Das Jahr 2020 fesselte stundenlang eine Gruppe von Menschen vor den Bildschirm, die sonst nicht zwingend als Hardcore-Gamer gelten: Hobbypiloten – und solche, die es gerne wären. Denn in diesem Jahr wurde die neue Version des "Microsoft Flight Simulator" für den PC veröffentlicht, ein Jahr später folgte – erstmalig in der Geschichte des Franchises – eine Konsolenversion für Xbox Series X/S.

Während die jüngste Version, auch dank Mithilfe aus Österreich, mit nahezu realistischer Grafik und einer Kartografierung des gesamten Planeten punktet, feiert die Serie insgesamt nun ihren 40. Geburtstag: Die erste Version wurde im November 1982 präsentiert. Damit ist der Flugsimulator bis dato die am längsten laufende Produktlinie von Microsoft – die erste Version von Windows kam erst drei Jahre später auf den Markt – und eine der am längsten laufenden PC-Videospielserien aller Zeiten.

Apple vs. Microsoft

Hinter der ersten Version des "Flight Simulator" steckt ein amerikanischer Developer namens Bruce Artwick. Er verfasste im Jahr 1976 in einem Magazin eine Reihe von Artikeln über dreidimensionale Computergrafik und entschloss sich daraufhin, eigene Programme in diesem Kontext zu entwickeln. So gründete er 1977 sein Unternehmen namens Sublogic Corporation, das Flugsimulatoren entwickelte – unter anderem für den Apple II.

Artwick wurde daraufhin im Jahr 1981 vom Microsoft-Manager Alan M. Boyd kontaktiert. Die Aufgabe: ein Spiel zu entwickeln, das den Unterschied zwischen 8-Bit-Computern wie dem Apple II und 16-Bit-Computern wie dem noch in Entwicklung befindlichen IBM-PC aufzeigen sollte.

"Flight Simulator 1.0" hebt ab

Das Ergebnis war der "Flight Simulator 1.0", der im November 1982 erschien. Hier war es möglich, in einer Cessna 182 durch insgesamt vier Regionen der USA zu fliegen: Chicago, Los Angeles, New York City und Seattle. Standardmäßig startete man am Flughafen Meigs Field in Chicago, was auch in späteren Versionen des Spiels beibehalten wurde, bevor der reale Flughafen im März 2003 zusperrte. Auch im "Flight Simulator 1.0" gab es außerdem schon einen Modus für Luftkämpfe namens "Europe 1917", in welchem man sich Gefechte mit dem Roten Baron lieferte.

Ultimate History of Video Games

Das Computerspiel wurde in den darauffolgenden Jahren unter anderem inoffiziell verwendet, um die Kompatibilität von PCs mit dem IBM-System zu prüfen. In den ersten fünf Jahren wurden 800.000 Exemplare des "Flight Simulator" verkauft, insgesamt verkauften sich Microsofts Flugsimulatoren bis 1999 – also noch vor der Veröffentlichung der jüngsten Version – 21 Millionen Mal.

Die Fachpresse ist begeistert

Auch die Fachpresse war zur Veröffentlichung des ursprünglichen Spiels vor 40 Jahren hellauf begeistert. So hieß es etwa in einem Artikel von "Electronic Fun with Computers & Games": "Microsofts Flight Simulator verwandelt Ihren PC in eine Cessna. Der Thrill des Fliegens wird real."

Über das Internet Archive verfügbar ist auch nach wie vor ein Artikel von Jänner 1983 verfügbar, in welchem der Autor auf vier Seiten in extrem blumiger Sprache seine ersten Erfahrungen mit der Software beschreibt: "Wenn sich das Flugzeug in Bewegung setzt, sind die Animationen fantastisch", heißt es dort. Die Flugzeugsimulation sei realistisch, die Grafik herausragend.

Zugleich erwähnt er, dass das Spiel nicht gerade einfach zu bedienen sei, nicht umsonst werde ein hundert Seiten umfassendes Handbuch beigelegt. Auch wird etwas bemängelt, was aus heutiger Sicht selbstverständlich erscheint: dass die Cursortaste nach unten gedrückt werden muss, um das Flugzeug nach oben zu steuern.

