Der Fonds könnte Länder wie Pakistan, die verstärkt unter Überschwemmungen und Hitzewellen leiden, entschädigen.

Foto: AP / Fareed Khan

Die UN-Klimakonferenz COP 27 in Sharm el-Sheikh endete am frühen Sonntagmorgen mit gemischten Gefühlen. Das Abschlussdokument, über das Vertreterinnen und Vertreter der Staaten am Wochenende stundenlang verhandelt hatten, ließ viele Teilnehmer enttäuscht, andere optimistisch zurück.

Enttäuschung herrscht vor allem, weil der Abschlusstext keinen verbindlichen Pfad für die Staaten enthält, ihre nationalen Beiträge zum Klimaschutz zu verstärken. Zudem blieb auch der Ausstieg aus fossilen Energien wässrig. Statt Erdöl und Erdgas zu adressieren, wiederholte der Text nur, worauf sich die Staaten schon vor einem Jahr in Glasgow geeinigt hatten: die Nutzung von Kohle "herunterfahren", "ineffiziente" Subventionen für fossile Brennstoffe stoppen. Für den globalen Klimaschutz hat die Konferenz aus Sicht vieler Delegierter, Aktivistinnen und Fachleute daher nur wenig gebracht.

Ein Durchbruch sorgte am Wochenende aber trotzdem für Jubel: Nach zähen Verhandlungen einigten sich die Staaten auf einen Entschädigungsfonds, der "besonders vulnerable Staaten" für Schäden und Verluste entschädigt, die die Erderhitzung schon heute verursacht – etwa durch Stürme, Überschwemmungen oder Dürren. Vulnerable Länder im Globalen Süden fordern einen solchen Fonds schon seit knapp 30 Jahren. Seine Einrichtung blieb aber stets ein Streitthema bei den Konferenzen.

Geldtopf soll 2023 stehen

Mit dem Fonds wurde eine "wichtige Lücke geschlossen", sagt Reinhard Mechler, Forscher am International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) am Montag im Rahmen einer Pressekonferenz. Schon bis zur nächsten Klimakonferenz, die 2023 in Dubai stattfinden soll, soll der Geldtopf stehen – ein straffer Zeitplan. "Im kommenden Jahr werden die Expertinnen und Experten aus dem Komitee hart arbeiten müssen", sagt Mechler. Noch bleiben viele Fragen offen, etwa: Welche Länder sind "besonders" betroffen? Welche sollen Unterstützung bekommen? Was sind überhaupt die genauen Bedürfnisse dieser Länder? Wie schnell kann das Geld ausgezahlt werden?

Eine Kernfrage, die noch beantwortet werden muss, ist laut Mechler auch die Finanzierung des Fonds. Wer in den Fonds einzahlen soll, wird auch nach der Konferenz ein Streitpunkt bleiben. Fraglich sei, ob neben den großen Industriestaaten auch entwicklungsstarke Staaten wie China, Indien und Saudi-Arabien in den Fonds einzahlen müssen. Vor allem die EU und die USA drängten bei der Konferenz darauf, dass etwa China künftig Geld in den Fonds einzahlt – schließlich gehört das Land zu den größten Emittenten, sagt Mechler.

Auch innovative Finanzierungsinstrumente würden notwendig sein und würden auch schon diskutiert – etwa ein Schuldenerlass für Entwicklungsländer nach Katastrophen, eine globale CO2-Steuer und eine Flugverkehrsabgabe. Zudem werde gefordert, dass sich führende Banken noch stärker zum Klimaschutz, aber auch zur Klimanothilfe bekennen sollen.

Expertin: 1,5-Grad-Ziel schafft Druck

Fachleute sehen den Fonds aber nicht nur als Erfolg. "Verluste sind nicht nur materielle Verluste, sondern auch Verluste von Menschenleben. Die lassen sich nicht mit Geld wiedergutmachen", sagt Renate Christ, langjährige Leiterin des Sekretariats des Weltklimarats (IPCC), bei einer Pressekonferenz. Staaten müssten sich deshalb anstrengen, ihre Emissionen so zu reduzieren, um das 1,5-Grad-Ziel von Paris noch zu erreichen. Doch gerade dieses Ziel halten viele für unrealistisch.

"Das 1,5-Grad-Ziel ist wieder einmal nur auf dem Papier verteidigt und ‚gerettet‘ worden", sagt etwa Oliver Green vom Deutschen Institut für Internationale Politik und Sicherheit in Berlin. "Da die globalen Emissionen immer noch nicht sinken, wird sich ein Überschreiten der 1,5-Grad-Marke kaum noch vermeiden lassen." Derzeit rechnet der Weltklimarat IPCC damit, dass diese Schwelle in den 2030er-Jahren überschritten wird.

Auch Christ betont, dass massive Anstrengungen notwendig sind, um das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen. "Mit jedem Jahr wird es schwieriger und unrealistischer", sagt sie. Trotzdem sei es wichtig gewesen, das 1,5-Grad-Ziel zu erhalten. Sich stattdessen auf zwei Grad zu konzentrieren – wie von manchen Ländern gefordert – reduziere den Handlungsdruck und verhindere wirksame und schnelle Maßnahmen beim Klimaschutz. Ob diese schnell kommen, bleibt fraglich. Bis zur nächsten Konferenz sollen die Staaten nun ihre Klimaschutzpläne nachbessern. Bis Dubai zur COP 28 lädt, haben sie viel zu tun. (Florian Koch, Lisa Breit, 22.11.22)