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Dieser Brauch sorgt garantiert für leuchtende Kinderaugen: Hinter der kleinen Tür an der Mauer wohnt ein Weihnachtswichtel.

Foto: Getty Images/FilippoBacci

Meine Kinder haben Glück: Ich liebe Weihnachten. Deswegen wird bei uns in der Adventzeit gebastelt, dekoriert, gebacken. Blöd nur, dass der ältere Sohn kein Interesse daran hat und der jüngere noch zu klein dafür ist. Stattdessen scheint sich im Kopf meines Fünfjährigen alles nur noch um Geschenke zu drehen. Kaum hatten die Supermärkte die Regale neben der Kasse mit Schokolebkuchen vollgestopft (es war erst Oktober), ging es los mit der Wünscherei. "Mama, ich bekomme heuer eh den Dinosaurier-Adventkalender? Und vom Christkind wünsche ich mir ein Spiderman-Lego." Nur einer seiner bisher 356 Wünsche. Meine Gedanken dazu: Ich möchte nicht, dass sich Weihnachten für die Kinder ausschließlich um Geschenke dreht. Mir fehlt der Zauber. Dieser Weihnachtszauber, den ich als Kind so geliebt habe. Wo ist der nur? Hat der Konsumwahn nun auch den Kleinen völlig den Kopf verdreht?

Nur was für Bobos

Eine Kollegin – auch zweifache Mama – machte mich neulich auf einen neuen Weihnachtstrend aufmerksam: eine Wichteltür. "Ich glaube, das ist das Liebste, das ich je gesehen habe", sagte sie. Na gut, ich recherchierte. Beim Anblick der Miniaturtüren auf Instagram empfand ich zuerst Ablehnung. Ich war mir sicher, dass dies der absolute Höhepunkt aller Bobo-Eltern in ihrer Weihnachtsblase sein musste. Doch dann beschäftigte ich mich näher mit dem aus Skandinavien stammenden Brauch und entschied: Wir sind auch Bobos, wir brauchen unbedingt so eine Wichteltür!

Was ist eine Wichteltür?

Was meine Recherchen ergeben haben: Im skandinavischen Raum spielen Wichtel zu Weihnachten bereits seit Jahrhunderten eine große Rolle. Viele kennen Wichtel oder Kobolde aus den berühmten Erzählungen von Hans Christian Andersen oder Astrid Lindgren. Der kleine Wichtel (Nisse) zieht im Advent in die Häuser ein und lebt hinter einer kleinen Tür (Nissedør). Man bekommt ihn leider nur selten zu Gesicht. Er wird erst richtig aktiv, wenn die Familie schläft oder das Haus verlassen hat. Manchmal hinterlässt er kleine Botschaften und Geschenke. Manchmal versteckt er sich auch zwischen den Spielzeugen oder zwischen den Kissen. Hin und wieder spielt der Wichtel der Familie Streiche. Dann bringt er im Zimmer alles durcheinander, versteckt den Autoschlüssel oder legt den Kindern Mandarinen in die Schuhe.

Wie der kleine Wichtel aussieht, wissen wir alle nicht genau. Vermutlich hat er einen weißen Bart und eine rote Zipfelmütze. Jedenfalls ist er ein fleißiger Zeitgenosse. Er hilft dem Weihnachtsmann beim Vorbereiten und Verteilen der Geschenke und möchte im Gegenzug mit Milchreis versorgt werden, den man ihm abends in einer kleinen Schale vor die Tür stellt.

Neuer Weihnachtstrend

Ich tippe den Hashtag #Wichteltür ins Suchfeld auf Instagram, und prompt werden mir über 80.000 Bilder ausgespuckt. Meine Recherche führt mich weiter in diverse Facebook-Gruppen, in denen sich tausende Eltern über Bastelanleitungen und Wichtelgeschichten austauschen. Es ist offiziell: Ich lebe hinter dem Mond. Nissedør ist offiziell ein Trend.

