Mark Zuckerberg neben dem Schloss, mit dem er mich aus Facebook ausgesperrt hat.

Foto: AFP/Josh Edelson

Dass der Meta-Konzern sich immer weniger um sein eigentliches Hauptprodukt Facebook kümmert, liegt auf der Hand. Meine Generation, die der späten Millennials, hängt wohl als eine der letzten noch zumindest ein bisschen an dem blauen Riesen. Facebook war für die meisten zwar nicht das erste soziale Netzwerk – Grüße gehen raus an Netlog, Tirolchat (ja!) und Konsorten – aber das beständigste und am weitesten verbreitete. Facebook war irgendwie immer da, fast jede und jeder nutzte es, und selbst wenn man dort irgendwann nur noch alle heiligen Zeiten postete, irgendwie blieb man doch dabei und schaute immer wieder einmal vorbei.

1. Akt – Exposition: Entfremdung

Seine Anziehungskraft verlor Facebook mit dem Aufschwung innovativerer Konkurrenten wie Snapchat und dem später vom Meta-Konzern inhalierten Instagram. Zu lange hatte sich die 2004 gegründete Plattform auf ihren Erfolgen ausgeruht, was sich unter anderem bemerkbar machte, indem irgendwann zwar auch gefühlt 99 Prozent der Babyboomer einen Account dort hatten, die jüngeren aber ihre ersten Social-Media-Erfahrungen eher auf Snapchat, Instagram oder aktuell hauptsächlich auf Tiktok machten. Zunehmend wurde der Diskurs auf Facebook älter, was sich durch immer mehr Minions-GIFs, hämische Riesen-Lach-Emojis und zunehmend mühsame Diskussionen in öffentlichen Kommentarbereichen bemerkbar machte.

Einen Vorteil behielt Facebook immer gegenüber seinen Konkurrenten: Keine andere Social-Media-Plattform informiert so gut über anstehende Veranstaltungen – praktisch für Besucherinnen und Besucher, aber auch für Organisatorinnen und Organisatoren. Man erstellt ein Event, schaltet vielleicht für kleines Geld etwas Werbung und erhält dafür Reichweite und kann dank Zusagen und "Interessierten" – wenn auch ungenau – abschätzen, ob man am Veranstaltungstag alleine dasteht oder nicht. Und auch als Nachrichtenquelle blieb Facebook immer relativ praktisch – solange man nicht den Fehler machte, sich die Kommentare zu verlinkten News-Beiträgen durchzulesen.

Neben den Menschen, die Facebook verwenden, wurde mit der Zeit jedoch die Plattform selbst zum Problem. Vor allem als Nutzer der Unternehmensfunktionen trieb mich Facebook zunehmend zur Weißglut: Eine Werbeanzeige für ein Festival für politische Filme, das ich mitorganisiert hatte, wollte erst nach einem nervenaufreibenden Verifikationsprozess und der Kennzeichnung als "politische Werbung" online gehen. Simple Tools wurden von einer überladenen Zusatz-Business-Plattform in die nächste verschoben und hörten teilweise einfach auf zu funktionieren.

Den Facebook-Support fragen? Ich muss Sie enttäuschen – so etwas existiert nicht. Facebook gaukelt zwar mit seiner "Hilfe"-Seite vor, es würde sich für die Probleme seiner User interessieren, das ist tatsächlich aber nicht der Fall. Hier beginnt Akt zwei.

2. Akt – Entwicklung

Meine emotionale Verbindung zu meinem privaten Facebook-Profil schwand, wie bereits angedeutet, mit dem Übergang von der hauptsächlich privaten zur fast ausschließlich beruflichen Nutzung der Plattform. Ganz davon trennen wollte ich mich dann doch nie – das geschah dann schließlich unfreiwillig. Dabei kamen drei Dinge zusammen: Facebooks Zwei-Faktor-Authentifizierung (2FA), die "Hilfe" der Meta-Plattform und ein Update für mein Smartphone. Durch Facebooks geradezu aggressive Gleichgültigkeit gegenüber seinen Mitgliedern konnte etwas derart Simples wie ein Android-Update mich ein für alle Mal aus meinem zehn Jahre alten Account aussperren. Aber alles von vorne.

Irgendwann, vermutlich nach einer Häufung von Account-Diebstählen, hatte jemand bei Facebook die eigentlich durchaus sinnvolle Idee, den Mitgliedern der Plattform einen Wechsel zur Anmeldung via 2FA zu empfehlen oder vielmehr aufzudrängen. Via Verknüpfung einer Code-Generator-App wie Google Authenticator konnte man nun also seinen Account zusätzlich absichern. Sollte man einmal den Zugriff auf besagte App verlieren, kein Problem, denn Facebook verschickte die Authentifikationscodes auch per SMS an die im Konto hinterlegte Telefonnummer.

