Julia Fent forscht an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien an der Schnittstelle von Musiktherapie und Gender-Studies. Dabei ist ihr das Hinterfragen von Hierarchien und Machtverhältnissen wichtig. Wer sind die Forschenden und die Beforschten? Welche Personen werden als Expertinnen anerkannt? Das Interesse entstand, als sie nach Ausbildungen in Gesang und Musiktherapie als Musiktherapeutin in der Psychiatrie arbeitete und das Gesundheitswesen aus nächster Nähe erlebte.

Heilung und Gesundheitsförderung

Musiktherapie nutzt musikimmanente Potenziale und macht diese unabhängig von Kenntnissen und speziellen Begabungen zugänglich. Das dient der Heilung, aber auch der Gesundheitsförderung und dem Ausbau sozialer Fähigkeiten. Musiktherapie wird bei Menschen aller Altersgruppen in Spitälern oder in freier Praxis angewendet, etwa im psychiatrischen und im neurologischen Bereich. In der musiktherapeutischen Forschung stehen oft die Sichtweisen der Therapeutinnen im Vordergrund.

Julia Fent ist überzeugt, dass partizipative Forschung vielfältige neue Sichtweisen eröffnet.
Foto: Sabine Hauswirth/mdw

"Es ist aber genauso wichtig, wie Musiktherapie aus der Klientenperspektive erlebt wird. Für sie relevante Themen sollten in der Forschung von vornherein und ständig berücksichtigt werden", erklärt sie. "Wenn Menschen, die etwas Bestimmtes erlebt haben, in aktiver Rolle als Co-Forschende mitwirken, bringt das Ergebnisse, die sonst nie entstehen könnten", sagt Fent. Das passiere nämlich viel zu wenig. Dadurch würden auch jene ermächtigt, die sonst nicht zu Wort kämen.

Award für herausragende Dissertation

Solche Fragestellungen nach gesellschaftlichen Machtverhältnissen sind es, die Fent zum Studium und 2021 auch zum Abschluss ihrer Dissertation in Gender-Studies an der mdw führten. Sie wollte herausfinden, wo Musiktherapie in der Gesellschaft verortet ist und wie gesellschaftliche Ungleichheiten, Normen und Ausschlüsse unhinterfragt transportiert werden. Dafür wurde ihr heuer der Herta-und-Kurt-Blaukopf-Award für herausragende Dissertationen verliehen.

Fents aktuelles Projekt "My Tune: Musiktherapie aus unseren Perspektiven" behandelt die Frage, wie Musiktherapie partizipativer gestaltet werden kann. Im Fokus stehen Jugendliche und junge Erwachsene. Üblicherweise werden die Prozesse und erzielten Fortschritte aus Sicht der Therapeutinnen bewertet. Hier ist es umgekehrt: Was bringt Betroffenen die Therapie, was erleben sie als hilfreich, was wünschen sie sich? Künftige Projekte sollen sich neben dem Fokus auf psychische Gesundheit mit der Frage auseinandersetzen, wie Musiktherapie zu mehr sozialer Gerechtigkeit führen kann.

Die Zusammenarbeit mit Menschen aus verschiedenen Bereichen und das gemeinsame Entdecken treiben die junge Wissenschafterin an. Musik spielt dabei auch abseits der Universität eine wesentliche Rolle. So wirkt sie etwa als Sängerin im Arnold Schoenberg Chor bei Opernproduktionen mit. Wenn es die Zeit erlaubt, will sie wieder vermehrt als Therapeutin praktizieren. (Pia Gärtner, 27.11.2022)