Apple, Google, Amazon und Co werden immer mehr zu "gewöhnlichen" Firmen.

(Dieses Symbolbild wurde mithilfe der Bilder-KI Stable Diffusion und dem Prompt "an open-plan office with no people in the evening, inside view" generiert.)

Foto: DER STANDARD/Pichler/Stable Diffusion

Über 11.000 Mitarbeiter müssen bei Facebook gehen. Bei Twitter kündigte Elon Musk etwa 3.700 Angestellte sowie rund 5.000 Leiharbeiter. Außerdem sollen zahlreiche Entwickler sich infolge eines Ultimatums kürzlich für einen Abschied vom Unternehmen entschieden haben, während in Europa ein Arbeitskampf ins Haus steht. Das sind aber nicht die einzigen Konzerne, die eifrig Stellen abbauen. Amazon wird über 10.000 Mitarbeiter vor die Tür setzen. Der Bezahldienst Stripe, der Entertainment-Streaming-Anbieter Netflix und das von der Kryptokrise gebeutelte Coinbase und eine Reihe anderer Tech-Firmen "verschlanken" sich ebenfalls.

Doch es gehe dabei nicht nur um Kostenreduktion, sagt Peter Kafka gegenüber dem Tech-Portal Vox. Der für Recode schreibende Journalist und Branchenkenner erkennt einen beginnenden "Kultur-Reset".

Die "dicken Jahre" sind vorbei

Auch dieser Wandel hat natürlich mit Geld zu tun. Kafka argumentiert im Prinzip damit, dass die "dicken Jahre" im IT-Business fürs Erste einmal vorbei sind. Eine volatilere Welt- und Wirtschaftslage, aber auch zunehmendes Interesse von Investoren, Ertrag aus ihrem Kapital zu ziehen, lassen die Führungsetagen umdenken.

Als eine Art Vorbild für die Entwicklung über die Jahre nennt er Google. Lange lockte der Konzern hochqualifiziertes Personal aus aller Welt mit großzügiger Bezahlung, Gratis-Essen, Fitnessstudio, Shuttleservice und anderen Annehmlichkeiten. Mittlerweile drückt man hier auf die Bremse. Immer noch gibt es dort gute "Perks", allerdings bekommen sie nur noch Mitarbeiter, die schon eine Weile beim Konzern sind. Bei manchen Annehmlichkeiten ist man zudem sparsamer geworden und gewöhnt die Belegschaft an Arbeitsbedingungen, die näher an jenen für "Durchschnittsamerikaner" liegen.

Weniger Wechselmöglichkeiten

Kafkas Beobachtung nach lässt das so manche Angestellte durchaus emotional werden. Viele von ihnen kennen die Branche nur in ihrer Zeit des fast permanenten Booms nach dem Dotcom-Crash der Jahrtausendwende und vermissen die aus ihrer Sicht "alten Zeiten" .

Erschwerend kommt hinzu, dass auch die Alternativen weniger geworden sind. Es ist nicht mehr so einfach, zu lukrativen Bedingungen bei einem Start-up anzuheuern, wenn es einem beim Großkonzern nicht mehr gefällt – um mit ein bisschen Glück dann von einem solchen aufgekauft werden. Auch der Umstand, dass gut qualifiziertes Personal auf einmal kaum andere Optionen hat, als am aktuellen Job festzuhalten, ist Teil des "Kultur-Resets".

Manager statt Visionäre

Es ist aber nicht nur die Weltlage, die zu diesem Umbruch geführt hat. Viele der bekannten IT-Multis sind Jahrzehnte alt. Das iPhone gibt es seit 15 Jahren, Googles Werbegeschäft existiert seit über 20. Auch wenn Google, Apple, Facebook und Co ihre Aktivitäten weit über ihr ursprüngliches Kerngeschäft ausgebreitet haben, können sie nicht mehr die rasanten Zuwächse erzielen, wie noch vor einigen Jahren. Sie müssen sich auf ein gemächlicheres Wachstum kalibrieren. Andere, wie Netflix, versuchen sich nach der Sättigung ihres wichtigsten Marktes, an anderen potenziellen Standbeinen.

Viele der alten Gründer sind auch nicht mehr an Bord. Jeff Bezos widmet sich der Raumfahrt, Bill Gates medizinischer Forschung, Steve Jobs erlag einem Krebsleiden. Ihre aktuellen Nachfolger fallen laut Kafka viel stärker in die Kategorie "Manager". Mark Zuckerberg gehört mittlerweile zu den wenigen Ausnahmen, die noch an der Spitze der von ihnen gegründeten Konzerne stehen.

"Kreative Zerstörung" vor dem neuen Boom?

Dass Tech-Firmen immer mehr zu "normalen" Großunternehmen werden, birgt aber auch Risiken. Für viele qualifizierte Leute sind gerade Unternehmen in großen Wachstumsphasen interessant, weil sie nicht nur bessere Bedingungen, sondern auch mehr berufliche Möglichkeiten bieten, also "spannender" sind. Talente, die vor einiger Zeit noch mit Handkuss zu Google, Apple, Amazon oder Meta gegangen wären, suchen sich nun wohl eher andere Herausforderungen in oder abseits von Silicon Valley und den USA.

Der aktuelle Prozess mit den Massenentlassungen könnte laut Kafka aber auch der Beginn jener "kreativen Zerstörung" sein, die Teil des Mythos des Silicon Valley ist. "Alte Dinge werden abgerissen, und neue, coole Sachen werden an ihrer statt gebaut", so der Tech-Experte. Jene, die in den vergangenen Jahren gutes Geld in der Branche verdient haben, werden jetzt ihre Chance sehen, sich an neuen Ideen auszuprobieren, statt bei "Big Tech" zu arbeiten. (gpi, 22.11.2022)