Bei Halsweh greifen immer noch viele zum Antibiotikum. Doch ist der Infekt viral – nicht bakteriell –, ist das sinnlos und sogar potenziell schädlich. Denn so werden Resistenzen gefördert.

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Seit die Antibiotika entdeckt wurden, geht es mit der Lebenserwartung bergauf. Umweltmediziner Hans-Peter Hutter von der Med-Uni Wien nennt die Medikamente im Kampf gegen bakterielle Infektionen als eine von vier Errungenschaften, warum sich die Lebenserwartung hierzulande seit Ende des 19. Jahrhunderts verdoppelt hat – neben Zugang zu sauberem Trinkwasser, funktionierender Kanalisation und Impfungen. Doch die Potenz der Antibiotika gerät zunehmend unter Druck – denn Bakterien werden immer resistenter gegen die Medikamente.

Forschende beschreiben diese gesundheitliche Bedrohung als schleichende und unsichtbare Pandemie. Das Problem gibt es in Österreich, es ist weltweit aber von noch viel größerer Bedeutung. Rund 1,3 Millionen Menschen sind im Jahr 2019 an Infektionen mit antibiotikaresistenten Bakterien verstorben, das sind mehr als an Malaria oder an HIV. In Österreich starben 2020 deshalb geschätzt 266 Personen. Grund für die massive Zunahme der Resistenzen ist der intensive, oft unnötige oder falsche Einsatz von Antibiotika, bei Menschen ebenso wie in der Tierhaltung.

Kein Antibiotikum bei Halsweh

Die Resistenzen sind dabei ungleich verteilt. Während in Österreich das Problem zwar vorhanden ist, man es in vielen Fällen aber gut in den Griff bekommt, ist es in großen Bereichen Osteuropas, etwa der Ukraine, sehr weit verbreitet, ebenso in Subsahara-Afrika – und das, obwohl dort insgesamt die wenigsten Antibiotika eingesetzt werden. Zurücklehnen kann man sich in Österreich deshalb aber nicht. Denn das Problem ist ein globales: Werden hochpotente Mittel aufgrund falscher Anwendung in Afrika wirkungslos, macht das auch vor den europäischen Grenzen nicht halt.

Die falsche oder nicht gezielte Anwendung ist ein wesentlicher Grund für diese Resistenzen. Hierzulande werden Antibiotika oft eingenommen, obwohl es medizinisch gar nicht nötig wäre, etwa bei Halsschmerzen. In acht von zehn Fällen sei dieser Behandlungsansatz der falsche, da es sich nicht um eine bakterielle Infektion handle, betont etwa das Pharmaunternehmen Reckitt – trotzdem bestehen immer noch viele Erkrankte auf einer Verschreibung beim Arzt.

Kurzer und gezielter Einsatz

Viel größer ist aber das Problem der nicht gezielten Anwendung, etwa eines Breitbandantibiotikums. Das ist vor allem in Ländern ein Thema, wo die medizinische Versorgung schlecht ist. Marcus Bachmann, Experte für Qualitäts- und Prozessmanagement bei Ärzte ohne Grenzen, berichtet: "Die Ärzte etwa in Subsahara-Afrika haben oft nur ein Breitbandantibiotikum zur Verfügung, das dann für die Behandlung aller entsprechenden Erkrankungen eingesetzt wird. Dadurch verlieren aber sehr potente Mittel rasch ihre Wirkung."

Um das Problem in den Griff zu bekommen, seien mehrere Strategien nötig, sagt Mathias Pletz, Infektiologe am Universitätsklinikum Jena: "Ohne neue Substanzen wird es nicht gehen, da ist die Forschung massiv gefragt. Aber die vorhandenen Substanzen müssen auch klug eingesetzt werden, nämlich nicht zu lang und so gezielt wie möglich. Und wenn das Antibiotikum nicht wirkt, dann muss der Grund dafür eruiert werden. Das gilt im Globalen Süden, aber genauso bei uns." (Pia Kruckenhauser, 24.11.2022)