Vorgängerin der U-Kommission zur Wien Energie war jene 2019/2020 zu Vereinsförderungen. Bisher gab es in Wien fünf U-Kommissionen.

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Das Vorspiel zur Untersuchungskommission in Sachen Wien Energie ist offiziell zu Ende. Am Donnerstag wird das Gremium durch den Gemeinderat eingesetzt – und damit geht es nun richtig zur Sache. Dem vorangegangen ist ein unübersichtliches Gezerre zwischen ÖVP und FPÖ, ihres Zeichens Initiatoren der Kommission, und der SPÖ, die in Person des Gemeinderatsvorsitzenden Thomas Reindl ein gewichtiges Wort dabei mitzureden hat, was genau untersucht werden darf. Wie das ausgegangen ist – und was es über die U-Kommission noch zu wissen gilt.

Frage: Wie wird die erste Sitzung ablaufen, und wie geht es weiter?

Antwort: Für die konstituierende Sitzung am 2. Dezember seien noch keine Befragungen von Zeugen geplant, es würden vor allem Beweisanträge eingebracht, heißt es auf STANDARD-Anfrage aus dem SPÖ-Rathausklub. Vor Weihnachten findet noch eine weitere Sitzung statt – am 16. Dezember. Die im neuen Jahr bereits fixierten Termine sind: 18. Jänner, 1. und 16. Februar sowie 1. März. Die Arbeit einer U-Kommission ist grundsätzlich auf zwölf Monate begrenzt, kann aber um drei Monate verlängert werden. Wo die Kommission zusammenkommen wird, ist noch offen: Der genaue Sitzungsort müsse noch festgelegt werden, teilt der rote Rathausklub mit.

Frage: Was wird genau untersucht?

Antwort: Die "SPÖ-Finanzskandal-Untersuchungskommission", wie ÖVP und FPÖ das Gremium offiziell genannt haben, soll im Kern die Vorgänge rund um die Finanzspritzen für die Wien Energie im Sommer 2022 durchleuchten. Ziel ist in diesem Zusammenhang, Missstände in der Verwaltungsführung aufzuklären. Thematisch stehen zwei Themenkomplexe im Fokus.

Ein großer Themenkomplex ist die Wahrung der Eigentümerrechte von Finanzstadtrat Peter Hanke (links) und Bürgermeister Michael Ludwig (beide SPÖ).
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Der erste betrifft die Frage, inwieweit Bürgermeister Michael Ludwig und Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) ihre Eigentümerrechte gegenüber der Wien Energie adäquat wahrgenommen haben. Die Wien Energie ist zwar ein privatwirtschaftlich organisiertes Unternehmen, gehört aber über die Wiener Stadtwerke zu 100 Prozent der Stadt. Konkret geht es etwa darum, ob Ludwig und Hanke auf die Preissteigerungen auf den Strommärkten im Sommer rechtzeitig und angemessen reagierten. Oder ob die beiden Stadtsenat, Gemeinderat und die zuständigen Ausschüsse ausreichend über Geschäftsgebarung und außerordentliche Entwicklungen informierten.

Der zweite Komplex dreht sich um die Notkompetenz von Bürgermeister Ludwig. Diese nutzte er bekanntlich, um der Wien Energie Mitte Juli und Ende August Darlehen im Umfang von je 700 Millionen Euro aus der Rathauskasse zu gewähren und ebenfalls Ende August einen Kredit zwischen Wien und Bund über zwei Milliarden Euro auf den Weg zu bringen. Im Detail soll in diesen drei Fällen geklärt werden, ob die Ausübung der Notkompetenz rechtskonform war, welchen Informationsstand Ludwig bei deren Nutzung über den finanziellen Zustand sowie die Geschäftsgebarung der Wien Energie hatte und wann er die Mitglieder des Stadtsenats, des Gemeinderats und die zuständigen Ausschüsse über seine Handlungen in Kenntnis setzte.

Wäre es nach ÖVP und FPÖ gegangen, so hätte auch die Besetzung von Aufsichtsräten im Einflussbereich der Stadt untersucht werden sollen. Ein Rechtsgutachten ergab allerdings, dass dies zu weit gefasst sei und auf die Aufsichtsräte der Wien Energie und der Stadtwerke beschränkt werde. Gänzlich für unzulässig befunden wurde das türkis-blaue Ansinnen, den Ablauf der Darlehensverhandlungen und die Informationsweitergabe zwischen Wien und Bund über finanzielle Hilfen Ende August zu prüfen. Das liegt daran, dass eine U-Kommission im Prinzip nur Themen prüfen darf, die die Gemeinde betreffen. Bei Abschluss des Darlehens mit dem Bund habe Wien allerdings als Land und nicht als Gemeinde gehandelt, lautet die Rechtsansicht der Gutachter.

