Schottland will erneut über seine Unabhängigkeit abstimmen, braucht dafür aber die Zustimmung Londons.

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London – Das britische Höchstgericht hat am Mittwoch das schottische Gesuch nach einem erneuten Unabhängigkeitsreferendum abgelehnt. Die Befugnis, eine solche Abstimmung anzusetzen, sei dem Parlament des Vereinigten Königreichs vorbehalten, erklärte der Präsident des Obersten Gerichtshofs, Robert Reed, in London. Daher habe "das schottische Parlament nicht die Berechtigung, ein Referendum zur schottischen Unabhängigkeit" zu beschließen.

Der Supreme Court in London urteilte auf Antrag der schottischen Regionalregierung, ob das Regionalparlament in Edinburgh ohne Zustimmung aus London eine Volksabstimmung ansetzen darf. Die britische Zentralregierung bestritt dies.

Sturgeon "enttäuscht"

Beide Seiten hatten vor gut einem Monat in einer zweitägigen Verhandlung ihre Argumente vorgetragen. Damals hatte der Vorsitzende Richter angekündigt, dass bis zu einem Urteil noch Monate vergehen könnten.

Überraschenderweise ging es schneller. Für die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon und ihre Schottische Nationalpartei (SNP) ist die Entscheidung ein herber Schlag. In einer ersten Reaktion zeigte sie sich "enttäuscht". Sie werde das Urteil aber akzeptieren. Für das kommende Jahr hatte die SNP ein zweites Referendum angestrebt.

Aufgeben wolle Sturgeon aber nicht. Sie schrieb: "Ein Gesetz, das es Schottland nicht erlaubt, seine eigene Zukunft ohne Billigung von Westminster zu bestimmen, entlarvt jede Vorstellung, dass das Vereinigte Königreich eine freiwillige Partnerschaft ist, als Mythos und liefert Argumente für die Unabhängigkeit." Bereits vor dem Urteil hatte sie erklärt, die Unabhängigkeit zum wichtigsten Thema der nächsten Parlamentswahlen 2024 zu machen.

Sunak sieht Ende der Diskussion

Der britische Premierminister Rishi Sunak sieht die Diskussion um eine schottische Unabhängigkeit hingegen beendet. "Wir begrüßen das klare und endgültige Urteil des Obersten Gerichts des Vereinigten Königreichs", sagte Sunak am Mittwoch im Parlament in London. Er betonte, nun sei die Zeit, dass Politiker zum Wohle der Menschen in Schottland zusammenarbeiteten. Es gehe darum, gemeinsam grundlegende Probleme wie die wirtschaftlichen Schwierigkeiten und den maroden Gesundheitsdienst NHS anzugehen, so Sunak.

Der Premier wich Fragen mehrerer SNP-Abgeordneter aus, inwiefern er guten Gewissens von einer freiwilligen Union sprechen könne, wenn er doch Schottland das Recht auf eine demokratische Entscheidung per Unabhängigkeitsreferendum verweigere. Stattdessen stellte sich Sunak hinter die Aussage der früheren Premierministerin Theresa May, die die SNP aufforderte, ihre "Besessenheit" mit der Unabhängigkeitsfrage endlich aufzugeben.

Schotten gegen Brexit

Die Schottinnen und Schotten hatten bereits 2014 über einen Austritt aus dem seit drei Jahrhunderten bestehenden gemeinsamen Königreich mit England und Wales abgestimmt. Damals setzten sich die Gegner einer Unabhängigkeit mit 55 zu 45 Prozent der Stimmen durch. Für London ist die Frage damit langfristig entschieden.

Sturgeon aber argumentiert, dass der Brexit, den die Schotten 2016 deutlich abgelehnt hatten, die Ausgangslage verändert habe. Sie will ein unabhängiges Schottland zurück in die EU führen. Im Parlament in Edinburgh sind die Unabhängigkeitsbefürworter in der Mehrheit.

Gemäß dem Scotland Act von 1998, mit dem das schottische Parlament geschaffen und einige Befugnisse von London auf Edinburgh übertragen wurden, sind alle Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Union der Königreiche Schottland und England dem britischen Parlament in Westminster vorbehalten. (APA, 23.11.2022)