Weiterentwicklungen und ein Aus für Artwick

Auf den ersten "Flight Simulator" folgten zahlreiche weitere Versionen, in denen konstant an Grafik und Gameplay gefeilt wurde, wie unter anderem das nachstehende Video zeigt. So ist sichtbar, wie die Gebäude in den verschiedenen Versionen schrittweise Texturen bekommen und das Landschaftsbild zunehmend realistischer wirkt.

Cussan

Eine Zäsur gab es schließlich nach der Entwicklung des "Flight Simulator X". Dieser wurde 2006 veröffentlicht und gilt als der letzte, der von Microsofts Aces Game Studio entwickelt wurde – jenem Studio, das aus Bruce Artwicks Projekt hervorgegangen war.

Im Rahmen von Jobkürzungen bei Microsoft wurde Aces Game Studio am 22. Jänner 2009 geschlossen, die Zukunft des Franchises schien seitdem eher ungewiss. So wagte sich Microsoft etwa 2012 an einen unglücklichen Versuch namens "Microsoft Flight": Nach einem "Pay-to-Play"-Konzept gab es hier nur einen Flughafen und ein Flugzeug, den Rest mussten Spieler sich als DLCs dazu kaufen. Das Spiel wurde im Februar 2012 vorgestellt, im Juli des gleichen Jahres wurde die Weiterentwicklung schon wieder eingestellt.

Comeback mit Hilfe aus Graz

Im Juni 2019 kündigte Microsoft auf der Gamingmesse E3 schließlich an, das Franchise wieder aus der Asche zu heben: Das Spiel mit dem simplen Namen "Microsoft Flight Simulator" sollte Microsofts erster eigener Flugsimulator seit 2012 sein, als Lead-Developer fungierte Asobo Studio.

Unter anderem punktet die neueste Version des Spiels durch eine Grafik, die an vielen Stellen nah an Fotorealismus heranreicht. Zudem können Gamer im aktuellen "Flight Simulator" selbst in den letzten Winkel unseres Planeten fliegen. Möglich ist dies unter anderem durch eine Technologie des Grazer KI-Unternehmens Blackshark.ai.

Microsoft Flight Simulator

Hier wurde aus Satellitendaten ein digitaler Zwilling der Welt erschaffen. Dazu wurden die in 2D verfügbaren Bilder mithilfe künstlicher Intelligenz klassifiziert und in dreidimensionale Modelle verwandelt. Aspekte wie die Gebäudegröße gehen aus den Satellitenbildern hervor, andere Elemente – wie etwa die Fassaden der Gebäude – werden auf Basis des geografischen Kontextes von der KI hinzugefügt.

Das ist schon beeindruckend, aber freilich nicht perfekt. Daher warf Microsoft in den vergangenen Jahren immer wieder Updates auf den Markt, in welchen Sehenswürdigkeiten bestimmter Regionen gezielt nachmodelliert wurden – darunter auch diverse Landmarks in Österreich. Zunächst ächzten die Fans unter den daraus bedingten enormen Downloadmengen, doch auch dieses Problem wurde mittlerweile behoben: Der Flight Simulator lässt sich innerhalb weniger Sekunden aus der Cloud streamen.

Wie Phoenix aus der Asche

Das positive Feedback blieb nicht aus. So listet die Plattform Metacritic, dass Kritiker der PC-Version des Spiels im Schnitt 91 von 100 möglichen Punkten gaben, die Konsolenversion kommt auf 90 von 100 möglichen Punkten. Gelobt wurde hier vor allem die Grafik, manche Kritiker bemängeln jedoch bei der Konsolenversion, dass es irritierend sei, einen Airbus mit einem Xbox-Controller zu steuern.

Microsoft wird indes nicht müde, das Projekt konstant weiterzuentwickeln. Ergänzend zu den erwähnten geografischen Updates ist es somit möglich, zusätzliche digitale Flugzeuge – kostenpflichtig oder gratis – herunterzuladen und anschließend zu fliegen. Und zum Release des jüngsten "Top Gun"-Films integrierte man weitere Elemente in das Spiel, die inhaltlich zum Blockbuster passten. Übrigens: Der erste "Top Gun"-Film erschien erst 1986 – und somit knapp vier Jahr nach dem ersten "Flight Simulator". (Stefan Mey, 21.11.2022)