Die Zwillinge Lydia und Timothy waren vor ihrer Geburt bereits fast 30 Jahre lang als Embryonen eingefroren.

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Ende Oktober wurde Philip Ridgeway aus den USA Vater von Zwillingen. An sich keine große Sensation. Ridgeway ist jedoch, wenn man es genau betrachtet, nur fünf Jahre älter als seine neugeborenen Babys. Denn: Sie wurden vor fast 30 Jahren als Embryonen eingefroren – da war Ridgeway gerade einmal fünf Jahre alt.

Die Embryonen wurden 2007 von einem anonymen Spenderpaar dem National Embryo Donation Center in Knoxville, Tennessee übergeben. Dieses Paar hatte 1992, nach erfolgreicher In-vitro-Fertilisation – dabei werden der Mutter nach hormoneller Behandlung mehrere Eizellen entnommen und im Labor mit Samenzellen befruchtet –, mehrere noch vorhandene Embryonen kryokonservieren lassen. Sprich, sie wurden bei minus 196 Grad eingefroren.

Diese Methode wird auch in Österreich angewendet, allerdings ist der Umgang mit den "übriggebliebenen" Embryonen ein ganz anderer. Andreas Obruca, ärztlicher Leiter des Kinderwunschzentrum an der Wien, erklärt: "So etwas wäre in Österreich nicht möglich, denn bei uns ist die Lagerung der Embryonen auf zehn Jahre begrenzt, und außerdem ist es in Österreich nicht erlaubt, diese an ein anderes Paar zu spenden."

29 Jahre und zehn Monate eingefroren

In den USA sind diese Gesetze lockerer, deshalb konnten Rachel Ridgeway drei dieser Embryonen eingesetzt werden. Zwei davon nisteten sich in der Gebärmutter ein und kamen Ende Oktober als gesunde Zwillinge zur Welt. Das Paar, das sich als sehr gläubig bezeichnet, entschied sich übrigens ganz bewusst für diese Embryonen, wie es dem US-Sender CNN in einem Interview erzählte: "Wir waren nicht auf der Suche nach den Embryonen, die am längsten eingefroren waren, aber wir wollten die, die am längsten gewartet haben."

Ganze 29 Jahre und zehn Monate haben die Embryonen "gewartet". Und damit sind sie vermutlichen die ältesten eingefrorenen Embryonen, die zu einer Lebendgeburt geführt haben. Dennoch ist die Geburt rein medizinisch gesehen keine so große Sensation. Obruca erklärt: "Wie lange die Embryonen eingefroren sind, macht eigentlich keinen Unterschied, vorausgesetzt es gibt keine Temperaturschwankungen oder andere Vorkommnisse. Die kritische Phase ist immer das Einfrieren selbst. Da können Schädigungen passieren, die man dann erst nach dem Auftauen sieht." Laut dem Experten hat sich die Technik des Einfrierens in den vergangenen 30 Jahren auch nicht markant verändert. "Die Technik hat sich natürlich verfeinert, aber große Unterschiede gibt es da nicht. Bereits in den 1980er-Jahren wurden die ersten Embryonen erfolgreich eingefroren."

Bedarf an Embryonenspende

Der Experte plädiert dafür, dass die Embryonenspende auch in Österreich per Gesetz erlaubt wird. "Wir sehen, dass es in Österreich den Bedarf an Embryonenspenden gibt. Es gibt viele Paare, die nicht schwanger werden können." Aber nicht nur für die Paare, die sich ein Kind wünschen, wäre diese Möglichkeit wichtig, auch für einige Paare, die Embryonen eingefroren haben. "Für manche ist es ein ethisches Problem, einen Embryo, der potenziell ein lebensfähiges Kind werden könnte, auftauen und vernichten zu lassen. Diese Paare würden ihre Embryonen gern einem anderen Paar spenden", weiß Obruca. Und er sagt weiter: "Natürlich müssten dann auch einige Rahmenbedingungen geklärt werden. Etwa ob die Kinder dann, ähnlich wie bei einer Eizellspende, das Recht haben, die leibliche Mutter und in dem Fall auch den Vater kennenzulernen."

Zurück zu den Ridgeways und ihren neugeborenen Zwillingen. Das Ehepaar hat bereits vier Kinder im Alter zwischen zwei und acht Jahren, die alle auf natürlichem Weg gezeugt wurden. Als sie von der Möglichkeit einer Embryonenadoption hörten, entschieden sie sich trotzdem für diesen Weg, um "verwaiste" Embryonen zu retten. Zu seinem jüngsten Familienzuwachs sagt Philip Rigdeway: "In gewisser Weise sind sie unsere ältesten Kinder, auch wenn sie unseren kleinsten sind." (jaa, 23.11.2022)