Er war zwar nicht der größte Raubsaurier aller Zeiten, posthum brachte es Tyrannosaurus rex dennoch zum wohl berühmtesten Vertreter der Dinos. Das liegt auch daran, dass gut erhaltene Fossilien anderer riesiger Prädatoren wie Spinosaurus und Giganotosaurus erst deutlich später und deutlich seltener entdeckt wurden. Deshalb darf es auch nicht überraschen, dass T. rex gemeinhin nicht nur als kreidezeitlicher König gilt, sondern auch die Auktionshäuser des Anthropozäns dominiert: Regelmäßig erzielen Tyrannosaurus-Skelette Rekordpreise, zuletzt brachte die Versteigerung des berühmten T-rex-Fossils "Stan" durch das Auktionshaus Christie's in New York rund 31 Millionen Euro.

"Shen" hätte der Star einer Auktion Ende November werden sollen. Stattdessen dürfte das Gerippe in einem Museum landen – wo es nach Ansicht von Fachleuten auch besser aufgehoben wäre.
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Für Ende November hätte zahlungskräftige Kundschaft bei Christie's abermals die Gelegenheit bekommen sollen, ein gut erhaltenes Gerippe zu ergattern: Das rund 1.400 Kilogramm schwere T-rex-Fossil "Shen" hätte mit einem Schätzwert von bis zu 25 Millionen Euro in Hongkong unter den Hammer kommen sollen. Nun hat Christie's die erste T-rex-Versteigerung in Asien gestoppt – ohne genaue Angaben zu den Gründen: "Nach Rücksprache mit dem Verkäufer des Tyrannosaurus rex, der am 30. November in Hongkong hätte versteigert werden sollen, hat Christie's beschlossen, das Angebot zurückzuziehen. Der Besitzer hat beschlossen, das Exemplar einem Museum zur öffentlichen Ausstellung zu überlassen", hieß es in einem Statement des Auktionshauses.

Intransparente Replikate

Auf Nachfrage zum Grund für die Entscheidung hieß es, Christie's sei der Ansicht, das Exemplar würde "von weiteren Untersuchungen profitieren". Zuvor hatte das Auktionshaus damit geworben, dass es sich bei dem Fossil um "ein Exemplar von Weltklasse" handle, das "Museumsstandards" erfülle. Die Identität des Besitzers wurde nicht preisgegeben.

Ganz überraschend kommt der Rückzieher nicht. In den vergangenen Monaten wurden Stimmen laut, die auf verblüffende Detailähnlichkeiten zwischen dem 2020 versteigerten Rekord-Fossil "Stan" und dem nun angebotenen Exemplar hinwiesen: Pete Larson, Paläontologe und Präsident des Black Hills Institute of Geological Research in South Dakota, äußerte den Verdacht, dass fehlende Knochen des "Shen"-Skeletts mit Abgüssen von "Stan" ergänzt wurden. So weise etwa "Shen" Löcher im linken Unterkiefer, auf die laut Larson einzigartig für "Stan" waren, sagte Larson zur "New York Times".

Was an "Shen" ist Original, was Nachbildung?
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Abgüsse von Stan

Das Black Hills Institute hält die geistigen Eigentumsrechte an Stan und verkauft Polyurethan-Abgüsse des berühmten Skeletts für rund 115.000 Euro pro Stück. Larsons Verdacht: Die Besitzer des "Shen"-Skeletts dürften einen solchen Abguss erworben und mit dessen Hilfe fehlende Teile ergänzt haben. "Sie benutzen Stan, um einen Dinosaurier zu verkaufen, der nicht Stan ist. Das ist sehr irreführend", sagte Larson.

Natürlich besteht auch "Stan" nicht ausschließlich aus Originalknochen – der Fund eines vollständig erhaltenen Dinosaurierskeletts ist extrem unwahrscheinlich. "Stan", dessen Überreste 1987 im US-Staat South Dakota entdeckt worden waren, ist aber eines der vollständigsten bekannten Exemplare.

Die Versteigerung von "Stan" brachte 2020 rund 31 Millionen Euro.
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Kritik an Auktionen

Larson kritisierte den intransparenten Umgang mit den Nachbildungen bei "Shen" und die ungenauen Angaben über Anteil und Herkunft künstlicher Fragmente. Tatsächlich hatte Christie's laut "New York Times" erst auf Nachfrage des Black Hills Institute im Auktionskatalog ergänzt, dass Replikate von "Stan"-Knochen verwendet wurden und auch sämtliche Zähne von "Shen" Nachbildungen sind.

Fachleute sehen die in den vergangenen Jahren boomende Versteigerung von wissenschaftlich wertvollen Skeletten kritisch. Dass "Shen" nun öffentlich ausgestellt werden soll, anstatt im Privateigentum von Sammlern womöglich für immer von der Bildfläche zu verschwinden, ist so gesehen ein Happy End – egal, wie groß der Anteil an Originalknochen genau ist. (David Rennert, 22.11.2022)