber auch Kraftwerksbetreiber wieder mehr Gas eingesetzt haben, sagen die Wissenschafter.

Dass zwischenzeitlich mehr Gas verbraucht, eventuell sogar wieder Kohle im Kraftwerk Mellach in der Steiermark verbrannt wird, sehen beide Wissenschafter nicht gar so problematisch – wenn, ja, wenn das Emissionshandelssystem nicht aufgeweicht wird. Dieses hat zum Ziel, durch Bepreisung von klimaschädlichem CO2 und Verknappung von Emissionsberechtigungen den CO2-Ausstoß in den nächsten Jahrzehnten auf null zu reduzieren. Was jetzt temporär an zusätzlichem CO2-Ausstoß passiere, müsse eben in Zukunft stärker zurückgenommen werden. (Günther Strobl, 21.11.2022)