Frage: Wer sind die Mitglieder der Kommission?

Antwort: Insgesamt waren 16 Plätze zu vergeben, sie werden nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen im Gemeinderat verteilt. Die FPÖ und die Neos haben je einen Sitz. Erstere schickt ihren Klubchef Maximilian Krauss in die Kommission. Letztere wollen ihre Wahl am Freitag bekanntgeben, sie dürfte auf Energiesprecher Stefan Gara fallen. Die zwei grünen Sitze gehen an Klubchef David Ellensohn und Wirtschaftssprecher Hans Arsenovic.

Die ÖVP als größte Oppositionspartei hat vier Vertreterinnen und Vertreter nominiert: Klubobmann Markus Wölbitsch, Finanzsprecher Manfred Juraczka, Sicherheitssprecher Hannes Taborsky und Integrationssprecherin Caroline Hungerländer. Die Besetzung der acht SPÖ-Sitze wurde am Donnerstagnachmittag bekanntgegeben: Vertreten sind Gemeinderatsvorsitzender Reindl und die Gemeinderatsmitglieder Kurt Stürzenbecher, Stephan Auer-Stüger, Peko Baxant, Ilse Fitzbauer, Marcus Schober, Stefanie Vasold sowie Pia Maria Wieninger.

Frage: Was wurde aus der von der Opposition geforderten U-Kommission-Reform?

Antwort: Die U-Kommission zur Wien Energie ist grundsätzlich die erste, die nach den neuen, im Vorjahr beschlossenen Regeln abgehalten wird. Im Rahmen dieser Reform wurde etwa die Hürde zur Beantragung einer U-Kommission gesenkt. Nötig sind dafür die Unterschriften von lediglich 25 der 100 Mitglieder des Gemeinderats – zuvor waren es 30. Dies sollte den Charakter als Kontrollinstrument der Opposition stärken. Zeugenladungen oder Beweisbeantragungen sind nun auch gegen den Willen der Mehrheit möglich. Ausreichend ist, wenn ein Viertel der Kommission dies möchte.

Beim Thema Krankenhaus Nord, das mittlerweile in Klinik Floridsdorf umbenannt wurde, haben erstmals die Regierungsparteien die Einsetzung einer U-Kommission veranlasst.
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Weitere wichtige Änderung: Die Verjährungsfrist wurde auf zehn Jahre ausgeweitet – davor konnten maximal acht Jahre zurückliegende Missstände untersucht werden. Ebenfalls neu geregelt wurde die Besetzung des Vorsitzes: Zum Einsatz kommen aktive beziehungsweise pensionierte Richterinnen oder Richter, die grundsätzlich bereit sind, diese Aufgabe zu übernehmen. Sie werden per Los ausgewählt – was die Kommission rasch arbeitsfähig machen soll.

Ein entscheidender Punkt wurde bei der Reform 2021 aber – unter heftiger Kritik der Opposition – ausgespart: Ausgelagerte Unternehmen wie die Wien Energie dürfen nicht direkt Gegenstand einer U-Kommission sein. Das machte die Formulierung des Untersuchungsgegenstandes im aktuellen Fall juristisch heikel. ÖVP, FPÖ und Grüne versuchten im heurigen Herbst, eine weitere Reform der Regeln anzustoßen – und U-Kommissionen zu erlaben, ausgelagerte Unternehmen zu untersuchen. Entsprechende Anträge fanden aber keine Mehrheit.

Frage: Welche U-Kommissionen gab es in Wien bereits?

Antwort: Die Einsetzung einer U-Kommission ist in der Hauptstadt seit 2001 möglich, als die Stadtverfassung entsprechend geändert wurde. Beim Thema Krankenhaus Nord, das mittlerweile in Klinik Floridsdorf umbenannt wurde, haben erstmals auch die Regierungsparteien die Einsetzung einer U-Kommission veranlasst. Bisher ging das stets von der Opposition aus – so wie dies nun wieder der Fall ist. Premiere feierte die U-Kommission 2002/03, als die Praxis der Flächenwidmung unter die Lupe genommen wurde. 2003/04 beschäftigte man sich mit Pflegeskandalen, 2008/09 mit Missständen in Psychiatrieeinrichtungen. Ab 2018 wurde der Bau des KH Nord durchleuchtet, 2019/2020 parteinahe Vereine. (Stefanie Rachbauer, 24.11.2022)