Beziehungsexpertin Natascha Ditha Berger schreibt im Gastblog über die verschiedenen Arten, sich der anderen Person mitzuteilen – und welche uns und der Beziehung am meisten helfen.

Indirekte Kommunikation bedeutet, eben nicht direkt zu sagen, worum es geht, sondern davon auszugehen, dass die andere Person zwischen den Zeilen liest und sich entsprechend dem, was wir eigentlich wollen, verhält. Oft ist uns dies gar nicht bewusst, weil für uns auch so klar ist, was wir damit meinen. Nur ist es unserem Gegenüber eben oft nicht so klar. Also könnte ein indirektes "Schatz, ich vermiss dich" direkt kommuniziert bedeuten "Ich will dich heute Abend sehen".

Je länger man sich kennt, umso eher "weiß man dann schon", was das Gegenüber einem wirklich sagen will. Und natürlich spielen auch die Vorerfahrungen unseres Lebens eine Rolle bei der Frage, wie wir kommunizieren und interpretieren, was uns unser Gegenüber sagen möchte.

Eine Nachricht am Handy ist schnell getippt – doch ist der anderen Person immer klar, wie sie gemeint ist?
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Da die indirekte Kommunikation in unserer Gesellschaft gang und gäbe ist, haben wir uns alle auch Interpretationskompetenzen angeeignet. So interpretiert ein Gegenüber ein "Schatz, ich vermisse dich" eventuell als "Ich freue mich, dass wir uns kommendes Wochenende wiedersehen" – und eben nicht den Appell, dass ein früheres Wiedersehen gewünscht wäre.

Klingt alles superkompliziert und liest sich auch so? Eben. Finde ich auch. Warum nicht gleich direkt?

Sagen, was man möchte

Als Psychotherapeutin bin ich ein Fan von direkter Kommunikation. Zu sagen, was man möchte, und eventuell noch dazu, warum, macht auf lange Sicht vieles einfacher. Das Potenzial für Missverständnisse wird geringer. Oft war ich in meiner Praxis auch schon Zeugin von Missverständnissen, wo eine Seite eine direkte Botschaft sagt und das Gegenüber noch weitere zusätzliche Botschaften hineininterpretiert.

Ja klar, wir sind das so gewöhnt. Daher: Gewöhnen wir uns doch bitte einfach um. "Schatz, ich vermisse dich" darf auch einfach nur eine Botschaft sein.

Gerade Textnachrichten eignen sich hervorragend, zwischendurch kleine Aufmerksamkeiten zu senden. Die Botschaft ist: "Ich denke an dich und will gerne mit dir interagieren." Unsere Aufforderungen zur Interaktion können unterschiedlichst formuliert sein und dennoch keinen Appell darstellen – oder einfach den Appell "Bitte schreib mir auch etwas, denn ich bin so gerne in aktivem Austausch mit dir". Ein Appell ist nach Friedemann Schulz von Thun eine Aufforderung an uns, etwas zu tun.

Ob in einer Gesellschaft indirekte und direkte Kommunikation vorherrschend ist, bestimmen soziale Faktoren. Dort, wo Unterdrückung herrscht, ist es besonders wichtig, indirekt zu kommunizieren: Der Sinn des Gesagten ist kodiert, die Kodierung bietet Schutz.

Sich so zeigen, wie man ist

Direkte Kommunikation fördert die Eigenverantwortung aller Beteiligten. Dort, wo wir uns sicher fühlen, fällt es uns leichter, direkt zu kommunizieren. Mit direkter Kommunikation werden wir sichtbarer mit unserem Sein und unseren Bedürfnissen. Eine Zurückweisung schmerzt mehr, denn wir können uns weniger gut hinter einer Fehlinterpretation oder einem Missverständnis verstecken.

Dafür sind die Chancen, dass wir verstanden werden und dass wir das bekommen, was wir wirklich wollen, um einiges höher. Alles im Leben hat mindestens zwei Seiten. Daher bin ich auch ein Fan von Polarisieren. Sich so zu zeigen, wie man ist, birgt das Risiko von Zurückweisungen durch diejenigen, die abgestoßen werden, dafür zieht man diejenigen an, die wirklich zu einem passen.

Menschen sind Gewohnheitstiere, und Wiederholung wirkt. Klar und auf den Punkt gebracht zu sagen, worum es einem geht, muss auch geübt werden. Beim Senden der Botschaft genauso wie beim Empfangen einer Botschaft. Übung macht die Meisterin.

Direkte Kommunikation fordert uns konstruktiv

In meiner psychotherapeutischen Praxis habe ich oft erlebt, dass die Beziehungsqualität durch mehr direkte Kommunikation drastisch verbessert wurde. Das Gegenüber kennt sich aus, was Sache ist. Man selbst wird dabei auch gefordert, denn wir wissen auch oft genug nicht, was oder warum sich gerade in uns abspielt, was sich eben abspielt.

Reflexion hilft uns, uns selbst besser zu verstehen. Je klarer wir für uns sind, umso klarer können wir kommunizieren und umso klarer kann uns unser Gegenüber verstehen.

So wie wir in Österreich leben, bin ich dafür, direkte Kommunikation zu fördern. Unsere Gesellschaft kann es sich leisten, und persönlich erhöht sich dadurch die Chance, dass wir bekommen, was wir wirklich wollen.

Ihre Fragen?

In diesem Sinne: Schreiben Sie im Forum, wenn Sie etwas zu einem speziellen Beziehungsthema wissen wollen. Eine Auswahl an Fragen aus der STANDARD-Community wird in einem der nächsten Beiträge beantwortet werden. (Natascha Ditha Berger, 25.11.2022)