Nicht nur die Gaspreise sind heiß, auch bei den EU-Energieministern werden hitzige Debatten erwartet.

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Es war ein langer Anlauf, den die 27 Mitgliedsstaaten und die EU-Kommission in Sachen Begrenzung der Gaspreise im Binnenmarkt genommen haben. Vor mehr als einem Jahr, noch vor Kriegsbeginn in der Ukraine, waren sie eskaliert. Seither wurden in Brüssel ganze Bündel an Maßnahmen zu Energiesparen, Dämpfung der Strompreise oder sozialen Ausgleichsmaßnahmen (Stichwort: Übergewinne abschöpfen) beschlossen.

Aber beim "Gaspreisdeckel", den manche als staatlich festgelegten Konsumentenpreis, andere nur als Obergrenze im Großhandel verstanden wissen wollten, ging nichts weiter. Zu groß waren Differenzen der Regierungen, die mehr oder weniger von russischem Gas bzw. dessen Ersatz durch sündteuer importiertes LNG-Flüssiggas aus den USA oder aus der Golfregion abhängig sind.

Bei einem Sondertreffen der Energieminister könnte es nun am Donnerstag im Kompromiss eine Lösung geben. Zumindest im Prinzip. Basis ist ein 48 Stunden davor präsentierter neuer Vorschlag der Kommission. Aber gesichert ist dies keineswegs, hieß es in Rats- und Verhandlerkreisen am Mittwoch.

Hoffnung Marktkorrektur

Es dürfte jedenfalls wieder bitteren Streit der Minister geben. Rechtlich feste Beschlüsse sind – wenn überhaupt – wohl erst im Dezember beim regulären Ministerrat zu erwarten. So die Ausgangslage.

Ginge es nach der Kommission, soll es auf EU-Ebene keine direkten Eingriffe in den Gashandel geben, der weitgehend von privaten Unternehmen abgewickelt wird; und auch keine direkten Subventionen aus EU-Töpfen oder Preisvorgaben, den "Gaspreisdeckel". Betroffen wäre auch nur der Großhandel, der sich an einem Hub für LNG-Gas in den Niederlanden (TTF) orientiert, nicht aber der Spotmarkt und der direkte Handel etwa zwischen Firmen. Inwieweit sich das auf die "kleinen" Konsumenten, die Heizungskosten, durchschlüge, steht in den Sternen.

Dennoch gibt es Bewegung, sogar Fortschritte. Im September hat eine Gruppe von 15 EU-Staaten rund um Frankreich, Spanien und Griechenland noch direkte Preissubventionen gefordert, einen eigenen EU-Fonds dazu, strikt Obergrenzen. Sie sind weniger von russischen Lieferungen abhängig. Fünf Länder, Österreich, Deutschland, Ungarn, die Niederlande und Bulgarien, sind skeptisch. Sie befürchten, dass damit Lieferungen von LNG-Flüssiggas aus aller Welt, die russisches Gas bereits zu einem großen Teil ersetzten, behindert werden. Sollte Russland den Gashahn zudrehen, wäre die Versorgungssicherheit weg.

Handel strenger regulieren

Die Kommission sieht im Kompromiss einen "Marktkorrekturmechanismus" vor, der den Handel nur strenger regulieren würde. Er gäbe nicht einen "flexiblen Preiskorridor", mit dem bei Preistreiberei eingegriffen werden würde. Das wurde noch im Oktober beim EU-Gipfel in Prag erwogen. Stattdessen soll es nun eine Regel geben, dass der Gasgroßhandel gestoppt wird, wenn der Preis im Referenzhub in den Niederlanden (TTF) auf Dauer von zwei Wochen 275 Euro pro Megawattstunde übersteigt. Und wenn dieser Preis für LNG-Gas 58 Euro über dem Weltmarktpreis läge. Dann müsste der Handel ausgesetzt werden, bis sich die Märkte normalisieren.

Ganz gegen dieses Prinzip sprach sich kein Land mehr aus. Allerdings zeigen sich Vertreter der "harten Linie" für stärkere staatliche Eingriffe empört darüber, dass die Preisgrenze viel zu hoch sei. Man müsste auch die Hürden zum Eingreifen noch deutlich kleiner machen, sagt etwa Spanien, und den Direkthandel einbeziehen, um Umgehung zu vermeiden.

Scharfe Rechner werfen der Kommission Ignoranz vor: Der Korrekturmechanismus wäre selbst im August nicht zur Anwendung gekommen, als die Gaspreise tagelang explodierten, was in Österreich die Wien Energie beinahe in die Pleite trieb. Es sei nachzuschärfen.

Genehmigungsverfahren

Es gibt aber auch Konsens bei anderen Maßnahmen, die an das "Gaspaket" geknüpft werden. So dürfte es eine Einigung geben, dass die Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energien deutlich verkürzt werden sollen, sei es bei Solaranlagen oder Windkraftanlagen. Jeder soll seine Wärmepumpe oder das Solardach spätestens einen Monat nach Antrag errichten dürfen. Auch soll eine Solidaritätsverordnung nun rasch in Kraft treten, die die Staaten zum wechselseitigen Aushelfen im Fall einer Versorgungskrise bei Gas zu wechselseitiger Hilfe verpflichtet. Ein Teil des Gaseinkaufs der Länder soll – von der EU-Kommission koordiniert – gemeinsam ablaufen. Die EU-Marktmacht soll die Preise nach unten drücken. (Thomas Mayer, 24.11.2022)