Gut, warum nicht, dachte ich mir – und schlug mich fortan bei jedem Log-in mit dem lästigen Code-Eingeben herum. Aus welchem Grund auch immer fragte mich Facebook nämlich nicht nur auf neuen Geräten danach, sondern weigerte sich, meine Anmeldedaten zu speichern. Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal ein Problem damit haben würde, dass Facebook meine Daten nicht speichern will.

3. Akt – Komödie

Nach längerer Zeit der Facebook-Abstinenz wollte ich vor einigen Monaten wieder einmal dort vorbeischauen. Nach einem Reset meines Smartphones vor dem großen Update auf eine neue Android-Version hatte ich die Google-Authenticator-App nicht mehr installiert – kein Problem, schließlich kann man sich den Code ja auch per SMS schicken lassen. Dachte ich zumindest. Denn plötzlich gab es diese Option nicht mehr, Facebook bestand nach Auswählen von "Gibt es ein Problem?" trotzdem auf den Code aus der verknüpften App – oder alternativ einem im Einstellungsmenü generierten Code.

Grundsätzlich ja gar kein schlechter Witz: Du kannst dich nicht anmelden? Dann meld dich einfach ... an, dann kriegst du einen Code, mit dem du dich anmelden kannst. Herzlichen Dank!

In den FAQs der Facebook-Hilfe fanden sich dieselben Hinweise. Hier und da war zwar noch von der Möglichkeit, sich eine SMS schicken zu lassen, zu lesen – die entsprechende Funktion schien es aber einfach nicht mehr zu geben. Gut, dann schreibe ich eben dem Support und schildere mein Problem, dachte ich mir, mit einer Ausweiskopie sollte es wohl kein Problem sein, einen entsprechenden Authentifikationscode zugeschickt zu bekommen.

Doch damit eröffnete sich ein weiteres Problem: Wie kontaktiert man den Facebook-Support überhaupt?

Die Unart, Kontaktadressen hinter zig Untermenüs und Einstellungsoptionen zu verstecken, um die Zahl der Anfragen zu reduzieren, hat Facebook nicht erfunden, aber perfektioniert. Auf der Plattform selbst war trotz einiger Erfahrung mit solcherlei Tricks keine E-Mail-Adresse zu finden, erst nach längerer Reddit-Recherche fand ich den Hinweis, dass man es über die Funktion zur Meldung von Account-Diebstählen versuchen soll – dort lasse sich nämlich ein Support-Ticket erstellen, das dann tatsächlich von einem richtigen Menschen bearbeitet werden sollte.

Sollte, denn auf mein Ticket bekam ich eine verdächtig schnelle Antwort, und meine Befürchtungen bewahrheiteten sich: Es handelte sich um eine automatische Antwort mit der lapidaren Aussage: "Deine Frage scheint sich auf etwas zu beziehen, das wir nicht unterstützen können." Außerdem wurde ich auf dieselbe Hilfeseite verwiesen, auf der man mir bereits erklärt hatte, ich müsse mich einfach anmelden, dann würde ich einen Code erhalten, mit dem ich mich anmelden könne.

Die Nachricht nahm mir endgültig die Motivation für das Projekt Facebook-Log-in – da mir der Account ohnehin nicht besonders wichtig war, wollte ich nicht weiter Zeit und Nerven damit verschwenden, mich mit Mailrobotern zu unterhalten. Stattdessen antwortete ich kurz und knapp: Wenn Facebook mir schon nicht helfen wolle, die Kontrolle über meinen Account zurückzubekommen, dann sollen wenigstens meine Daten und mein Account gelöscht werden. Facebook ging darauf allerdings nicht ein.

Und wenn sie nicht gestorben sind ...

Die Verarbeitung dieses Dramas hat mich dazu gebracht, doch noch einmal zu versuchen, mich in meinen Account einzuloggen. Vielleicht hat Facebook mittlerweile doch eingesehen, dass es wenig zielführend ist, User derart im Kreis zu schicken? Ich lade mir also die Datenkrake, die Facebook seine App nennt, herunter, nehme ihr alle dubiosen Berechtigungen weg, gebe mein Passwort ein – und siehe da: Veränderung. Sofort und ungefragt schickt mir Facebook eine SMS mit einer krypischen Nachricht: "0100212 is your Facebook code". So einfach? Natürlich nicht, denn der Code ist laut Facebook-App "ungültig". So nah und doch so fern.

Immerhin führt die Schaltfläche "Gibt es ein Problem?" mittlerweile zu einer hilfreicheren Website, wo ein Identitätsnachweis hochgeladen werden kann. Facebook überprüft aktuell, ob ich es wirklich bin, und wird mir mir dann vielleicht, eventuell, meinen Account zurückgeben. Sehr gnädig. Vielleicht lösche ich ihn dann einfach ein für allemal. (Jonas Heitzer, 24.11.2022)