Klaus Mäkelä: Die Begeisterung hielt sich kaum im Zaum.

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So viel Spaß kann Aufmüpfigkeit machen – aber nur, wenn der Widerpart keine Bedrohung mehr darstellt: Als Dmitri Schostakowitsch sein erstes Cellokonzert schrieb, war sein Widersacher Josef Stalin schon seit sechs Jahren tot. Das Stück lässt sich als Teil einer Abrechnung mit dem Regime verstehen – bitterböse führt es fratzenartige Karikaturen vor, Auflehnung, Klagen und Jubeln.

Das Soloinstrument hat es nicht gerade leicht, gegenüber dem Orchester immer präsent zu sein. Auch das wirkt als Teil einer Auseinandersetzung, die im Wiener Konzerthaus beide Partner gewannen: die grandiose, wie mit dem Instrument verschmolzene Solistin Sol Gabetta mit ihrem intensiven, mal innig singenden, mal schreibenden Ton und mit fulminanter, aberwitziger Virtuosität; und das Oslo Philharmonic unter Leitung von Klaus Mäkelä.

Pathetische Qualität

In Igor Strawinskis leichtgewichtigem Divertimento Le baiser de la fée ließen sich die Qualitäten von Dirigent noch nicht zur Gänze erfassen, wohl aber bei Tschaikowskys sechster Symphonie ("Pathétique"). Kitschig und oberflächlich? So ist das Stück wirklich nicht, zumal in solch einer akkuraten und zugleich schwungvollen Lesart, bei der das Orchester weit mehr bot als sehr gediegene Klangkultur.

Neben dem erschütternden, traurigen Gesang, der auch hier den tragischen Kampf eines Individuums ahnen ließ, pulsierte das Stück mitunter so sehr, dass es fast abzuheben schien. Nach dem atemberaubend zugespitzten dritten Satz hielt sich die Begeisterung im Saal kaum mehr im Zaum.

Die Zugabe von Cellistin Sol Gabetta war übrigens der zart-schwebende zweite Satz Nana aus Manuel de Fallas Suite populaire espagnole, begleitet vom Orchestermitglied Gonzalo Moreno de Andres von Oslo Philharmonic Orchestra an der Celesta: ein Traum von einer besseren Welt – und dies ganz ohne Kampf und Aufbegehren.

(Daniel Ender, 22.11.2022)