Wer eine Wichteltür daheim haben will, findet aber auch auf Pinterest jede Menge Inspiration. Die Türen kann man entweder selbst basteln – dafür gibt es im Netz zig Anleitungen – oder ganz einfach kaufen. Wie einfach es ist, sie zu kaufen, hat mich gewundert. Nicht nur in unzähligen Online-Shops, es gibt sie etwa bei Ikea, Thalia oder Pagro. Einige habe ich schon in lokalen Spielwarengeschäfte gesehen.

Der Wichtel schreibt Briefe

Meist zieht der Wichtel am 1. Dezember ein. Vor seiner Tür liegt dann ein Brief, den er an die Kinder oder alle Bewohner des Hauses geschrieben hat. Wichtig ist natürlich, dass man den Kindern bereits am Tag eins erklärt, dass man die Tür nie öffnen darf, sonst zieht der Wichtel wieder aus. Im Laufe der Adventzeit können immer wieder Briefe vom Wichtel kommen, in denen er den Kindern eine Aufgabe gibt, um Milchbrei bittet, erzählt, was er nachts so erlebt hat. Im Internet gibt es dazu viele Ideen. Hier meine zehn Favoriten:

  1. Der Wichtel will, dass die Kinder mehr über seinesgleichen erfahren. Deshalb hat er ein Buch über Wichtel (oder eine ausgedruckte Geschichte) im Kinderzimmer versteckt, das ihnen abends vorgelesen werden kann.
  2. Der Wichtel hat den Frühstücksbroten der Kinder mit Keksausstechern Weihnachtsformen verpasst.
  3. Wichtel lieben Winterfrüchte. Er bittet die Kinder, sich zu überlegen, welche es gibt. Weil er am allerliebsten Äpfel mag, sollen sie ihm einen malen. Am nächsten Morgen liegt an der Stelle des Bildes ein echter Apfel.
  4. Der Wichtel hat über Nacht das Spielzeug der Kinder versteckt. Sie müssen es suchen! Zur Wiedergutmachung hat er einen kleinen Schokoladen-Nikolaus daran gebunden.
  5. Er hat nachts gebacken. Für die Kinder hat er ebenfalls Keksteig vorbereitet, damit sie backen können.
  6. Der Wichtel ist leider verkühlt und braucht Taschentücher. Die Kinder sollen ihm kleine Taschentücher-Stücke abreißen und zerknüllt vor seine Tür legen. Am nächsten Morgen sind sie natürlich weg.
  7. Er hat Bastelsachen für Weihnachtssterne für euch besorgt, die ihr anschließend aufhängen könnt.
  8. Der Wichtel hat nachts Mandarinen genascht. Die Schalen liegen noch vor seiner Tür. Eine Mandarine hat er den Kindern in die Schuhe gelegt.
  9. Der Wichtel stolpert im Kinderzimmer immer über die Spielsachen. Er bittet die Kinder aufzuräumen. Zum Dank hängt er für die Kids eine Socke auf, die er mit Nüssen, Obst und Naschsachen füllt.
  10. Damit der Wichtel die Weihnachtswünsche der Kinder weitergeben kann, sollen sie Wunschzettel schreiben. Er hat alles Notwendige dafür vor seine Tür gelegt.

Wichteltür statt Adventkalender

Vor allem kleinen Kindern fällt es schwer, beim Adventkalender nicht gleich alle 24 Türchen auf einmal zu öffnen. Die Wichteltür ist deswegen die perfekte Alternative, und Eltern können sich Tag für Tag im Advent eine neue Überraschung überlegen. Im Internet findet man viele kostenlose Mitmachkalender für die Wichteltür zum Download.

Die Kollegin hatte recht: Wahrscheinlich ist Nissedør der liebste Brauch, den wir jemals gesehen haben. Und vielleicht ist es genau das, was wir jetzt brauchen: eine Geschichte, die unsere Kinder und uns selbst in eine heile Welt entführt. Ein Mitbewohner, der den Zauber von Weihnachten in unsere Wohnungen bringt. (Nadja Kupsa, 23.11.2022)